Nervenkrieg

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"Nicht durchdrehen Tora! Nicht durchdrehen", ermahnte ich mich leise immer wieder selbst. Ignorierte meine schwitzigen, zitternden Hände, wusste nicht wohin mit ihnen, geschweige denn mir. Sollte ich liegenbleiben und meinem eigenen Herz beim Rasen zuhören, mich noch verrückter machen als eh schon. Oder aufstehen und frische Luft schnappen. Aber wenn, musste ich zusehen, dass ich diesen Arm von mir herunterbekam und dann würde er aufwachen und dann...

Und überhaupt...was zum Geier machte der Kerl? Mit mir hier in einem Bett? Waren alle anderen Zimmer belegt, oder wie? Denn allem Anschein nach war es seines. Ich schloss es aus dem großen Schreibtisch, dem gegenüberliegenden Regal mit all den Akten und Ordnern. Ach ja, und natürlich dem großen Sandkürbis, der neben der Tür lehnte. Besagter Besitzer schlief seelenruhig neben mir im Bett und machte keine Anstalten aufzuwachen, schien nicht einmal meine Panik zu spüren.

Eigentlich sollte ich hier so schön schlafen können, schließlich war mein Tag nach dem nächsten missglückten Attentat auf mich ziemlich aufreibend gewesen. Auch wenn die ANBU sich nun zurückgezogen und ich vorerst in Suna leben durfte, brach nun das nächste Ereignis bei mir ein, ohne vorher wenigstens einmal freundlich zu klopfen. Argh. Ich hasste mein Leben so langsam. So viele Herzinfarkte waren wahrlich nicht gesund.

Es war kein Geheimnis mehr, dass ich seit längerem tiefe Gefühle für Gaara hegte. Doch bisher hatte er nie den Anschein gemacht, als würde er diese auch erwidern. Aber in den letzten Tagen war er mir reichlich seltsam vorgekommen. Das Beste Beispiel immer noch vorgestern in seinem Büro.

Ich seufzte leise und drehte mich herum, wischte die schweißnassen Hände am Bettlaken am und entfernte vorsichtig seine kühle Hand von meiner Hüfte. Hielt diese für einen Moment fest und strich darüber, ehe ich mich zusammenriss und sie auf der Matratze ablegte. Gaara atmete leise weiter. Stockte nicht eine Sekunde. Mein Herz machte einen erleichterten Satz, dass er von meinem kleinen Fluchtversuch nicht aufgewacht war.

Schritt eins war schon einmal geschafft. Leise schlich ich die Treppe hinunter, zur Küche. Helles Mondlicht schien zum Fenster hinein und ließen Temaris Haare silbrig glänzen. Gerade noch so konnte ich mich an einem erschrockenen Schrei hindern. Sie rührte sich nicht, blickte einfach nur zum Fenster hinaus, beobachtete die Wolken, welche beträchtlich am Halbmond vorbeizogen.

„Shikamaru färbt ab, was?", entwich es mir und die Blonde wandte mir nun endlich den Kopf zu.

Ein leichter Rotschimmer zierte ihre hellen Wangen, ehe das verschlagenen Grinsen auf die Lippen schlich. Sie richtete sich ein wenig auf, nahm Haltung an und setzte sich auf die Anrichte. Ließ lässig die Beine baumeln. Langsam trat ich ein paar Schritte auf sie zu, ließ den Körper auf dem Tisch, direkt gegenüber nieder.

„Schön, dass du noch lebst. Ich hätte fast mit einem Herzinfarkt beim Aufwachen gerechnet", sagte sie.

„Er wurde überwunden...gerade so."

„Du fragst dich sicherlich, was er sich dabei gedacht hat, nicht wahr?"

Und wie. Das war so ziemlich das Einzige, das mich im Moment beschäftigte. Gaaras seltsame Verhaltensweise, aus der ich überhaupt nicht mehr schlau wurde.

„Dachte ich's mir doch." Temari lachte leise und lehnte den Körper an die Wand, ehe sie ihre gründen Irden wieder auf mich richtete.

„Grund Nummer eins ist, dass alle Zimmer belegt sind. Fu hat sich gleich, nachdem wir angekommen sind in deinem hingepflanzt und ist so schnell eingeschlafen, dass wir sie da nicht mehr wegbekommen haben. Rai schläft bei mir. Asna bei Kankuro, der will sie überwachen, damit sie nicht abhaut. So zumindest seine Verteidigung. Ihr ist das völlig egal gewesen. Sie hat sich quer aufs Bett gelegt und ist eingeschlafen."

Temari fiel es ziemlich schwer ein Lachen zu unterdrücken. Vor Schadenfreude.

„Kankuro schläft jetzt auf der Couch. Selber schuld sag ich da mal. Asna ist nicht die Person, die ein Angebot aus Höflichkeit ausschlägt oder ewig rumdruckst. Hach die ist mir wirklich sympathisch. Vor allem, die ist so groß wie er selbst, versuch sie da mal wegzubekommen. Die schnarcht fast noch lauter als er."

Die Blonde schüttelte sich fast vor Lachen und steckte mich ein wenig mit an. Ja das war definitiv Asna, bekannt als Schrottsammlerin. Knallhart und völlig unverfroren. Das konnte ich mir wahrlich bildhaft vorstellen. Doch es erklärte längst noch nicht was alle hier machten.

„Zu eurem Schutz", sagte Temari, als hätte sie mir die Frage von den Augen abgelesen. „Da noch ziemlich große Verwirrung im Land herrscht, seid ihr vorerst hier untergebracht. Ihr steht unter persönlichem Schutz von Gaara."

Ein Lächeln schlich sich erneut auf ihr Gesicht und sie beugte sich ein wenig vor, winkelte das Knie an, legte die Hand darüber. Ähnlich wie Shikamaru immer.

„Und deswegen schläfst du auch bei ihm. Er hat darauf bestanden. Schließlich ist ihm deine Sicherheit sehr wichtig."

Wärme durchfuhr mich, gefolgt von einem leichten Kribbeln im Magenbereich. Ich schluckte leicht und versuchte den hoffnungsvollen Gedanken zu verdrängen, dass es ja etwas bedeuten könnte. Was Schwachsinn war, so oft wie er mich inzwischen schon zurückgewiesen hatte.

„Du gibst zu schnell auf Tora", mischte sich Temari ein. „Vermutungen sind nicht gleich die Wahrheit. Warte ab und beobachte. Mein Bruder ist Recht kompliziert. Schließlich ist das Thema Gefühle noch ein neues Pflaster für ihn."

Sie lachte leicht.

„Und Shikamaru ist da nicht ausgenommen. Der Typ ist nicht nur faul, sondern kann überraschend schüchtern sein. Als wir das erste Mal etwas gemeinsam unternommen haben, wusste er gar nicht wo er seine Hände verstauen sollte", ein verträumter Ausdruck schlich sich in ihr Gesicht.

Es hatte sie wirklich schlimm erwischt. Und ich freute mich für sie. Natürlich. Temari war, wenn man sie näher kennenlernte, eine angenehme Person, mit der man sich gut unterhalten konnte. Auch über schwierigere Dinge.

Ich wurde erneut aus den Gedanken gerissen, als Temari elegant von der Ablage heruntersprang und halblaut in die Hände klatschte. Nur damit ich aufschreckte. Die anderen Schnarchnasen würden davon nichts mitbekommen. So wie ich sie kannte und Temari mir Asna beschrieben hatte, würde da definitiv niemand aufwachen. Besonders Gaara hatte, seit Shukakus Extraktion, einen sehr tiefen Schlaf. Zu meinem Glück. Und Temaris Pech, wie sie gern manchmal betonte. Schließlich hatte sie ihn des Morgens so manches Mal gar nicht wach bekommen.

Aber er hatte ja einiges an Schlaf nachzuholen. Die ganzen verpassten Jahre...das konnte dauern. Zum Leidwesen der Geschwister.

„Ich denke wir sollten nun beide ins Bett. Morgen wird nicht einfach. Es gibt einiges zu besprechen", sagte Temari und ging an mir vorbei aus dem Zimmer. Kurz bevor sie gänzlich den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal um und hob die Hand zum leisen Gruß.

„Gute Nacht Tora."

Ein Nicken, mehr blieb mir nicht übrig, so schnell war sie weg. Und ich blieb allein in der kühlen Küche zurück. Mit meinen Gedanken, der aufkeimenden Müdigkeit und den kalten Füßen. Vorsichtig befühlte ich die Zehen und verzog das Gesicht. Eiszapfen definitiv. Eine warme Decke würde dagegen helfen. Nur fehlte ein wenig der Mut dazu...sollte ich wirklich?

Innerlich fluchtend und leicht bibbernd schlich ich zurück in Gaaras Zimmer. Der Rothaarige Kazekage schlief noch immer seelenruhig, als könnte er kein Wässerchen trüben. Wenn man ihn so betrachtete, dachte man gar nicht daran, dass man hier den stärksten Shinobi Sunagakures vor sich hatte.

Langsam setzte ich mich auf die Kante und hob langsam den Saum der Bettdecke an. Kuschelte mich hinein und betrachtete nachdenklich den schlafenden Rothaarigen, dessen Blick mir jedes Mal eine Gänsehaut bescherte, während seine Stimme dieses flattrige Gefühl in mir auslöste samt dem Bedürfnis ihm nahe sein zu wollen. Er ahnte ja nicht, was er damit heraufbeschwor, indem er mich bei sich schlafen ließ.

„Idiot, du machst alles nur noch schlimmer", flüsterte ich leise und streckte zögerlich die Hand nach seiner Wange aus. Sie war schön warm, doch ich schob es auf die Bettwärme. Hitze kroch in mein Gesicht bei dem Gedanken was wohl wäre, würde er nun seine Augen aufschlagen. Aber was war falsch an ein bisschen Nähe?

Niemals zuvor war ich ihm so nah gewesen. Selbst das Ereignis vor zwei Tagen war nichts dagegen. Denn mein ganzer Körper begann wie elektrisiert zu kribbeln sobald meine Hand seine Wange auch nur ansatzweise berührte. Berauscht von dem Gefühl der Zuneigung und dem Bedürfnis nach Nähe rutschte ich noch ein wenig näher heran, bis meine Lippen fast die seinen berührten.

Doch auch wenn alles in mir danach schrie ihn zu küssen, hielt ich mich unsicher zurück. Was wenn er aufwachte und wieder zurückzuckte, mich fragte was das sollte oder ähnliches. Ich wusste nicht ob ich eine erneute Zurückweisung verkraften konnte.

Zaghaft fuhr meine rechte Hand durch sein dichtes rotes Haar. Es war so schön weich. Für einen kurzen Moment atmete ich aus und gab schließlich mir selbst nach. Riss die Barriere nieder, die der letzte vernünftige Gedanke in meinem Kopf zu errichten versucht hatte und küsste ihn.

Der Kuss war vorsichtig und sachte, löste aber dennoch ein riesiges Feuerwerk in meinem Bauch aus, das mir fast gänzlich jegliche Selbstbeherrschung nahm. Stoßweise entkam der Atem meinem Mund als ich mich von ihm löste, aus Furcht er könnte nun, in diesem Moment aufwachen. Auch wenn es schwerfiel, drehte ich Gaara den Rücken zu und schlief nach einigen quälenden Minuten, mit seinem warmen, regelmäßigen Atem im Nacken ein.

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Hui,

was für ein emotionsgeladenes Kapitel. Aber damit haben manche von euch bestimmt nicht gerechnet, was?
Tja hehe. Gaara ist selbst schuld, muss ich da schon mal sagen. Aber nach 200 Kapiteln muss auch mal ein bisschen was
romantisches passieren. Damit hab ich mich ja ziemlich zurückgehalten. Die Story hat nicht umsonst das Genre Allgemein.
Viiieeelen lieben Dank an alle, die mich bisher so sehr unterstützt haben. Sei es mit Empfehlungen, Reviews oder Favos. 
Das hat mir wirklich viel Kraft gegeben, die Geschichte so weit zu bringen. Und es ist ja noch längst nicht zu Ende.
Wir haben ja noch einen ziemlich großen Action geladenen Arc vor uns, wenn ihr wisst was ich meine.

Da Wattpad nur 200 Kapitel erlaubt und diese Geschichte weitaus mehr davon besitzt werde ich wohl oder übel einen zweiten Teil machen müssen. Wenngleich es eigentlich nur als Einzelband gedacht ist (Wenn auch ein recht großer :)) Mal sehen wann ich das erste Kapitel dazu hochladen werde, vielleicht schon heute. Wenn ich ein anständiges Cover kreiert habe :)

Bis zum nächsten Kapitel oder vielmehr Teil :)

glg Lithilia

Die Unfassbare IWhere stories live. Discover now