27. 𝑴𝒆𝒏𝒔𝒄𝒉 vs 𝑵𝒂𝒕𝒖𝒓

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Ich laufe ohne Pause. Meine Lungen brennen schon vor Schmerz, doch laufe ich immer weiter. Die Lichter sind mein Ziel.
Sie sind stehen geblieben und warten.
Hinter den Baumwipfeln dämmert es leicht. Die Sonne wird bald aufgehen.

Auch die Männer bemerken die Veränderung des Himmels. Sie sitzen auf ihren Quads und starren angespannt nach oben. Die Männer zu Fuß drücken ihre Gewehre an sich und laden sie durch. Dann richten sie diese auf den Rand des Waldes.

Mit bleibt keine Zeit mehr. Die Stimmung wird zunehmend bedrohlich.

Ich will mich beeilen, doch als sich plötzlich der Himmel verdunkelt, bleibe ich wie erstarrt stehen. Meine Augen sehen auf den fliegenden schwarzen Teppich, der sich langsam und krächzend über die Bäume erhebt und dann in Richtung von Lambert und seinen Männern fliegt. Wie eine bedrohliche Wolke schwebt er über den Menschen und wirft düstere Schatten auf die verbrannte Steppe.

Ich schaue genauer hin. Das ist kein Teppich. Das ist ein riesiger Schwarm Krähen. Das müssen tausende sein. Sie verkünden großes Unheil.

Mir bleibt der Mund offen stehen, weil ich sowas noch nie gesehen habe. Den Männern geht es wohl ähnlich, doch sie wissen nicht um die Bedeutung dieses Anblicks.
Ich starre noch entsetzt auf die Szene, als sich mir ein neues Bild eröffnet.

Am Rande der abgeholzten Lichtung erscheinen Tiere. Ganz, ganz viele Tiere. Weitere Vögel schwingen sich von den Bäumen. Bären treten brummend hervor und Wölfe blecken ihre weißen Zähne.
Hirsche röhren laut und schwingen kampflustig ihre mächtigen Kronen.

Welch beeindruckendes Schauspiel, denke ich noch. Im nächsten Augenblick erscheint ein schwarzer Wolf. Er tritt angespannt aus dem Wald hervor und klettert sicher auf einen umgefallenen Baumstamm. Er steht vor allen anderen Tieren und thront über dem aschgrauen Boden.

Eron!
Mein Herz setzt aus.
Ich will zu ihm laufen und ihn aufhalten, da bemerke ich das Rudel hinter ihm. Nicht ein Dutzend Wölfe, nein, es sind unzählbar viele. Wo kommen die alle her?
Das können unmöglich alles Gestaltwandler sein.

Er streckt seinen Kopf in die Höhe und heult so markerschütternd, dass ich vor Angst einen Schritt zurück weiche. Ich kann mich nicht bewegen, selbst wenn ich es wollte. Ich kann nur einige hundert Meter entfernt stehen bleiben und zusehen, wie sich die Meute auf die Menschen stürzt.

Ich ahne das Unglück, als es auch schon geschieht.

Mit einem Mal surren die Krähen auf die Männer nieder. Wie Regentropfen ergießt sich die schwarze Wolke auf die überrascht aufschreienden Menschen.
Im Sturzflug stürzen sich die Vögel auf sie und zerkratzen ihnen die Gesichter. Sie haken auf ihre Augen ein und bringen sie aus dem Gleichgewicht. Die Männer schießen wild drauf los, fuchteln panisch mit den Händen und versuchen alles, um die lästigen Biester loszuwerden - als ob das etwas bringen würde.

Lambert ruft seine Söldner zur Ordnung und eröffnet das Feuer auf die Wölfe. Sie laufen allen voran ohne Zögern und ohne sich umzuschauen. Ich erkenne Sira unter ihnen. Sie folgt dicht hinter Eron, der sich unglaublich flink bewegt und mit einer brachialen Geschwindigkeit auf die Soldaten stürzt.
Sie beißen und kratzen, alles ist erlaubt.

Wie gelähmt starre ich auf die Schlacht zwischen Menschen und Tieren.

Es ist zu spät. Ich kann nichts mehr tun. Was hätte ich überhaupt tun können?
Meine Beine geben nach und ich sinke in den Staub. Unter mir fühle ich den grauen Boden. Ich versinke meine Finger in der Zentimeter dicken Decke aus Asche und Holz.

ERONWhere stories live. Discover now