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»Hey Michael.« Ich klopfte meinen besten Freund auf die Schulter.

»Schön dass du wieder da bist, Jai.«, lächelte er.

Ich erwiderte es und setzte mich neben ihn auf die Tischtennisplatte. Aus meinem Rucksack holte ich ein Päckchen Zigaretten.

»Willst du auch eine?«

Michael verneinte. »So langsam müsstest du das wissen.« Stimmt ja, seine Mutter hatte Lungenkrebs vom vielen Rauchen. Ich hatte auch erst angefangen als Luke tot war. Und das war vor gerade Mal 5 Monaten. In meinem Hals machte sich wieder der Kloß bemerkbar. Ich zog an dem Stängel und schnippste dann die Asche auf den Boden.

»Wo ist eigentlich Nic?«

»Er ist in den Sommerferien nach Island geflogen.«

Michael nickte. »Und wann kommt er wieder?«

»Er sagte, wenn er genug von der Landschaft und den Pferden hat kommt er wieder nach Hause.« Ich schluckte die Sehnsucht nach ihm herunter und schaute zum Schultor.
Laila und ihr Freund, ich glaube er hieß Leon, liefen geradewegs auf uns und die Tischtennisplatte zu.
Quietschend sprang sie mir um den Hals und schrie mir ins Ohr. »JAI! Du bist wieder da!«
Ich drückte sie lachend von mir und wuschelte ihr durch die Haare. »Schön das du dich darüber freust, aber nächstes Mal bitte nicht so schrill ins Ohr kreischen.«

-*-

In unserer Auffahrt stand Mamas Auto. Daneben ein großer, schwarzer Koffer. Wollte sie verreisen? Nachdenklich trat ich durch die Tür und ein süßlicher Geruch lag in der Luft. Skeptisch lugte ich in die Küche hinein und sah Mum, Dad und Nic am Küchentisch sitzen. Einen Moment lang glaubte ich zu träumen, doch Nic saß dort. Egal wie oft ich versuchte aufzuwachen. Hastig ließ ich meinen Rucksack fallen und sprang meinem Halbbruder um den Hals. »Du bist wieder da!!!«, kicherte ich und küsste immer wieder seine Wange. Das war so ein 'Ding' zwischen uns. Seine Arme schlangen sich eng um meinen Körper und er vergrub sein Gesicht in meinem Nacken.
»Ich hab dich vermisst!«, flüsterte ich schniefend.
Seine Hand streichelte meinen Rücken rauf und runter und er schlang seine Arme enger um mich. Seine Wärme hüllte mich ein und ließ mich wohlfühlen. Langsam löste ich mich von ihm und wischte mir über die Augen. Er hatte seit einem Jahr davon geträumt nach Island zu reisen. Als Luke getötet wurde, war er die ganze Zeit für mich da und da wir 3 Monate keine Schule hatten, nahm ich es ihm nicht übel. Er hatte im letzten Schuljahr seinen Abschluss gemacht und wollte ein bisschen entspannen. Ich musste leider noch 1 Jahr die Schulbank drücken.

»Wie war es?«

Nic lächelte mich sanft an und strich mir dir Haare aus dem Gesicht. »Es war atemberaubend schön. Die Landschaft, die Pferde. Es ist sogar einmal ein Vulkan ausgebrochen. Aber nicht so schlimm. Nur eine kleine Aschewolke.«

Fasziniert nickte ich. Aber mir lag da noch so eine Frage auf der Zunge, wo ich nicht wusste ob ich sie stellen sollte. Ich hatte Angst vor der Antwort. Aber da musste ich durch. Ich sammelte mich und holte tief Luft. »Hast du jemanden kennengelernt?« Gequält lächelte ich und sah ihm prüfend in die schönen grünen Augen.

Nic schmunzelte und zog mich eng an sich. »Niemand kann jemals deine Position einnehmen, Babe.«

Babe... Wieder dieses Wort. Es entfachte tausende Schmetterlinge in meinem Bauch. Luke hatte zu mir immer gesagt ›Mein Schatz‹ oder ›Mein Engel‹. Ehrlich gesagt vermisste ich seine Stimme, seine Umarmung und seine Lippen. Wie sie so oft meine berührt haben und plötzlich war da nichts mehr. Er war weg. Auf seiner Beerdigung hatte ich ein letztes Mal seinen süßen Mund geküsst. Er hatte sich kalt angefühlt.

»Willst du?«, fragte Nic.

»Uhm...« Meine Wangen färbten sich rot und ich blickte auf den Boden.

»Hast du wieder an ihn gedacht?«

Ich nickte traurig und die schönen Stunden mit Luke auf der Couch kamen mir wieder in den Sinn.

»Ich bin mir sicher er schaut dir von oben zu.«, hauchte Nic und ich kuschelte mich an ihn.

Ich wüsste nicht was ich ohne ihn machen würde. Wahrscheinlich durchdrehen... Seine Hand fand den Weg in meine Haare und er wickelte sie um seinen Finger. Ich genoss das Gefühl seiner Fingerkuppen auf meiner Kopfhaut und seufzte glücklich. Seine Lippen berührten meine Stirn und wie von selbst schlossen sich meine Augen. Am liebsten würde ich jede Sekunde in seinen Armen liegen und seinen lieblich, süßen Duft in mir aufnehmen.

»Wie geht es eigentlich Ayse?«, fragte Nic neugierig.

Ayse war ›unser‹ Pinguin. Vor etwa einem Jahr konnte man im Zoo Pate von einem Tier werden. Seit dem ging ich fast jeden Tag in den Zoo, manchmal durfte ich ihn auch füttern.

»Ihm geht's gut. Ich war oft bei ihm und er ist nur noch knuffiger geworden!«, schwärmte ich.

Nicolas lachte und streichelte mir sanft über die Wange.

»Dein Freund wird auch mal ein Pinguin, was?«

So ganz unrecht damit hatte er nicht...

»Wenn ich einen mit nach Hause nehmen darf, dann ja.« Recht unwahrscheinlich... »Aber wenn, brauche ich einen Kerl. Die können ja schwul sein!«, kicherte ich.

Belustigt schüttelte er den Kopf und küsste liebevoll meine Nase. Wie er wohl aussieht wenn ich ihn in ein Pinguin Kostüm stecke? Nachdenklich verzog ich mein Gesicht und mein Blick fiel auf die Kommode neben der Tür. Ein paar Bilder von uns, Mum und Dad standen darauf. Andere schmückten den Raum an der weißen Wand. Auf dem einen kuschelten wir mit Bobo. Auf einem anderen schwammen wir mit Delfinen in einem der großen Aquarien die es hier gab. Die Schnappschüsse entstanden alle in den ersten Monaten ohne Luke. Ich vermisste ihn so schrecklich und der Schmerz war kaum auszuhalten aber ich hatte immer Halt bei Nic gefunden. Man konnte sagen, dass ich meinen Bruder liebte. Tat ich auch, jedoch waren die Scherben noch nicht wieder ganz zusammen geflickt.

Mit einem »Wir müssen Bobo mal wieder besuchen, sonst nimmt er es uns übel.« holte mein großes Kuscheltier mich aus meinen Gedanken.

»Mhm...«, zustimmend nickte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter.

Ich wollte das es so blieb wie es jetzt war. Es fühlte sich gut an.

heavy past, better future (boyxboy)Where stories live. Discover now