Twenty-fourth Chapter

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Die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern

Wieder einmal war es dunkel geworden draußen und wieder einmal konnte ich nicht schlafen, obwohl ich wusste, dass ich in etwa vier Stunden aufstehen musste. Die Tage zogen nur noch wie in einer Dauerschleife an mir vorbei.

Was sollte ich mir auch vor machen? Ich konnte kein Auge zu machen, wenn zu viele Gedanken in meinem Kopf rumschwirrten - besonders nach diesem Tag.

Ich fragte mich wie alles verlaufen wäre, wenn William damals geblieben wäre.
Hätte ich ihn vielleicht als eine Art Vaterfigur für mich gesehen? Wäre es einfacher gewesen? Wäre es besser gewesen, wenn er da gewesen wäre?

Hatte ich überhaupt das Recht mich bei ihm darüber zu beschweren? Vielleicht hatte ich auch einfach vollkommen überreagiert.

Ich hatte vollkommen überreagiert.

Er wusste wahrscheinlich selber nicht, wie genau er damit umgehen sollte und nun, als wir uns nach all den Jahren wieder sahen, schrie ich ihn an. Ich machte ihm nichts außer Vorwürfe, dass er damals wohlmöglich aus reiner Trauer und Furcht geflohen war und nicht selbstlos war und mir geholfen hatte.

Egoistisch war ich gewesen. Würde ich nochmal eine Chance haben, mit ihm zu reden? Vielleicht das wir im guten auseinander gehen würden? Ich glaubte nicht daran, dass es gut war, wenn wir im jeweiligen Leben waren.

Das Bett bewegte sich ein wenig, worauf ich ein unverständliches Gemurmel von Isaiah hörte und dann spürte wie er einen Arm um mich legte und mich nah an sich zog. Er legte seine warme große Hand auf meinen Bauch. 

„ Versuch.. ein wenig zu schlafen", brummte er mit einer verschlafenen Stimme worauf ich meine Hand auf seine legte. Er stemmte sich ein wenig auf und drehte mich zu sich. Nach meiner Wange tastend, führte er seine Hand in mein Gesicht worauf ich leicht lächeln musste. Er strich seine Finger in kreisenden Bewegungen an meiner Wange. 

„ Weinst du?" Hauchte er mit einer kratzigen Stimme. Schnell schüttelte ich meinen Kopf worauf er seinen anderen Arm unter meinen Nacken schob und mich fest hielt. 

„ Eigentlich hab ich mir vorgenommen, dass ich dich nicht dazu drängen werde..", fing er an. 

„ Aber?" Hakte ich nach. 

„ Ich kann und will dich nicht leiden sehen. In den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass du kaum schläfst und sehr in Gedanken versunken bist. Ich bitte dich, lass mich dir helfen." Erklärte er mir.

Ich stoß die angehaltene Luft aus bevor er weiter sprach:,, Ich meine ich kann dir diesen Schmerz und diese Erinnerungen an deine Mutter nicht nehmen aber ich will versuchen es besser zu machen."

Tränen stiegen mir in die Augen - aus teils Trauer und teils aus wie rührend seine Worte waren.

„ Ich.. habe damals meine Mutter gefunden. Also als sie schon tot war. D-der Mann auf dem Friedhof war ihr Freund von vier Jahren. Er war so etwas wie ein Vater für mich, da ich meinen leiblichen Vater nie kennengelernt habe. Und ich weiß nicht was genau zwischen den beiden passiert ist aber es muss meine Mutter so gebrochen haben, dass sie keine andere Aussicht mehr gesehen hat, als sich selber das Leben zu nehmen." Erzählte ich und wurde kurz darauf hin von dem Licht neben dem Bett geblendet. Isaiah hatte sich über mich gebeugt, ein kleines Nachtlicht angemacht und sah besorgt zu mir runter. Er strich meine Tränen weg.

„ Ich mache mir so welche Vorwürfe sie nicht gerettet zu haben. Selbst als kleines Mädchen hätte ich an dem Tag etwas tun können. Wäre ich doch bloß zuhause geblieben!" Fing ich an zu schluchzen. Er lehnte sich näher zu mir und versuchte die fallenden Tränen zu trocknen.

„ Sag so etwas nicht. Sie wusste wozu sie sich entschieden hat und vielleicht wusste sie das schon Tage, wenn nicht Wochen davor. Sie hat keinen anderen Ausweg aus ihrem Schmerz und ihrer Trauer mehr gesehen und sie mag dich hier vielleicht zurück gelassen haben aber niemals würde sie wollen, dass du dir die Schuld für ihre Entscheidung gibst. Deine Mutter ist immer noch bei dir und sie sieht auf dich herab. Sogar in diesem Moment", er stoppte kurz um mir einen Kuss auf meine Stirn zu drücken.

„ sieht sie uns und sagt dir selber, dass es nie deine Schuld war und auch nie sein wird. Ich kann mir nicht vorstellen wie sehr es weh tut und werde es auch nie nachvollziehen können aber denk daran: Dieses Leben ist vielleicht nicht für jeden Menschen wertvoll und manche sehen es als besser an, nicht mehr auf dieser Welt zu sein aber diese Personen werden da oben glücklicher werden als sie es hier je hätten sein können." Es war einige Zeit lang ruhig zwischen uns und ich wischte mir die Tränen von den Wangen.

„ Wir können die Vergangenheit nicht ändern; wir würden es gerne und stellen uns immer wieder vor, dass wir alles anders gemacht hätten aber in Wirklichkeit hätten wir es nicht anders gemacht. Es ist passiert. Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern. Es ist ein Teufelskreis, in den wir als Mensch immer und immer wieder geraten, um uns zu trösten aber man muss lernen die Vergangenheit zu akzeptieren, erst dann wird es besser. Du trägst keine Schuld und du kannst nicht mehr ändern was passiert ist. Deine Mutter ist im körperlichen Sinne nicht mehr da um dir das zu sagen also hat sich mich beauftragt das für sie zu tun: sie wird immer bei dir bleiben und dich von ihrem jetzigen Ort aus beobachten und dich beschützen. Ihr geht es besser dort wo sie jetzt ist." Sprach er zu Ende.

Zum ersten Mal fühlte ich mich besser, vielleicht sogar erleichtert, wenn jemand mich versuchte zu trösten.

Ich kann es nicht mehr ändern.

Ohne wirklich zu wissen was ich darauf antworten sollte, zog ich ihn nur zu mir runter und versteckte mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Ihr geht es besser dort wo sie jetzt ist. Das Leben ist nicht für jedermann.

Zum ersten Mal wusste ich nicht was ich sagen sollte. Immer als diese Situation eingetreten ist, habe ich einfach nur genickt, mich bedankt und versucht dieses Thema in meinen Hinterkopf zu verbannen.

Ich habe gelitten und das meist für mich alleine, da ich mich von anderen nie wirklich unterstützt gefühlt hatte. Versteht mich nicht falsch- ich war dankbar dafür, dass meine Freunde und meine restliche Familie trotzdem für mich da gewesen waren und mir eine Schulter zum weinen gereicht haben aber irgendwann entstand wie eine Mauer in mir drin, die mir verweigerte darüber zu sprechen. Ich fraß diese Schuldgefühle in mich herein und wünschte mir nur, dass es anders gelaufen wäre. Er hatte recht.

Und zum ersten Mal fiel eine riesige Last von meinen Schultern. Es würde mich wahrscheinlich noch eine Zeit lang brauchen, den Tod meiner Mutter zu akzeptieren aber ich hatte endlich das Gefühl das es ab jetzt nur noch besser werden kann.

<•>

Es ist kein actionreiches Kapitel aber ich hoffe es gefällt euch trotzdem💜
Übrigens wurden mir diese Worte von Isaiah selber von meiner Psychologin erklärt wegen einem eigenen Todesfall in der Familie. Ich dachte, ich könnte dieses Wissen nicht nur für die Story verwenden aber vielleicht auch jemandem weitergeben, der es vielleicht selber in diesem Moment braucht.

You are loved <3

OverdoseWhere stories live. Discover now