Willkommen in Deutschland

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Es dauerte eine Weile ehe Casia vom Rollfeld herunter war. Geschlagene zwanzig Minuten ehe die StewardEssen die Türen öffneten und sie endlich das Flugzeug verlassen durften. Dann auch noch in so einem dämlichen Transferbus wie die Sardellen in einer Fischdose gedrängt zum Terminal kilometerweit fahren. Da ja Sommer war, roch es dementsprechend, dass ihr übel wurde. Sie versuchte zwar zwischendurch länger die Luft anzuhalten, doch brachte das wenig. Die Türen öffneten sich. Jeder drängte heraus. Väter packten ihre Kinder bei der Hand und zerrten sie hinter sich her. Hochglanzmagazinfrauen mit wehenden Modelhaaren zwängten sich hektisch mit ihren Handgepäckrollis durch jede Lücke. Casia schwamm im Strom mit. Zur Gepäckausgabe.

Am Band Dreizehn war ihr Flug aus Pisa angezeigt. Es dauerte ein halbe Stunde ehe es sich zu drehen begann und die ersten Koffer heranrumpelten. Die plärrende Ansagestimme, der niemand zuhörte, verstärkte die Geräuschkulisse.
Zwei lemongrüne Hartschalenkoffer erschienen auf dem Band. Unverkennbar ihre. Endlich. Sie wuchtete sie herunter, zog an den Teleskopgriffen und machte sich beschwingt auf den Weg zum Ausgang. Ihr Vater wollte sie hier abholen. Sie freute sich sehr auf ihr Wiedersehen.

Ein Geschäftsmann rempelte sie mit seiner Aktentasche an und murmelte kurz „Entschuldigung" während er sich vorbeiquetschte, unausweichlich seinem Ziel entgegen.
Willkommen in Deutschland.
Das Land der Geschäftemacher, zwar Pünktlichkommer, aber auch Hektikverbreiter.
Casia sehnte sich schon jetzt nach Italien zurück. Wie sollte sie die nächste Zeit bloß durchstehen?
Die gläsernen Automatiktüren schoben langsam auf und Casia sah sich in der Ankunftshalle einer Menschentraube gegenüber ohne ihren Vater zu entdecken.
Und nun?
Durch ein Spalier ihr Unbekannter ging sie hindurch bis sie freies Sichtfeld hatte.
Sie blickte sich um. Noch immer kein Papa in Sicht.
Ihre Fröhlichkeit verflog langsam.
Eine der weißen Metallbänke war frei, auf die sie zusteuerte und sich setzte. Bestimmt steckte er im Stau. Frankfurt war ja auch eine riesige Stadt mit viel Verkehr. Eine kleine Stimme in ihrem Kopf wisperte ihr zu, dass er eher hätte losfahren können.
Niemals war er zu einer Verabredung zu spät gekommen. Nun hieß es zum ersten Mal warten.

Nach zwei Stunden wurde es ihr zu viel und sie rief ihren Vater auf seinem Handy an. Doch eine automatisierte Stimme antwortete ihr, dass ihr Gesprächspartner derzeit nicht zu erreichen war. Sofort schoss Casias Puls in die Höhe, weil sie sich Sorgen um ihn machte. Hatte er etwa einen schlimmen Autounfall gehabt und war deswegen nicht gekommen. Sie sah sich schon sämtliche Krankenhäuser der Umgebung abtelefonieren.
Erinnerungen an den Tod ihrer Mutter krochen hoch, griffen nach ihr und machten sie verrückt, dass ihr Vater vielleicht auch nicht mehr lebte.
Sie sackte in sich zusammen und stierte vor sich hin. Keinen Millimeter rührte sie sich während andere an ihr vorbeihasteten. Weder interessierten sie sich für ihre innere Aufruhr noch bemerkten sie sie.
Während für Casia ihr Lebenssinn einbrach, drehte die Erde sich weiter und alle um sie verblieben in ihrer Hektik und ihrem Leben.

A Magical LightWhere stories live. Discover now