32. Jemima

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Jemima

Es ist mitten in der Nacht, der Mond steht bereits am Himmel und lächelt auf die düstere Stadt, wickelt alles in seinen magischen Glanz ein und lässt Seelen fühlen, was sie nicht in Worte fassen können.

Celia und Calisto laufen Hand in Hand den alten Weg zu seiner Wohnung zurück. Seine Hand ist warm und sein Hauchen weich. Er lächelt ihr zu und sie wirft es zurück, Blicke werden getauscht, Gesten geschenkt.

"Ich bin so stolz, mich deinen Freund nennen zu dürfen",spricht Calisto in die kühle Nacht und sieht in den Sternenhimmel, seine Hand immer noch fest um die von Celia.

"Ich bin froh, dich kennengelernt und in mein Leben eintreten gelassen zu haben. Ich bin froh, dass ich mich von den früheren Ketten, die sich um mich geschlossen haben, gelöst habe und mich auf dich einlasse."

Sie tauschen ein Lächeln. In ihren Venen nur Glücksgefühle, keine Spur von Unmut oder Angst. Keine Angst. Sie laufen still nebeneinander her, ihre sanften Schritte geben Geräusche im matschigen und restlichen Schnee der letzten Tage wider, die Luft ist rau und mit Kälte gefüllt, Celia wünscht sich die Sonne nicht mehr.

"Ich wette",sagt Calisto und löst seine Hand von Celias, "dass ich schneller bin als du und schneller bei meiner Wohnung ankomme."

"Das glaubst aber auch nur du",erwidert sie und zieht eine fordernde Augenbraue in die Höhe. Er grinst, sie stehen sich gegenüber, und er rennt los, von ihr weg und sie hinterher, lachend und schreiend, er solle stehenbleiben, es sei nicht gerecht. Sonnenschein flutet durch ihre Seele, es fühlt sich an, als berührten ihre Füße kaum den Boden, sie rennen gemeinsam durch die alten Straßen Birminghams und Celia ist sich sicher, das Leben gefunden zu haben.

So muss es sich anfühlen wirklich lebendig zu sein.

Sie kann ihr Glück kaum fassen, es atmet in jedem einzigen Atemzug und in der Luft um sie herum, die Knochen fühlen sich beinahe gelähmt, als Calisto sich hinter eine Laterne stellt, seinen Kopf zur Seite streckt und ihr entgegenlächelt. Celia rennt auf ihn zu und er fängt sie auf, sie drücken sich an sich, Celia an der Laterne und Calisto genau vor ihr.

Ihr Atem ist unkontrolliert, ihre Brustkörbe heben und senken sich in falschen Rhythmen, doch an dem Blick, der Calisto ihr zuwirft, ist rein gar nichts falsch. Sie lächeln sich mit den schönsten Sternen an und legen ihre Lippen aufeinander. Es ist es – das Leben.

"Ich war in der Stadt spazieren. Es war ein heißer Sommertag und ich trug ein luftiges Kleid. Auf einmal stand ein Mann hinter mir und hat meinen Hintern berührt. Er sagte bloß: „Selbst schuld, wenn du sowas trägst." Seitdem habe ich Angst, Kleider zu tragen, die mir nicht bis zu den Füßen reichen."

"Ich saß letztens im Bus. Ein paar Reihen hinter mir saß ein älterer Mann, der mich die ganze Zeit angestarrt und von oben bis unten gemustert hat. Es kam mir vor, als wolle er mich mit seinen Augen ausziehen. Ich habe mich selten so geekelt. Ich bin sofort bei der nächsten Haltestelle ausgestiegen."

"Professor Fernsby sagte mir, dass ich es als weibliche Philosophiestudentin nicht weit bringen werde. Dann zwinkerte er und sagte, dass ich mir aber keine Sorgen machen müsse, da ich aufgrund meines Aussehens auch anderweitig an Geld kommen könne."

"Ich arbeite in einer Buchhandlung. Letztens kam eine Gruppe von Männern an der Ladentür vorbei und einer sagte: „Ich kaufe mir ein Buch, wenn es mir dieses Püppchen abends vorliest.""

"Meine Eltern stammen aus Indien. Ich war in einen weißen Jungen verliebt. Als er es herausfand, sagte er zu seinen Freunden, er habe Glück, dass er nun auch exotische Frauen 'ficken' könne. Ich habe schwere Vertrauensprobleme und habe das Gefühl, dass mich Männer immer nur für ihren Vorteil ausnutzen wollen."

 𝐕𝐈𝐒𝐈𝐎𝐍𝐀𝐑𝐈𝐄𝐒 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt