Kapitel 1

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Kapitel 1

Lauf!

Schneller! Sonst kriegen sie dich!

Mein Puls schlug mir so heftig wie ein Trommelwirbel in den Ohren, und mein Blut raste durch meine Adern, während ich schwer atmend durch den Wald sprintete. Mein Atem stieg in sanften Wolken auf, die in die kalte Herbstnacht segelten, während die Regentropfen wie eisige Pistolenkugeln auf meinen Kopf niederschlugen. Meine Kleidung war völlig durchnässt und klebte schwer auf meiner Haut, was mir, zusätzlich zu den rutschigen Blättern unter meinen Turnschuhen, das Laufen erschwerte.

Hinter mir erklangen das laute Heulen der Sirenen.

Auch das Bellen von Hunden, war nicht allzu weit hinter mir zu vernehmen. Die starken Lichtstrahlen der Taschenlampe strahlten flackernd durch die Tausenden von schlanken, nackten Bäumen, die mich wie vor Kälte zitternde Skelette umgaben.

Tränen brannten mir in den Augen. Ich rannte so schnell ich konnte, meine Arme schossen heftig vor und zurück.

Über dem Megaphon rief eine Stimme meinen Namen. Ich soll anhalten, sonst würden sie Gewalt anwenden, um mich zu fassen.

Ich durfte nicht stehen bleiben! Sie durften  mich nicht kriegen!

Nicht nach allem, was ich durchmachen musste. Nein! Das durfte ich nicht zulassen! Ich habe das nicht getan, nur um wieder gefangen genommen zu werden. Sie würden mich ins Gefängnis werfen. Man würde mich mit Seinesgleichen in eine Zelle werfen!

Nein! Das durfte ich nicht zulassen!

Das würde ich nicht!

Lehne ich ab!

Bei dem schaurigen Gedanken, arbeiteten meine Beine noch härter, während ich über umgestürzte Bäume sprang und mich unter Ästen duckte. Im letzten Moment wirbelte ich rechtzeitig um einen Baum herum, in den ich, in der Dunkelheit, fast hineingerannt wäre, doch so streiften meine Hände lediglich über die raue, glatte Rinde. Das Tosen des zunehmenden Regens und des Windes vermischte sich mit dem Geräusch der Sirenen und der bellenden Hunde, die immer näher und näher kamen. Es war eine Kakophonie des Terrors, welche die Luft zerriss.

Nein!

Lasst ab von mir!

Bleibt zurück!

Zwischen nassem Husten und protestierenden, zusammenziehenden Lungen, wurde mein Atem zu einem mühsamen Keuchen. Meine Beine zitterten wie Wackelpudding und meine Arme begannen schmerzlich zu erschlaffen. Eine bittere Mischung aus salzigen Tränen und kaltem Regenwasser klebte mir im Gesicht. Ich schaffte es, tief Luft zu schnappen, als ich mit einem Fuß vorwärts sprang, in der Erwartung auf solidem Boden zu landen.

Doch es gab keinen Boden.

Meine Augen weiteten sich und ich stieß einen scharfen Schrei aus, als mein Fuß durch den dicken Schlamm glitt. Ich verlor das Gleichgewicht und stolperte kopfüber einen steilen, schlammigen Hang hinunter. Ich schrie auf und zog meine Nägel durch die schlammige, grüne Seite, doch nahm ich beim Fall bloß an Geschwindigkeit zu. Ich machte ein paar Saltos bevor ich mich an etwas klammerte, dass sich wie eine Baumwurzel anfühlte. Aber sie riss aus dem Hang heraus und ich rollte mich den Rest des Weges seitlich runter.

Einige Male prallte ich gegen etwas auf und schnappte vor Schmerz nach Luft. Weder die Sirenen noch die Hunde waren mehr zu hören. Nur das knisternde und dröhnende gewittern am Himmel, Blitze, die durch den Himmel kreischten und der Regen, der sich gewaltsam seinen Weg durch bahnte. Schlamm klebte unter meinen Fingernägeln und noch mehr schlug mir ins Gesicht, was dazu führte, dass mein Kopf vor Schmerz explodierte.

Inferi [boyxboy] (Übersetzung)Where stories live. Discover now