Heimfahrt

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„Bin auch froh da zu sein

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„Bin auch froh da zu sein."
„Hast du noch nicht bestellt?"
„Nein, bin kurz vor dir angekommen."
Sofort drehte er sich zur Bedienung um, forderte den jungen Mann mit einer energischen Handbewegung zu ihnen zu kommen.
Prompt setze er sich in Bewegung und nahm ihre Bestellung auf. Ungeachtet dessen, dass andere Gäste staunend dabei zuschauten. Obwohl einige vor ihnen vorher dagewesen waren und dem Kellner noch nicht ihre Wünsche sagen konnten.

Nachdem der junge Mann gegangen war, schob
Casia unbedacht ihre Shirtärmel hoch.
Sofort griff ihr Vater nach ihrer Hand und besah sich die Ranke der Esclarmonde. Entsetzt schaute er wieder hoch. „Du hast dich in Italien tätowieren lassen?"
Er war so laut, dass sich einige nach ihnen umsahen.
„Papa, nicht so laut."
„Na und? Man wird sich ja wohl noch aufregen dürfen."
„Nein, warum? Das ist ja heutzutage nicht Ungewöhnliches."
Er schnaubte wie ein wildgewordener Stier: „Bei meiner Tochter schon."

Sollte sie ihm erzählen, dass sie von einem Waldparkgeist gekennzeichnet worden war?
Als Kind hatte er sie in fantastische Bücherwelten mitgenommen. Doch wie sah es heute aus? Würde er ihr glauben? Vermutlich nicht.
Seit dem Tod ihrer Mutter hatte er sich verändert.
Also lies sie es lieber bleiben.

„Papa, das ist doch nur eine kleine Ranke und kein Totenkopf. Das hat mir aber auch schon gereicht."
„Tut es noch weh?", fragte er etwas versöhnlicher.
„Nein, nein. Ist längst alles verheilt."
„Und mir nicht erzählt?"
„Papa, ich bin erwachsen. Selbstverständlich habe ich Geheimnisse vor dir wie du vor mir. Du hast dafür eine neue Uhr. Ich kann mich entsinnen, da fandest du, Gold wäre für alte Männer", zog sie ihn auf.
„Tja, die Zeiten ändern sich. Und der Jüngste bin ich auch nicht. Wieso soll ich nicht zeigen, dass ich es mir leisten kann?"
„Klar", zuckte Casia mit den Schultern. Es war ihr vollkommen egal.
„Ha. Da erinnerst du mich an etwas. Ich habe dir ein Willkommensgeschenk mitgebracht. Hatte ich völlig vergessen."

Er griff in die Jacketinnenseite und zog eine quadratische türkisene Lederbox heraus, ihre Lieblingsfarbe. In schwarzen Lettern stand Tiffany darauf. Ihr Vater war verrückt. Kurz nach seiner Hochzeitsankündigung war er in New York gewesen.

„Für mich?", fragte Casia verblüfft.
„Selbstverständlich. Mach auf. Deiner neuen Stiefschwester habe ich dieselbe mitgebracht. Dann habt ihr beide etwas Gleiches was ihr zur Hochzeit tragen könnt."
Casia grinste ihn an und hob dann den Deckel.
Ihr Lächeln erstarb als sie das glitzernde Etwas betrachtete. Sie traute ihren Augen nicht und klappte die Box schnell wieder zu. Mehrere tausend Euro hielt sie in der Hand.
Ängstlich sah sie sich um, ob sie jemand dabei beobachtete. Das schien nicht der Fall zu sein.
„Gefällt dir dein Geschenk nicht?", schreckte ihr Vater sie aus ihren Überlegungen. Als sie zu ihm blickte, meinte sie weniger Glanz in seinen Augen zu sehen.
„Doch sehr. Die Uhr ist wunderbar", beeilte sie sich daher zu sagen.
Die Box umklammernd, beugte sie sich zum ihm: „So ein teures Geschenk musst du mir nicht machen. Trotzdem vielen Dank. Ich werde sie sehr gern tragen."
„Dann bind sie dir gleich um."
„Hier?"
„Selbstverständlich."
„Und wenn die mir einer klaut? Das wäre schade darum. Ich stecke sie lieber in meinen Rucksack."
„Blödsinn. Der wird eher geklaut wie die Uhr von deinem Handgelenk, glaub mir. Sei nicht so ein Hasenfuß. Nancy hatte keine Bedenken. Sie trägt sie jeden Tag."
Er entriß ihr das Geschenk, holte die silberne und mit kleinen Diamanten besetzte Uhr heraus und band sie ihr um.
Staunend drehte Casia das Handgelenk hin und her: „Wirklich schön."
„Wunderbar."
Er klatschte in die Hände und im selben Augenblick, servierte ihnen der junge Kellner den Kaffee Crema für ihren Vater und den Cappuccino für sie selbst in dem weißen Porzellangeschirr mit den typischen rotschwarzen Marienkäfern darauf.

