18. Impulse

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Impulse

"What greater thing is there for two human souls, than to feel that they are joined for life - to strengthen each other in all labour, to rest on each other in all sorrow, to minister to each other in pain, to be one with each other in silent unspeakable memories at the moment of the last parting?",liest Celia, während sie in der Uni-Bibliothek sitzt, umgeben von Büchern und Papier und Stiften. George Eliot ist für sie eine große Inspiration, eine Person, der sie gern begegnet wäre.

Sie versucht sich nicht zu sehr von ihren tollen Worten beeinflussen zu lassen, während sie einen Aufsatz für ihren Literaturkurs verfasst. Anders als Jemima und Arabella, die kreativere Seiten aufweisen, geht Celia sehr detailliert und vielleicht sogar pingelig an ihre Arbeiten heran. Sie analysiert jedes Zitat, das sie nutzt, übersetzt es mithilfe von Lexika in unterschiedliche Sprachen - vor allem Französisch, da sie jene Sprache ebenfalls spricht - um nach weiteren Ansätzen zu suchen. Sie liest weitere Werke des Autors, dessen Texte sie analysiert, sucht nach seinen Einflüssen und Inspirationen, nach Motivationen und freien Impulsen, die an das Ziel des Werkes führten.

Celia setzt sich völlig in das Geschehen der wenigen Zeilen, versetzt sich in Situationen, die ihr nicht passieren würden, und schaut nach verborgenen Intentionen, die etwas bedeuten könnten. Bevor sie auch nur einen Stift in die Hand nimmt, liest sie Textzeilen, bis sie diese vom Herzen widergeben könnte, erstellt Inhaltsangaben und Strukturen und Skizzen und Zeichnungen.

Obwohl Jemima bei ihren Arbeiten meist erst in den letzten Tagen des Abgabetermin mit dem Lesen und Schreiben beginnt, schreibt sie mit einer unverkennbaren Leidenschaft, sitzt stundenlang, manchmal tagelang, an ihrem Schreibtisch um passende Worte und wunderschöne Synonyme zu finden. Sie ist immer die letzte, die abgibt. Die Tinte meist verschmiert und die Schrift schwierig zu entziffern, liefert sie ein Meisterwerk nach dem anderem.

Arabella ist das Mittelmaß der anderen beiden. Wenn sie schreibt, ist ein leicht chaotischer und doch detaillierter Ansatz ihr eigener Anspruch. Sie schreibt nicht nur, sie denkt in vollen Zügen, schnappt Wörter und Sätze auf, die sie aus Vorlesungen, Reden oder Gesprächen entnahm, sucht nicht nur in ihren Lieblingswerken nach Inspiration, sondern in allem; aktuellen Zeitungsartikeln und Nachrichten, griechische, deutsche, englische Prosa, Reimketten toter Dichter, wenige, skurrile Worte, die sie aus unscheinbaren Dingen wie Floristik-Magazinen, Listen von Inhaltsstoffen oder Warnungen entnahm, schließen sich zusammen, um Eins zu werden.
Wenn sie schreibt und das tut sie nicht so häufig wie das Malen, liegen zusammengeknüllte Papiere, Stifte und leere Gedanken auf dem Boden, während sie mit der Eleganz einer Balletttänzerin an ihrem Schreibtisch sitzt und alles herauslässt, was sie sammelt und aufstaute.

Celia bewundert ihre Freunde. Und manchmal, da bewundert sie auch sich selbst.

Sie setzt einen letzten Punkt auf das mit Tinte und Wörtern geschmückte Papier, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und atmet tief aus. Draußen ist es inzwischen dunkler geworden und es halten sich nur noch wenige Menschen in der Uni auf. Die Bibliothek ist still wie immer - aber nun auch angenehm leer. Nur Arabella, die ihr seit zwei Stunden Gesellschaft leistet und selbst etwas liest, sitzt ihr Gegenüber und hat mehrere Bücher auf dem schönen, langen Holztisch verteilt.

Arabella sieht in genau diesem Moment auf und ihre Augen treffen sich. Ihre sind unscheinbar verändert, sie steckt tief in Gedanken. Celia schenkt ihr ein Lächeln.

"Ist alles gut, Bella?",fragt sie und sieht wie ihre Freundin zitternd einatmet, jedoch keine Spur von Traurigkeit im Gesicht trägt.

Celias Blick fällt auf das Buch, das Arabella offen vor sich liegen hat.
"Autobiography of an androgyne", gleich daneben "The Female-Impersonators".
Beide Bücher geschrieben von einer Person namens Earl Lind.
"Was liest du?",fragt Celia stattdessen, da sie sicher ist, dass Arabella nicht auf ihre vorherige Frage antworten würde.

 𝐕𝐈𝐒𝐈𝐎𝐍𝐀𝐑𝐈𝐄𝐒 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt