Im Botanischen Garten von Pisa

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Un gelato alla menta, per favore."
Nach dem Fechttraining gönnten sich die Mädels Mittwochs stets ein Eis am gelateria mobile vor ihrer Sporthalle, von einem der vielen Eisdielen in der Stadt. Und zur Belustigung aller, nahm Casia jedes Mal Pfefferminze.
„Du magst es wohl scharf?"
Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. Es war halt ihre Lieblingssorte. Ihr kam die Doppeldeutigkeit in den Sinn, wurde rot und murmelte: „Hm, vielleicht."
Dann lachten alle laut los, sie eingeschlossen.
„Es ist halt erfrischend", verteidigte sie sich.
„Selbstverständlich."
Casia grinste und versuchte ihre Trainingskameradinnen von sich abzulenken: „Ha, ha. Wißt ihr, dass jetzt im Januar und überhaupt im Winter in Deutschland die meisten Geschäfte kein Straßeneis mehr verkaufen und oft sogar geschlossen haben?"
Incredibile! Im Ernst?"
Nicola und Maria zeigten als Italienerinnen dafür keinerlei Verständnis.
„Tatsächlich wahr."
Ein Specht hämmerte nach Würmern im Geäst der Platane über ihr. Sie hob den Kopf, doch so sehr sie sich anstrengte, den buntgefiederten Vogel entdeckte sie leider nicht. Die Nachmittagssonne blendete sie und sie schloss die Augen. Die Wärme tat ihr gut. Das war, neben dem Eis, eines der schönen Dinge, die sie an Italien so mochte. Ginge es nach ihrem Vater sollte sie nach ihrem Abschluss zurück in die heimatlichen Gefilde. Doch in den anderthalb Jahren, die sie bereits in Pisa wohnte, hatte sie sich in die Toskana verliebt und konnte sich gut vorstellen, hier zu leben. Selbst im Winter war es eine Ausnahme, wenn die Temperatur in den Minusbereich fiel. Doch dieses Jahr hatte sie es bereits erlebt.

Die fünf jungen Frau diskutierten darüber während sie ihr Eis aßen.
„Naja", mischte sich Bjeerte ein. Sie war Schwedin, eher wortkarg und sagte nur etwas, wenn sie sich sicher war, dass ihre Meinung gefragt war. Als Studentin der Hydrobiologie fiel das Thema in ihren Fachbereich. „Sicherlich habt ihr gehört, dass Experten vermuten, dass die Einflüsse der Umweltschädigungen durch die weltweite Zunahme der Industrie auch für die Änderungen im Klima verantwortlich sein können."
„Ja, aber sicher sind sie sich nicht", meinte Scarlett.
„Ich verstehe dich nicht", schüttelte Casia ihren Kopf. „Als Australierin bist du doch besonders betroffen."
„Nur weil wir ein Ozonloch über unserem Land haben, muss ich nicht alles glauben. Ich bin eben eher skeptisch bevor nicht lang gesicherte Fakten irgendwelche Theorien untermauern. Australien war von jeher ein karger und heißer Kontinent. Wer sagt dir, dass das Ozonloch vor fünfhundert Jahren nicht schon einmal größer als jetzt war?"
„Hm. Stimmt", nuschelte Casia. „Aber es ist eine Tatsache, dass sich Wälder nur schwer von Abgasen erholen können und deshalb glaube ich an diese Theorien."
„Ich glaube auch daran."
Ruth war Südafrikanerin. Sie hatte einen gänzlich anderen Blickwinkel auf die Weltgeschehnisse. Ihre Fachgebiete waren Wirtschaft und Ökonomie.
„Nur leider scheint das der Preis für Wohlstand zu sein."
„Meinst du?"
„Ja, die wirtschaftliche Stärke eines Landes hängt vor allem mit der Produktion und der Finanzierung zusammen. Aber das würde jetzt zu weit führen, wenn ich euch die Details erkläre."
„Ich jedenfalls finde es gut, dass Italien das weltweit erste Land ist, das ein Fach Klimawandel und -schutz in die Lehrpläne der öffentlichen Schulen integriert", sagte Casia.
„Du stimmst Bildungsminister Fioramonti zu?", staunte Nicola.
Nun lachte Maria: „Ist doch kein Wunder. Sie will Lehrerin werden. Schon vergessen?"
„Stimmt."

Plötzlich verstummte der Specht über ihnen und Casia schaute hoch. Ein dicker Ast direkt über ihnen schwankte beängstigend und knirschte bedrohlich: „Achtung! Weg hier!" Wie in einer Bewegung ließ sie ihr Eis auf den Boden fallen, fasste Ruth und Nicola, die neben ihr saßen am Arm und zog sie rennend mit sich. Keine zwei Sekunden später krachte es hinter ihnen und sie drehten sich schnell um. Die Angst stand in ihren Augen. Casia schaute sich um: „Wo ist Scarlett?"

Dann hörten sie ein Stöhnen unter dem herabgefallenen Ast. Bjeerte zog sofort ihr Handy und rief die Notambulanz.

Während sich der Krankenwagen auf den Weg machte, kamen mehrere Leute zur Unglücksstelle herbeigeeilt. Mit vereinten Kräften konnten sie den schweren Ast von Scarlett hochheben. Casia drehte es den Magen um als sie erst das zerquetschte Bein und dann das blaße Anlitz ihrer Kameradin sah, die nun unkontrolliert zu zittern begann. Einer der Umstehenden rannte geistesgegenwärtig zu seinem Auto um den Verbandskasten zu holen und legte ihr eine Aludecke um. Keine zehn Minuten später hörten sie das Martinshorn, dass sich ihnen rasch näherte.

A Magical LightWhere stories live. Discover now