Während der Heimfahrt löcherte Casia ihren Vater nach ihrer neuen Familie. Doch er gab nichts preis. Nach einer Stunde gab sie auf.
Die vorbeiziehenden Orte und Landschaften waren so ganz anders als in der Toskana. Die Schatten der Blätter tanzten auf ihrem Gesicht und sie lächelte.
Sie fuhren eben am Taunus vorbei. Esclarmonde und die Waldvölker kamen ihr in den Sinn. Ob hier auch welche von ihnen lebten? Am besten fragte sie Enzio. Sie holte ihr Handy heraus und schrieb ihm eine Nachricht.
„Im Übrigen lassen sich Simonett und Nancy entschuldigen, dass sie dich nicht mit abgeholt haben."
Casia klickte auf Senden.
„Stimmt. Wieso sind sie nicht mitgekommen? Ich freue mich sehr sie kennenzulernen."
„Damit wir Zeit für uns haben. Simonett wollte zum Brautgeschäft wegen dem Kleid. Und Nancy trifft sich mit einer Freundin aus ihrer alten Schule."
„Aha. Meine neue Schwester ist also jünger als ich."
Mehr wie die Namen hatte sie bisher nicht erfahren.
Ihr Vater lachte ein wenig: „Sie ist so ganz anders als du."
„Geht sie auch Fechten?"
„Leider nein."
„Was macht sie dann?"
„Sie zeichnet gern."
„Kein Sport?"
„Nein."
Unvorstellbar.
Ein Leben ohne Sport?
Solche Menschen gab es?
Und waren glücklich damit?
Für Casia wäre es eine Qual ohne Fechten und vor allem ohne Bewegung auszukommen. Stundenlang still sitzen.

„Aber in der Schule muss sie doch ..."
„Ja, müsste. Ihre Leistungen in diesem Fach sind unterirdisch. So jemand ist mir noch nicht untergekommen", lachte er kopfschüttelnd. „Simonett befreit sie deshalb oft vom Sportunterricht. Beim Schwimmen ist sie eine bleierne Ente. Wortwörtlich. Ich habe versucht, ihr die Grundzüge beizubringen. Wirklich. Aber manche Menschen habe eben woanders ihre Talente."
„Nancy kann gar nicht schwimmen?"
„Doch kann sie. Aber eben nicht schnell. Sie kann sich über Wasser halten. Mehr aber nicht."
„Das tut mir leid."
„Ja, mir erst. Ihr scheint es nichts auszumachen."
„Na, dann."
Bing.
Enzio hatte geantwortet.
„Mit wem schreibst du?"
„Einem Freund. Aus Pisa."
„Von der Uni?"
„Ja. Nein."
„Was denn nun?"
„Er ist Nachtwächter im Botanischen Garten der Uni."
Kurz ging ihr Vater vom Gas runter, dass der Wagen ruckelte.
„Ein Nachtwächter? Sag mal ... Und auch noch so ein italienischer Gigolo? Casia, dass ist nicht dein Ernst. Das muss aufhören. Das ist kein Umgang für dich."
„Wieso nicht? Wieso regst du dich so auf?"
„Weil, na weil ..."
„Weil, was?"
„Solche jungen Männer denken nur an das Eine."
„Und das wäre?"
„An Sex", räusperte sich ihr Vater.
„Ja, und? Ich bin schließlich erwachsen."
Casia schlug das Herz bis zum Hals, versuchte ruhig zu bleiben. Verbot ihr Vater ihr jetzt gerade allen Ernstes den Kontakt zu Enzio? Hatte er sie nicht mehr alle? Er kannte ihn doch gar nicht. Was sollte das?
„Du bist schließlich meine Tochter und ich mache mir Sorgen um dich. So einer will keine Familie gründen. Sobald du schwanger wirst, ist der Typ über alle Berge."
„Ja, klar", antwortete Casia sarkastisch. „Weil du ihn ja so viel besser kennst als ich."
„Nein, das nicht. Aber das ist nicht der Punkt."
Frustriert fuhr er sich durch die Haare.
„Versteh doch. Ich will nicht, dass du in dein Unglück rennst."
„Werde ich schon nicht tun. Und nein, wir haben nicht miteinander geschlafen."
„Habt ihr nicht?"
„Nein. Habe mal mehr Vertrauen zu mir. Jetzt hör auf mit dem Thema. Im Grunde genommen, geht es dich nichts an."
„Ist ja gut. Ich sollte dir vertrauen."
„Solltest du."

A Magical LightWhere stories live. Discover now