Kapitel 16.4

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~Cleophea

Am Montag konnte mich niemand mehr vor dem Schlamassel, das den Namen 'Unterricht' trug retten. Ich konnte mich weder hinter Seth, noch hinter meinen nicht vorhandenen Kampfkünsten verstecken. Jetzt wurde es ernst. Niemand konnte mich davor bewahren- auch wenn ich zwischenzeitlich den Eindruck hatte, dass Zeke mit dem Gedanken spielte, die trölfte Klasse zu wiederholen, damit ich das nicht alleine durchstehen musste. Zeke war ein absolutes Goldstück. Er hatte mich bis vor die Tür des Klassenzimmers gebracht und mich zum Abschied herzlich umarmt, erst dann hatte er sich langsam entfernt. Und genauso, wie er mich verlassen hatte, stand ich noch immer vor der Tür und starrte sie an, als könnte sie mich jeden Moment auffressen.

,,Die Tür wird dir nichts tun. Sie beißt nur äußerst selten und Feuerelementarier schmecken ihr am besten."

Ich drehte mich um und hätte vor Erleichterung beinahe geheult, als ich Chris erblickte, die mich breit angrinste. ,,Chris", sagte ich begeistert.

,,Es freut mich sehr zu sehen, dass ich in 'griechische Geschichte' ab sofort nicht mehr die einzige bin, die in der letzten Reihe herumhängt und versucht, nicht allzu laut zu schnarchen." Sie griff nach der Türklinke und drückte sie herunter. ,,Guck mal, ich öffne für dich sogar das Tor zur Kammer des Schreckens."

Die Kammer des Schreckens war ein überraschend modern eingerichtetes Klassenzimmer. Die Wände waren weiß gestrichen, die Stühle sahen wesentlich bequemer aus, als die 0815 Stühle, die Schulen normalerweise zu bieten hatten und der Raum war mit Beamer, PC und Dokumentenkamera ausgestattet. Auf meinem Reitinternat hatte man noch Tafel und Overheadprojektor verwendet. Die Schüler, die bereits da waren, sahen ebenfalls aus, als hätten sie ein Upgrade erhalten. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie ganz normale Schüler, auf den zweiten jedoch fiel auf, wie übernatürlich schön sie alle waren. Augenpaare in leuchtenden, intensiven Farben blickten mir neugierig entgegen. Normalerweise achtete ich nicht großartig auf Augen, aber diese hier waren kaum zu übersehen.

Ich folgte Chris nach hinten in die letzte Reihe und setzte mich auf den freien Stuhl neben ihr. Auf der anderen Seit saß bereits ein Mädchen, das mir vage bekannt vorkam. Ich hatte vergessen, wie sie hieß, aber wenn ich mich recht erinnerte, war sie eines der furchtbaren Seth Fangirls gewesen, als er gegen Damian gekämpft hatte. Großartig. Vielleicht hätte ich doch eher den einsamen Platz auf der anderen Seite des Raumes nehmen sollen. Das Fangirl unterhielt sich angeregt über irgendetwas mit Chris -möglicherweise darüber, welche Zahnpasta Seth wohl benutzte?- und ich ließ meinen Blick weiter über das Klassenzimmer gleiten und musterte die Schüler. Einige von ihnen erwiderten meinen Blick neugierig, dann aber brachen plötzlich schlagartig alle Gespräche ab. Jeder in diesem Raum wandte den Kopf nach vorne und sah irgendetwas an, als handle es sich um das siebte Weltwunder. Ich kannte diese Reaktionen bereits, wenn Seth irgendwo auftauchte, aber in diesem Klassenzimmer hatte er eher nichts verloren. Ich sah nach vorne und mein Blick traf auf ein giftgrünes Augenpaar. War das nicht... doch, das war er, der Vampir. Der Vampir, mit dem ich es mir vermutlich bis in alle Ewigkeit versaut hatte. Und genau dieser Vampir sah mich nun an, lächelte und steuerte auf mich zu. Oh, verdammt.

Ich wusste nicht einmal mehr, wie er hieß, ich wusste nur, dass er nach wie vor wie ein Damon aussah. Damon, der König der Vampire. Allerdings sollte er möglicherweise mal ein Bad in Wasserstoffperoxid nehmen, für einen Vampir war er nicht leichenfarbig genug. Pseudo-Damon lief noch immer zielstrebig auf mich zu und blieb schließlich vor meinem Tisch stehen. Angestrengt sah ich an ihm vorbei und musterte eine extrem interessante Wasserflasche, die eine Reihe vor mir auf einem Tisch stand. Der Vampir schien jedoch dringend Aufmerksamkeit zu brauchen und tippte mir mit einem Finger auf die Schulter. Als ich ihn ansah, senkte er den Kopf, wodurch ihm pechschwarzes gewelltes Haar ins Gesicht fiel. ,,Warst du nicht Seths Strafarbeit?", fragte er.
Welch ein schöner Titel. Ich war nicht länger Tyches Tochter, ich war Seths Strafarbeit.

,,Und warst du nicht Dawson, der pubertäre Sohn von Poseidon?"

Dawson. So war sein Name gewesen. Warum hatte ich eigentlich ständig das unglaubliche Glück, auf olympische Halbgötter zu treffen? Eigentlich reichte mir einer schon vollkommen. Dawson ließ sich auf den freien Platz neben mir fallen und drehte den Kopf in meine Richtung, während ich weiter hinten etwas röcheln hörte. Vermutlich war es Chris' Fangirl-Freundin.

,,Genau der bin ich", erwiderte er überraschenderweise gelassen. ,,Aber augenscheinlich bist du jetzt nicht mehr Seths Strafarbeit, sonst wärst du nicht hier."

,,Und was tust du hier? Du bist immerhin ein olympischer Halbgott und könntest jeden hier mit einem Fingerschnipsen ins Nirvana befördern. Warum also Unterricht?"

Dawson stützte den Kopf auf seinem Arm ab. ,,Ich bin minderjährig. Das Gesetz ist der Meinung, dass ich unbedingt noch mehr über griechische Geschichte zu lernen habe." Er war minderjährig? Der Typ sah aus wie zwanzig. Mindestens. Ungläubig sah ich ihn an. ,,Du bist minderjährig?"

,,Jepp. Noch. Und wie alt bist du? Fünfzehn? In dem Alter wächst man glaube ich noch." Idiotie schien ein wesentlicher Bestandteil des Erbguts von Halbgöttern zu sein. Ich widerstand dem Drang, Dawson einen von Chris' sorgfältig gespitzten Bleistiften an den Kopf zu werfen und beließ es bei einem finsteren Blick. Mein Interesse dafür, mich von Dawson ins Nirvana befördern zu lassen, hielt sich in Grenzen.

Der Unterricht stellte sich als stinknormaler langweiliger Geschichtsunterricht heraus und Dawson als furchtbar nervig. Langsam aber sicher verstand ich, warum Seth ihn nicht leiden konnte. Irgendwie ähnelten sich die Beiden charakterlich -sie beide waren Arschlöcher und Idioten- allerdings war Dawson deutlich redseliger und stets der Meinung, dass jeder ständig seine Anwesenheit erfahren wollte. Chris und ihre röchelnde Fangirl Freundin schienen es großartig zu finden, dass Dawson heute die ganze Zeit bei mir herum hing, mir ging er allerdings langsam aber sicher auf die Nerven.

An diesem Tag entfiel das Training aufgrund irgendeiner weiteren Versammlung, dementsprechend war mein erster Schultag ziemlich normal gewesen. Jedenfalls wenn man davon absah, dass ich neben dem Sohn von Poseidon saß.

TodessohnDonde viven las historias. Descúbrelo ahora