Kapitel 16.6

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~Seth

Ich war richtig angepisst. Auch nach dem lang ersehnten Kaffee und der Dusche fühlte ich mich nicht besser. Ich hasste Estelle dafür, dass sie mich in so einer kritischen Zeit wie dieser hier festhielt. Und ich hasste mich dafür, dass ich nie das tun konnte, was man mir sagte. Nachdem ich vergeblich versucht hatte, etwas zu schlafen, fand ich mich schließlich doch in einem der Trainingsräume wieder und verprügelte eine der Plastikfiguren. Zu allem Überfluss tauchte dann auch noch Dawson auf und schien Aufmerksamkeit zu brauchen. Heute war er wieder ganz in schwarz gekleidet, er schien Gefallen daran zu finden seine Vampir-Aura damit zu unterstreichen. Dawson stellte sich neben mich und sah mir dabei zu, wie ich den Dummy verprügelte. ,,Was willst du, Dawson?" fragte ich genervt.
Dawson begann, die Figur zu umkreisen. ,,Ich muss sagen, es wundert mich irgendwie, dass du allen Leuten deinen Nachnamen verheimlichst."

Ich hielt inne. Was zum...?

,,Ich hab gehört, dass Dimitriadis ein recht häufiger Nachname in Griechenland sein soll. Warum machst du also so ein Geheimnis daraus?"

Ich erstarrte. Woher wusste er... Wie hatte er... Was zum Hades?

,,Woher weißt du...?"

Dawson lächelte. ,,Du warst auf einer eigenartigen Schule, Seth, bevor du hierher gekommen bist. Jedenfalls finde ich es ziemlich seltsam wenn eine Schule einen Blog hat und auf die Instagram Profile der Schüler verlinkt, aber naja- es soll mir recht sein." Er grinste mich breit an, während ich ihn noch immer fassungslos anstarrte. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und hielt es mir unter die Nase. Ich erblickte einen Artikel, der mir leider durchaus bekannt war. Verfasst vor drei Jahren, kurz bevor ich auf das Götterinternat in Kalifornien gekommen war. Noch immer lächelnd nahm Dawson sein Handy wieder an sich und begann vorzulesen.

 ,,... denn die Rockband unserer Schule überraschte uns dieses Mal mit einem neuen Sänger. Seth Dimitriadis begeisterte das Publikum mit seiner einzigartigen rauen Stimme und seinem Talent an der E-Gitarre, während er mit der Band Rock und Metal Songs aus den Achtzigern neu aufleben ließ."
Damit erinnerte Dawson mich schmerzlich an eine verlorene Wette und eine Schule, die ich wirklich lieber vergessen hätte. Ich sagte noch immer nichts und sah konzentriert auf den Boden.

,,Am Ende dieses wirklich interessanten Artikels über deine Qualitäten als Nachwuchstalent war dein Instagram Profil verlinkt- es wundert mich, dass noch niemand vor mir versucht hat, darüber mehr über dich herauszufinden. Aber gut, wahrscheinlich hat es der Rat nicht so mit Internet."

Er hatte es wirklich herausgefunden. Verdammt. Nachdem ich ihn noch eine Weile weiter verstört angeschaut hatte, schaffte ich es endlich den Mund zu öffnen. ,,Du hast es wirklich herausgefunden."

,,Jepp."

Ich holte tief Luft. ,,Bitte... Sag es niemandem." Es bereitete mir fast körperliche Schmerzen, diesen Satz auszusprechen. Dawson legte einen Arm auf die Plastikfigur, die vergessen im Raum herumstand und sah mir in die Augen. ,,Ich werde es niemandem sagen, wenn du mir erzählst, warum dir das so wichtig ist."
Na super. Ich schloss die Augen. ,,Es ist der Familienname meiner Mutter."

Als ich die Augen wieder öffnete, sah mich ein erstaunlich verständnisvoll dreinblickender Dawson an. ,,Kein gutes Verhältnis?"

Ich schüttelte den Kopf. Hoffentlich war er schlau genug, das Thema fortan auf sich beruhen zu lassen, sonst würde ich ihn möglicherweise doch in ein Häufchen Asche verwandeln müssen. Was ich natürlich nur sehr, sehr gern... ungern tun würde.

,,Ich wusste gar nicht, dass du singen kannst", bemerkte Dawson. Von seiner Hand, die immer noch auf dem Dummy ruhte, breiteten sich langsam Eiskristalle über die Oberfläche der Puppe aus. Obwohl ich gerade nicht damit kuschelte, spürte ich die Kälte, die davon ausging nur allzu deutlich.

,,Ich hab 'ne Wette verloren", erklärte ich dankbar für den Themenwechsel, ,,Und selbst eine Fußhupe hätte sich besser als der vorherige Sänger dieser Band angehört."

,,Und du willst mir jetzt erzählen, dass du dich besser als eine Fußhupe anhörst? Ich liebe Fußhupen."

,,Naja, als Pubertier triffst du die Tonlage vermutlich auch noch recht gut."

Dawson nahm die Hände von der Figur und ließ aus dem Nichts heraus einen Schneeball erscheinen, den er mir an den Kopf warf. Ich unterdrückte den Drang, einen Feuerball zurückzuwerfen und fuhr mir stattdessen über das Gesicht. ,,Ich danke dir, Dawson. Es gibt nichts besseres als eine Abkühlung nach dem Training." 

Dawson lächelte wieder sein überhebliches Lächeln, das in mir den Drang auslöste, ihm ein paar Zähne ausschlagen zu wollen und legte mir eine Hand auf die Schulter. ,,Ich weiß, ich weiß. Und jetzt lass uns gehen, Hadessohn, wir haben wichtige Dinge zu besprechen."

Ich wischte seine Hand von meiner Schulter und drehte mich wieder in Richtung des Dummys. ,,Wir haben überhaupt nichts zu besprechen", erwiderte ich. Ich begann wieder, den Dummy zu verprügeln und wartete darauf, dass Dawson ging, was er aber nicht tat. Stattdessen stellte er sich neben den Dummy und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Wir haben sehr wohl etwas zu besprechen, Seth Dimitriadis. Oder hast du bereits vergessen, dass da draußen Scharen von Rebellen und Vasanisten und rebellischen Vasanisten ihr Unwesen treiben?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Zum Teufel mit ihm. Eines Tages würde ich ihn womöglich im Boden einbetonieren und dem Internat als menschlichen Gratis-Dummy zur Verfügung stellen. Mit Soundeffekten, wenn man zuschlug.

,,Ich habe Hausarrest."

,,Seit wann interessiert dich das?"
Ja, seit wann interessierte mich das? Möglicherweise seit Estelle mir damit gedroht hatte, mich im Keller einzusperren. Auch wenn ich bezweifelte, dass sie das wirklich tun würde, war ich nicht unbedingt scharf darauf, es herauszufordern. Aber ich kannte mich- spätestens übermorgen würde es mir zu langweilig werden und dann würde ich mich raus schleichen. Auch wenn Estelle mir gedroht hatte, dass sie es mitbekommen würde, ich kannte Wege, unbemerkt das Internat zu verlassen. Aber wollte ich mich dafür wirklich mit Dawson zusammen tun?

,,Es interessiert mich nicht. Aber was du mit mir zu besprechen hast, interessiert mich noch weniger."

Dawsons Mundwinkel sackten nach unten. ,,Muss ich dich daran erinnern, dass ich über wertvolle Informationen über dich verfüge, die laut dir niemand erfahren sollte, wenn ich mich recht erinnere?"
Oh, verdammt... Wenn er noch ein paar weitere Male versuchen würde, mich zu erpressen, würde ich ihn vielleicht doch umbringen. Es würde so viele Probleme lösen...
Ich seufzte ergeben. ,,Worüber willst du sprechen, Dawson?"

,,Wir sehen uns in einer Viertelstunde in meinem Zimmer, Hadessohn. Sei pünktlich." Mit diesen Worten ließ er mich stehen.
Wütend rammte ich meine Faust in den Dummy. Dieser götterverdammte Mistkerl. 

TodessohnTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon