Air Dolomiti

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Die Maschinen dröhnten, ihr Sitz vibrierte und Casia ließ sich von der Aufregung anstecken, die sie jedes Mal überfiel, wenn sie flog. Ein letztes Mal sah sie von ihrem Fensterplatz auf die Stadt, die innerhalb kürzester Zeit ihr zur Heimat geworden war. Sie hoben ab und bald wichen die Dächer und Türme von Pisa den Wolken über denen ewiger Sonnenschein herrschte.

Sie konnte sich gar nicht satt sehen und freute sich wie ein kleines Kind. Ihr sehr ernst und steif wirkender Sitznachbar, der mit Segelschuhen und Poloshirt angezogen war, lunschte aus den Augenwinkeln ab und an zu ihr. Er und die anderen Fluggäste hielten sie garantiert für verrückt, wenn sie diese Begeisterung als junge erwachsene Frau so offen zeigte. Gerade deswegen wich ihr das Grinsen nicht aus dem Gesicht.

Nachdem die StewardEssen von AirDolomiti sie mit einem Becher Cola versorgt hatten, erlaubte sich Casia den Luxus ihre Gedanken schweifen zu lassen. Sie vermied es, möglichst viel über die Ereignisse im Botanischen Garten nachzudenken. Daher schloß sie die Augen und dachte zuerst an Enzio und sein Lächeln. Von ihm flatterten die Bilder wie von selbst zur nächtlichen Begegnung mit Esclarmonde. Ihr Kinn sank langsam auf ihre Brust und ihre Mimik glich einer müden Maske.

Weder war die weiße Frau ihr seit damals noch einmal erschienen, noch der angekündigte Krieg eingetreten.
Zum Glück!
Casia hätte überhaupt nicht gewußt, was sie in einem solchen Falle hätte machen sollen. Bis heute war sie sich nicht im Klaren, welche Rolle ihr in diesem Spiel zugedacht war.
Das Ereignis hätte sie gern als Traum abgetan, wenn ihr Enzio und sein Kuss nicht noch in lebhafter Erinnerung geblieben wäre. Damit war sie wieder bei ihm und der Kreis schloss sich.

Müde rieb sie sich ihre Augen. Ihr inneres Zwiegespräch brachte sie in ihren Überlegungen nicht weiter. Sie musste lernen abzuwarten.
Themenwechsel.
Also stellte sie Vermutungen darüber an, was sie bei ihrer Rückkehr nach Deutschland erwarten würde.
An die neue Frau an ihres Vaters Seite und deren Tochter dachte sie kaum. Sicherlich waren sie nett und sie würde mit ihnen gut auskommen. Ihr Vater war kein Dummkopf. Mit ihrer Mutter hatte er schließlich ein respektvolles Verhältnis gehabt. Für weniger würde er niemals noch einmal heiraten. Bei diesem Thema sich Sorgen zu machen, war einfach lächerlich.
Nach wie vor lebte ihr Vater in Torghausen, einem Kleinstädtchen, wo Casia aufgewachsen und zur Schule gegangen war. Und das war etwas, was ihr tüchtig Kopfschmerz bereitete.
Sicherlich war es unvermeidlich, dass sie dem einen oder anderen ehemaligen Klassenkameraden begegnen würde.
Keiner von ihnen hatte ihren olympischen Traum verstanden.
Keiner von ihnen glaubte an sie.
Ausnahmslos alle lachten sie aus. Selbst ihre Sportlehrerin hatte sie nur mitleidig belächelt. Nur ihr Vater glaubte an sie. Jetzt kehrte sie zurück und war nie Mitglied der deutschen Nationalmannschaft im Fechten gewesen und so wie es jetzt aussah, auch nie sein würde. Eine Teilnahme an Olympia, die in immer weitere Ferne rückte. Unerreichbar.

Um den höhnischen Mienen zu entgehen, war sie damals zum Studieren nach Italien gegangen. Es war leicht gewesen, ihren Vater zu überzeugen. Er und auch Casia waren der Meinung, dass es hier die besten Fechtschulen und -lehrer der Welt gab.

„Verehrte Gäste. In wenigen Minuten erreichen wir Frankfurt am Main. Klappen Sie Ihre Tische nach oben, stellen Sie die Rückenlehnen aufrecht und schnallen Sie sich an."

Jetzt war es soweit. Bald würde sie ihre neue Familie kennenlernen. Darauf freute sie sich von ganzem Herzen. Wie ein kleiner goldener Ballon, zerplatze das Glück in ihr und überschwemmte sie, so dass wieder ihr breites Grinsen erschien.

A Magical LightNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