Kapitel 7

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Hallo ihr Lieben,

mal wieder war es eine ganze Weile ruhig auf diesem Account. Ich habe am ersten September meinen ersten richtigen Job nach dem Studium angenommen und die Einarbeitung verlangt mir viel ab, sodass ich nach der Arbeit einfach keine Motivation und auch oft keine Zeit zum Schreiben habe. Wir sind viel unterwegs, aber heute melde ich mich mit einem neuen Kapitel zurück. Geht es euch gut? Seid ihr gespannt, wie es mit Lisa, Vanessa und Melina weitergeht? Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Mein Gehirn hatte das, was soeben passiert war, noch nicht verarbeitet. Vanessa hatte mich geküsst. So langsam sickerte es zu mir durch, aber begreifen konnte ich das alles nicht. Ich war nicht schlauer als vorher. Ganz im Gegenteil. Jetzt war ich noch verwirrter. Auch ihre Reaktion war merkwürdig gewesen, als ich ihr erzählt hatte, dass ich eine andere Frau traf. War es ihr vielleicht doch nicht so egal? Oder bildete ich mir das wieder nur ein und sah mehr, als eigentlich da war? Fuck. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Meine Hände und Lippen kribbelten noch immer von den Berührungen. Ich hatte sie so sehr vermisst und für einen kleinen Moment war alles so wie früher gewesen. Warum konnte sie mir nicht die Wahrheit sagen? Was wollte sie mir mit dem Knick in dem Buch sagen? Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich verstand diese Frau nicht. Sie war das größte Mysterium, was ich kannte. Ich wusste nur, dass es nicht vorbei war. Dass ich sie nicht einfach vergessen konnte. Sobald ich ihr in die Augen sah, würde es immer wieder von vorn anfangen. Ich war der festen Überzeugung, dass man erst über einen Menschen hinweg war, wenn man ihm in die Augen schauen konnte und nichts mehr dabei fühlte. Das war nicht der Fall. Ich steckte in dieser endlosen Schleife fest.

Ich folgte ihr zur Tür hinaus, durch die sie schon vor einigen Minuten gegangen war. Nichts war mehr von ihr zu sehen. Ich schluckte und musste die Tränen zurückhalten. »Oh, Lisa«, hörte ich eine Stimme und drehte mich um. Meine alte Lehrerin Frau Nibilus stand vor mir und sah mich mit geweiteten Augen an. »Du bist es wirklich. Es ist schön, dich zu sehen. Wie geht es dir? Was machst du jetzt?«, wollte sie wissen und lächelte mich an. Ich war überhaupt nicht in der Stimmung für Smalltalk, aber konnte sie jetzt nicht einfach abwimmeln. Ich wollte auch nicht unhöflich sein, denn sie konnte nichts für die Lage, in der ich steckte. Also lächelte ich ebenfalls und erwiderte: »Mir geht es gut. Ich habe eine Ausbildung zur Hotelfachfrau angefangen und jetzt wird mir der Unterschied zur Schule mehr als bewusst.« Sie lachte auf. »Ja, da sitzt man nicht mehr den ganzen Tag, was?« Ich schüttelte den Kopf und sie verabschiedete sich: »So, ich muss weiter. Man sieht sich!« Dann setzte sie ihren Weg fort und ließ mich alleine zurück. Ich atmete tief durch. Ich wusste, dass es besser war, wenn ich jetzt verschwinden würde, aber ich konnte nicht. Meine Beine trugen mich automatisch zu dem Vorbereitungsraum, in dem ich mich immer mit Vanessa getroffen hatte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich dort versteckte, um sich von dieser Begegnung zu erholen.

Als ich die Türklinke nach unten drückte, ging die Tür auf. Ich horchte einen Moment, aber es war vollkommen still, deshalb betrat ich den Raum. Niemand war zu sehen. Doch dann hörte ich sie plötzlich. Ihr Schluchzen. Schnell durchquerte ich den Raum und sah, wie Vanessa auf dem Boden hinter einem Tisch mit dem Rücken zur Wand saß. Sie hatte noch nicht mitbekommen, dass ich hier war. Jedenfalls glaubte ich das. Sie hatte die Beine angezogen und den Kopf so darauf gestützt, dass sie mich nicht sehen konnte. Mein Herz klopfte wieder unnatürlich laut und ich hatte das Gefühl, dass es falsch und richtig zugleich war, hier zu sein. Es war ein intimer Moment, den ich ihr mit meiner Anwesenheit nahm, aber auf der anderen Seite war sie doch irgendwie selbst dafür verantwortlich, dass ich nun hier war, oder? »Vanessa«, flüsterte ich und meine Stimme klang mir fremd. Ich war einfach zu geschockt von ihrem Anblick. Lag es wirklich an unserem Aufeinandertreffen, dass sie so weinte? Oder steckte mehr dahinter? Sie tat mir total leid und das machte mich wütend, denn ihr war es auch egal gewesen, wie ich mich die letzten Monate gefühlt hatte. Sie hatte mich nicht gefragt, wie es mir ging, ob ich klarkam oder überhaupt irgendetwas. Vanessa war verstummt, trotzdem brach es mir nun das Herz, sie so zu sehen. Noch einmal wiederholte ich etwas lauter: »Vanessa.« Sie verstummte augenblicklich und riss den Kopf nach oben. Als unsere Blicke sich trafen, weiteten sich ihre Augen. »Lisa, woher weißt du, dass ich hier bin?«, kam geschockt über ihre Lippen. »Intuition«, erwiderte ich leise und machte einen Schritt auf sie zu.

Speechless || gxgWhere stories live. Discover now