12. Reimketten und die Berrycloths

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12. Reimketten und die Berrycloths

Am selben Abend liegen die fünf jungen Erwachsenen immer noch auf dem Sofa oder auf dem Boden in Celias Haus herum.

Der Raum ist gefüllt von lieblichen Düften und alles wirkt so viel intensiver, als je zuvor. Das Nikotin, das Ferris sich mit Lucien teilt, das starke Rosenparfum Jemimas und Celia meint sogar, die kleinen Farbreste auf Arabellas Händen riechen zu können.

Es ist still. Nur das knisternde Brennen der Kerzenflamme und das ruhige Einatmen Celias Freunde ist zu hören.

"Ich beneide euch, wisst ihr das eigentlich?",fragt Ferris auf einmal in die Stille. Jeder hing bis eben in seinem eigenen Gedankenkosmos fest. Alle Blicke fallen auf den blonden Jungen, der verträumt an die Decke starrt und Rauch in die Luft pustet. Seine Augen treffen Celias.

"Wieso das?"

"Ich weiß, dass aus euch allen mal etwas wird."
Ein sanftes Lächeln setzt sich auf seine Lippen, er sieht jeden im Raum kurz an.

"Jemima wird eine erfolgreiche Schauspielerin, die nicht nur mit jenem Talent, sondern auch nebenbei mit dem Schreiben von Gedichten glänzen kann. Arabellas Bilder werden in den Ausstellungen der schönsten Kunsthäuser hängen, Celia wird eine inspirierende Autorin. Und wenn Lucien in diesem Leben noch anfängt zu lernen, wird er seine Talente auch bis zum Vollstem ausschöpfen können."

"Ihr habt alle etwas gemeinsam, was ich beneide: ihr werdet euch unsterblich machen. Man wird von euch noch in hunderten von Jahren sprechen können und euch bewundern."

Er sieht wieder zur Decke.

"Ihr seid alle auf eure eigene Weise talentiert und ich stecke zwischen zwei trostlosen Arbeiten fest, die mich nicht erfüllen, aber die Miete zahlen."

Jemima seufzt kurz. Sie hat sich falsch herum auf den teueren Stuhl gesetzt, den Celias Mutter immer nutzt, um aus der Bibel vorzulesen.
"Ferris würde gerne studieren gehen. Er hat große Träume und gibt sie nur für mich auf."

"Ja, aber du hast größeres Potenzial als ich. Ich möchte ein kleiner, unbedeutender Journalist sein, der unparteiisch und sachlich über interessante Geschehnisse berichtet. Ich möchte schreiben, aber Emotionen stehen mir nicht so gut wie dir. Ich kann nichts ausdrücken, kann nur mit meinem gleichgültigen Kopf denken."

"Du wirst genau das erreichen, was du dir in den Kopf setzt, Ferris",fügt Arabella hinzu, die auf dem Boden und an die Wand angelehnt sitzt, "weißt du noch, als ich vor wenigen Jahren fast täglich weinend vor eurer Tür stand, weil ich meine Selbstzweifel nicht mit mir selbst ausmachen konnte? Du hast mich gelehrt damit umzugehen und sie für meinen Vorteil zu nutzen, sie in Kunst umzuwandeln. Du hast gesagt, dass ich die Sorgen nicht in mir tragen, sondern lieber auf Leinwand bringen sollte. Ich habe es damals nicht ganz verstanden, aber ich weiß nun, dass du meintest, dass ich nicht aufgeben soll. Genau das Gleiche gilt für dich. Du allein hast es in der Hand, die Verantwortung zur Erreichung deiner Ziele zu übernehmen."

Ferris nickt stumm, sieht immer noch nachdenklich an die Decke und drückt die Zigarette schließlich auf dem Aschenbecher aus, den er selbst mitbrachte, da Celias und Luciens Mutter eine große Ablehnungshaltung gegenüber toxischen Genüssen wie dem Rauchen hat. An sie verschwendet jedoch keiner einem Gedanken.

"Ich weiß aber wie du dich fühlst, Ferris",sagt Lucien auf einmal, der schon seit längerer Zeit nichts mehr gesagt und nur in der Gegend herumgestarrt hat, "manchmal denke ich auch, dass ich auf Gleisen festhänge und der Zug längst abgefahren ist. Ich weiß nie, ob meine Ziele greifbar genug für mich oder lediglich eine Wunschvorstellung meiner Fantasie sind."

 𝐕𝐈𝐒𝐈𝐎𝐍𝐀𝐑𝐈𝐄𝐒 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt