Kapitel 3

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Ich schrieb und schrieb und schrieb, bis ich irgendwann stoppte. Was tat ich hier eigentlich? Kraftlos sah ich das Geschriebene an und schüttelte den Kopf. Nein. Das würde ich nicht schreiben. Ich löschte den Text und tippte neu ein: »Hallo Caro, ich weiß, dass Vanessa sich entschieden hat. Trotzdem finde ich, dass es eine Sache ist, die nur sie und mich etwas angeht. Ich liebe sie noch immer und kann damit nicht einfach abschließen, auch wenn ich es noch so sehr versuche und es für sie anscheinend von heute auf morgen ging. Bitte habe auch für mich etwas Verständnis.« Ich las meine Sätze einige Male, aber war nicht zufrieden. Eigentlich ging es sie absolut nichts an, was ich noch für Vanessa empfand. Vielleicht hatte ich auch die Hoffnung, sie würde es ihr erzählen, aber ich wusste, dass das nicht geschehen würde. Ich schickte es trotzdem ab und starrte auf den Chat. Kurze Zeit später hatte sie es gelesen, doch sie antwortete nicht. Ich hatte auch nicht mit einer Antwort gerechnet.

Ihre Worte hatten mich noch mehr aufgewühlt und ich wurde wieder sauer. Was bildete sie sich ein? Ja, sie war Vanessas beste Freundin, doch trotzdem kam mir die ganze Sache komisch vor. Ich sollte mich von ihr fernhalten? Was war nur zwischen uns passiert? Durch meinen Körper ging ein heftiger Ruck und ich wusste, dass der nächste Heulanfall nicht weit entfernt war. Ich schloss die Augen, um mich zu beruhigen. Ein Vibrieren riss mich aus meinen Gedanken. Sophia rief mich zurück. Ich nahm das Gespräch an. »Sorry, dass ich nicht rangegangen bin«, plapperte sie munter darauf los. »Ich war beschäftigt.« Sie lachte leise auf. Ich atmete tief durch. »Hat sich schon erledigt.« Einen Moment war es still und ich spürte, dass sie misstrauisch war. »Irgendwas hast du doch. Ist etwas passiert?« Sollte ich ihr von der Begegnung mit Caro erzählen? Von ihrer Nachricht? Ich entschied mich dafür. Sie war meine beste Freundin und ich hatte ihr in der Vergangenheit schon genug verschwiegen.

»Als wir vorhin losgefahren sind«, fing ich an, aber wusste nicht so recht, wie ich ihr davon erzählen sollte, ohne dass es komisch klang. »Ich bin einen Umweg gefahren. Ich war plötzlich in der Straße, in der Vanessa wohnt. Ich stand etwas entfernt und hab ihr Haus angestarrt. Ich weiß, dass es falsch war und unfassbar dämlich. Dann kam Caro, Vanessas beste Freundin, aus dem Haus. Sie hat mich gesehen.« Sophia stieß ein lautes »Scheiße« aus. »Und dann?«, hakte sie nach und ihre Stimme war ganz piepsig geworden. »Dann habe ich mich umgedreht und bin schnell weggefahren.« Sie erwiderte: »Vielleicht hat sie dich also gar nicht gesehen?« Leise antwortete ich: »Doch. Sie hat mir danach über Facebook eine Nachricht geschickt.« Ich las ihr die Nachricht vor. »Du kannst mir erzählen, was du willst, aber irgendetwas ist an der ganzen Sache doch komisch. Es hat sich bei dir schon sehr ernst angehört, was ihr hattet. Dann ihre Art, wie sie es beendet hat. Allgemein ist das nicht ganz stimmig. Ich kann es mir nicht erklären. Und wenn du noch einmal versucht, auf sie zuzugehen?«, wollte sie wissen und schnell sagte ich: »Auf gar keinen Fall. Würde ich ihr wirklich etwas bedeuten, hätte sie sich doch bei mir gemeldet. Aber seit Monaten habe ich nichts von ihr gehört.« Sie murmelte irgendetwas Unverständliches. »Das ist alles sehr verzwickt.« Ich wollte nicht weiter über Vanessa reden, deshalb beendete ich das Gespräch.

Ich machte mir in dieser Nacht noch viele Gedanken. Hatte Sophia vielleicht doch recht? Es war verlockend, noch einmal mit Vanessa zu reden, aber ich wusste auch, dass mich ihre abweisende Art noch mehr verletzen würde. Sie würde wahrscheinlich nicht mit mir reden wollen. Es hatte keinen Sinn. Es würde mir nichts bringen. Ich war überfordert. Wie konnte diese Frau nach all den Monaten noch so präsent in meinem Kopf sein? Wie konnte sie dafür sorgen, dass ich jetzt hier lag, an sie dachte und unzählige Tränen vergoss? Dass ich mich so sehr nach ihr sehnte, während sie mit ihrem Mann in einem Bett lag? Ihn küsste? Mit ihm schlief? Bei der Vorstellung wurde mir übel. Ich erinnerte mich an ihre Berührungen auf meiner nackten Haut. Wie wir hier in meinem Bett miteinander geschlafen hatten. Wie zärtlich sie war. Wie wunderschön. Warum hatte sie mit mir geschlafen, wenn sie mich sowieso nicht wollte? Sie wusste, dass es mein erstes Mal gewesen war. Für sie war es auch das erste Mal mit einer Frau gewesen, aber für mich war es das allererste Mal. Das würde man nicht vergessen. Ich dachte, wir hätten eine vertraute und intime Basis geschaffen, aber ich hatte mich anscheinend geirrt.

Speechless || gxgWhere stories live. Discover now