Das Empfangskomitee

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Die nächste Abfahrt fuhren sie hinaus

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Die nächste Abfahrt fuhren sie hinaus.
Links und rechts wogen die Weizenfelder. Mohn- und Kornblumen mischten sich in das Gold und gaben ein Gemälde frei. Im Flirren der Hitze stiegen Lerchen in den blauen Himmel. Kinder trugen mit ihren Mountainbikes auf den Feldwegen Rennen aus und wirbelten die staubtrockene Erde in die Luft, so dass es aussah als wären sie von einem geheimnisvollen Schleier umgeben.
Casia konnte das Stöhnen und Lechzen nach Regen von jedem Lebewesen förmlich spüren. Gänsehaut zog sich über ihre Arme, die sie sich hastig wegzuwischen versuchte.

Sie betrachtete die Rankentätowierung. Lag ihre Stimmung daran, dass als Botschafterin eine riesige Verantwortung auf ihr lag. Oder war es doch nur die auf Eiskalt gestellte Klimaanlage des VW Passat.
Sie wollte nicht darüber nachdenken und konzentrierte sich stattdessen auf ihre Umgebung.

Schwarz prangerte Torghausen stand auf dem gelben Ortseingangsschild.
Nichts schien sich verändert zu haben.
Dieselben Häuser.
Dieselben Vorgärten.
Die Straßenlaternen schienen ausgetauscht worden zu sein. Vielleicht waren sie auch nur neu gestrichen. Von Grau auf Bordeaux. Sah schick aus.
Die Bushaltestelle in der Ortsmitte lag verwaist da. Eine einzige ältere Dame sahen sie mit ihrem Rollator, die Casia nicht bekannt vorkam.
Wie ausgestorben.
Was für eine krasser Gegensatz zum quirligen Pisa. Die Stadt und auch Enzio fehlten ihr entsetzlich. Obwohl sie gern für sich war, begann die Einöde sie auf die Nerven zu fallen. Wie lange würde sie es hier aushalten?

Ihr Vater bog in eine Sackgasse ein, die wenn man das so sagen konnte, noch ruhiger als der Rest des Ortes war.
Eine Kirschlorbeerhecke ersetze den Zaun neben dem hölzernen Gartentor, dahinter erschien ihr Elternhaus.
Ein Reihenendhaus mit gelben Rauhputz, schwarzen Flachpappendach und schmalen Holzfenstern.

Torghausen war im Zweiten Weltkrieg eines der Dörfer, das in den 50er und 60er für die Förderung zum Bau von Häusern für Familien auserkoren wurde. Die großen Städte Hessens, vor allem Frankfurt am Main, waren dem Erdboden gleich gemacht. Eine einzige Steinwüste, jedes Haus in der Altstadt und der Neustadt verbrannten, Bockenheim und Gallus glichen einem Aschekasten. Ein Wiederaufbau war in diesen Zeiten unmöglich. In Darmstadt und Wiesbaden sah es nicht anders aus.

Die Menschen brauchten ein Dach über den Kopf und es war egal welches. Obdachlosigkeit war für den überwiegenden Teil der Bevölkerung Normalität.
Die Eltern ihrer Mutter waren unter den Glücklichen und kauften das Haus samt Grundstück. Mit einem Staatskredit zahlten sie ihr Leben lang die Schulden ab.
Flüchtige flogen ihre Gedanken zu ihrer Mutter. Mehr erlaubte sie sich nicht. Sie hätte nicht gewollt, dass sie in Selbstmitleid zerfloss.

Obwohl sie in ihrem Elternhaus die gesamte Kindheit verbracht und sie es immer gemocht hatte, kam es ihr auf einmal fremd vor. Sie war endgültig erwachsen geworden und bereit ihren eigenen Weg zu gehen.

Für ihren Vater begann ein neuer Lebensabschnitt. Für sie auch? Wie würde ihre Zukunft aussehen?
Jedenfalls nicht hier.
Nicht in diesem verschlafenen Kaff.
Ehrlich gesagt, würde es ihr nichts ausmachen, nie wieder einen Fuß nach Torghausen setzen zu müssen.
Die Ereignisse die erinnernswert waren, verankerte sie sowieso bis an ihr Lebensende tief in sich.
Alles andere war unbedeutend.

Die Haustür öffnete sich und unverkennbar erschienen Mutter und Tochter.
Zeit, sich auf das Jetzt und Hier zu konzentrieren.
Die Vergangenheit konnte ruhen.

Beide Frauen strahlten wunderschön im Sonnenlicht und Casia lächelte herzlich ihnen entgegen. Endlich würde sie sie kennenlernen.
Die Zwei waren größer als sie und schlank von Wuchs. Ihre zukünftige Stiefmutter trug ihre schwarzen Haare in einem modischen Kurzhaarschnitt. Goldene Creolen wie bei einer Seeräuberbraut trug sie an ihren Ohren. Dagegen waren die Haare ihrer Stiefschwester lang und glatt und ein ins Auge stechende Barbieblond. Auch sie trug Schmuck und die Uhr ihres Vaters. Casia konnte kaum den Blick von ihnen wenden, da sie einem Modemagazin entsprungen zu sein schienen.
Freundlich begrüßten sie erst ihren Vater und dann auch sie.

A Magical LightWhere stories live. Discover now