8. Kapitel

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Luke's P.o.V.

Nach den zwei Horror Stunden Mathe hatten wir Pause. Kurz bevor ich aus dem Raum flüchten konnte rief mich die Ziller nochmal zurück. Seufzend wartete ich bis die anderen Schüler den Klassenraum verlassen hatten. „Heute Nachmittag, 14 Uhr. Raum 106. Pünktlich!" Damit rauschte sie an mir vorbei aus dem Raum raus. Ich seufzte genervt. Ich musste meine Schwester finden und sie fragen, ob sie Mia vom Kindergarten abholen konnte. Vor dem Raum warteten meine Freunde auf mich.
„Alter, die Ziller hat ja heute wieder Probleme gehabt!" zeterte Vanessa gleich los.
„Kennst sie doch." Erwidere ich halbherzig. „Sorry Leute ich muss Carolin suchen. Wir sehen uns dann in Kunst." Ich machte mich schnell auf den Weg. Ich konnte noch hören wie Zack fragt wer Carolin sei, bevor ich um die Ecke bog. Seine Frage brachte mich zum Schmunzeln. Ich bildete mir ein, dass er ein klitzekleines bisschen Eifersüchtig klang. Wenn er eifersüchtig war, dann hieß dass doch, dass er mich mochte... Schnell schlug ich mir diesen Gedanken aus dem Kopf. Ich wusste zu genau, wieso es niemals zwischen uns funktionieren würde.

In der Cafeteria angekommen, sah ich mich um und entdeckte meine kleine Schwester am Tisch der ‚coolen Kids'. Caro hatte ihre langen braunen Locken und ihre Schönen braunen Augen von unserer Mutter geerbt. Sie war wirklich ein Sonnenschein, sie hatte diese Ausstrahlung, die es einem unmöglich machte, nicht unbedingt in ihrer Nähe sein zu wollen. Sie war sich dieser Ausstrahlung ebenso wenig bewusst, wie Mia. Sie war zwar erst fünf, aber ich wusste schon jetzt, dass sie nach meiner Mutter kam und irgendwann genauso wunderhübsch würde wie Caro. Ich selber ähnelte meinem Vater leider mehr, zum Glück aber nur vom Aussehen.

Caro gehört zwar irgendwie zu den beliebten Kinds der neunten Klasse, doch sie machte sich nicht viel daraus. Es gab unzählige Jungs die ein Auge auf meine kleine Schwester geworfen hatten, sogar Jungs aus höheren Stufen. Immer wenn ich diese Idioten sah, wie sie Caro anmachten erwachte der große Bruder in mir und der würde diesen triebgesteuerten kleinen Milchbubis am liebsten ordentlich einen auf den Deckel geben. Eigentlich war ich kein gewalttätiger Mensch, aber wenn es um meine Familie ging verstand ich keinen Spaß. Als ich auf sie zuging sah ich wie Caro über irgendetwas lachte, es war so schön sie lachen zu sehen. Die Situation zuhause machte auch ihr und Mia zu schaffen, dass sah ich jeden Tag und es brach mir das Herz sie so betrübt und unglücklich zu sehen. Umso glücklicher machte es mich, sie in der Schule zu beobachten, wenn sie einfach ein ganz normaler Teenager sein konnte.

„Hey, Caro." begrüßte ich sie, als ich an ihrem Tisch angekommen war. Ihre Freundinnen warfen mir, wie so oft, schmachtende Blicke zu. Ich fand das echt merkwürdig, wenn man bedachte, dass alle wussten, dass ich schwul war. Mädchen, ein Mysterium, das ich niemals verstehen werde, und zum Glück auch gar nicht muss.

„Hey, Bruderherz! Was gibt's?" fragte mich Caro gut gelaunt.

„Kann ich kurz mit dir reden?" Sie nickte und folgte mir in eine Ecke der Cafeteria, in der uns niemand belauschen konnte.

„Also, was ist los, Brüderchen?" fragte sie und blickte mich abwartend an.

„Wäre es möglich, dass du heute Mittag Mia vom Kindergarten abholst?"

Meine Schwester sah mich verwirrt an als sie fragte: „Ja schon, aber wieso kannst du sie nicht holen?"

Ich seufzte. „ Die liebreizende Frau Ziller lässt mich nachsitzen."

Auf Caros Gesicht breitete sich Erkenntnis aus. „Was hast du denn schon wieder angestellt?"

„Ich habe geflucht, als ich über die Tasche der Teufelsbrut gestolpert bin." Brachte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Ich war immer noch angepisst deswegen.

„Die Frau hat sie nicht mehr alle! Und ihre Tochter ist auch eine richtige Bitch." Gab sie mir als Antwort.

„Hey! Was habe ich dir zum Thema Beleidigungen gesagt?" ermahnte ich sie.

„ Aber ist doch wahr!" erwiderte sie trotzig und verschränkte ihre Arme vor der Brust wie ein Kleinkind.

„Trotzdem will ich nicht, dass du solche Wörter benutzt!" beharrte ich.

„Jaja, du bist schlimmer als Mama!" antwortete sie augenverdrehend.

„Die Jungend von heute, echt unfassbar! Zu meiner Zeit hatte man noch Respekt vor seinen älteren Geschwistern!" sagte ich gespielt empört.

„Tja, Zeiten ändern sich, Großvater." Erwiderte sie frech und wollte sich auf den Weg zurück zu ihren Freunden machen.

„Hey, du freches Gör. Wie wärs mit Geld für was zu futtern?" rief ich ihr hinterher und wedelte mit dem Zwanzig Euroschein, den ich aus meiner Hosentasche gezogen hatte.

Ein „Ups" war alles was ich bekam, bevor sie sich den Schein schnappte und zu ihren Freunden lief.

„Ein Hirn wie ein Sieb." schüttelte ich den Kopf.

„Das hab ich gehört!" rief sie gespielt entrüstet und drehte sich kurz zu mir um, damit sie mir die Zunge rausstrecken konnte.

„Das hoff ich doch!" lachte ich.

Ich rief noch schnell im Café an um Melodie, meiner Chefin, Bescheid zu sagen, dass ich später kommen würde. Unter der Woche arbeitete ich nachmittags in einem kleinen Café mit dem schrecklich kitschigen Namen „La Vie".-Ich mochte meine Chefin und die Arbeit dort machte mir Spaß, außerdem gab es gutes Trinkgeld. Donnerstag und Freitagabend bediente ich an der Theke einer schäbigen Bar in der Stadtmitte. Da ich erst in zwei Wochen achtzehn wurde, war es streng genommen illegal, dass ich dort Alkohol ausschenkte, aber ich brauchte das Geld nun mal und Detlef der zwielichtige Barbesitzer scherte sich nicht wie alt seine Angestellten waren. Hauptsache, sie erledigten ihre Arbeit. Ab und zu räumte ich samstags die Regale im Supermarkt ein um mir noch etwas dazu zuverdienen, denn auch trotz der Beträge die die Krankenversicherung uns zukommen ließ reichte das Geld gegen Monatsende kaum noch.

Das Klingeln der Schulglocke riss mich aus meinen Gedanken und genervt machte ich mich auf den Weg zum Unterricht.

Liebe stirbt nicht! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt