Leere

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Kakashi:

Düster war der Himmel, als Genma beerdigt wurde. Kein Lichtstrahl drang durch die dicken, dunklen Wolken. Bedrohlich und unheilverkündend. Als würde uns allen etwas noch schlimmeres bevorstehen. Und langsam begann ich auch daran zu glauben.

Mein Blick glitt vorsichtig zu einem Baum, der ganz am Rande der tristen Wiese stand. Sie hatte ihren Körper gegen den Stamm gelehnt und ließ vermeintlich lässig ein Bein herunterhängen. Den Blick starr auf die Situation vor ihr gerichtet. Keine Träne lief über ihre Wange, kein Laut entkam den Lippen. Still saß sie da, regte sich nicht. Einzig und allein die Haare wehten im Wind, der über den weiten Platz fegte.

Genma wurde direkt bei seiner Schwester beerdigt. Nun konnten sie gemeinsam auf uns herabsehen und unsere Wege begleiten. Vermutlich würde er ihr von alldem erzählen. Was passiert war und womöglich noch kommen konnte. Wie Tora sich verändert hatte. Doch ihr momentaner Zustand gefiel mir nicht im geringsten. Sie wirkte beinahe leblos. Als hätte alles lebendige ihre Augen verlassen, die weder Trauer noch Wut widerspiegelten.

Als dann der Moment kam und alle Angehörigen oder Freunde die Blumen ins Grab legen sollten, sprang Tora von ihrem Platz hinab, bahnte sich stillschweigend einen Weg durch die Menschen und legte eine silberblaue Blüte direkt vor das Grab, ohne einen Blick hineinzuwerfen. Wandte sich um und ging zurück.

Meine Hand schnellte hervor, hielt sie an der Schulter fest. Versuchte ihren Körper sanft zurückzuziehen. Ein Fehler wie sich herausstellte, als mich ihr Blick traf. Er hatte sich leicht gewandelt und eine unterdrückte Wut stand darin.

„Kleines", begann ich zögerlich, fachte unbeabsichtigt das Feuer in ihren Augen an.

Etwas goldenes schlich sich für einen Moment in die silbernen Iriden, zog sich jedoch schnell wieder zurück.

„Glaub nicht, dass ich euch das jemals verzeihen werde", leise verließen diese Worte ihre Lippen und dennoch schmerzten sie mehr, als das schärfste Katana in meiner Seele. Verletzend und dennoch so wahr. Es war ihr gutes Recht uns zu zürnen. Schließlich waren Tsunade und ich uns einig gewesen, Genma ihr hinterher zu schicken.

Ahnte doch ein jeder, dass sie Akaya über den Weg laufen würde. Und wie dieses Zusammentreffen verlaufen würde war keine Frage. Tsunades irrsinnigen Einfall, sie könne doch die Maske aufsetzen, damit er sie nicht erkannte, verstand ich heute noch nicht. Doch spätestens jetzt hatte unsere Hokage den gravierenden Fehler erkannt, dessen war ich mir sicher.

Stumm stand sie vorne in der ersten Reihe, eine zittrige Shizune im Arm haltend. Selten zeigte die Hokage Gefühle. Aber nun, da es um ihre langjährige Freundin und Begleiterin ging, ließ sie diese auch in aller Öffentlichkeit zu. Es war ein schwerer Schlag für uns alle. Jedem ging der Tod nahe.

Vor allem Naruto und Shikamaru. Toras engste Freunde standen ganz in meiner Nähe, die Augen auf etwas gänzlich anderes, als die Zeremonie gerichtet. Die Shiranui hatte es sich wieder auf dem Baum bequem gemacht, saß einfach dort und blickte ins Nichts. Alles schien für sie an Bedeutung verloren zu haben.

Naruto, der anscheinend mit dem Gedanken gespielt hatte, zu ihr zu gehen, wurde von Shikamaru an der Schulter festgehalten. Kopfschüttelnd blickte der Nara dem Uzumaki in die Augen. Er war schon immer klug gewesen, wusste wann es nicht ratsam war, sich in eine Situation einzumischen. Etwas, das ich vorhin bei Tora nicht beachtet hatte. Ein fataler Fehler.

Als alle Worte gesprochen und viele Mitleidsbekundungen gesagt worden waren, begann sich die Versammlung aufzulösen. Jeder ging seines Weges. Genmas Testament hatten wir vorerst hinter Schloss und Riegel gelassen. Die Situation sollte sich erst beruhigen, ehe wir mit der nächsten Tür in Toras eh schon brüchiges Haus fielen.

So mancher Blick ging in Richtung des einzelnen Baumes, auf dem noch immer ihre dunkle Gestalt saß. Ausdruckslos in den farblosen Himmel blickte. Bei Hiruzens Beerdigung, hatte er sich geöffnet. Aber heute nicht. Dunkle Tage würden uns bevorstehen. Viele Tage.

Tora:

Schweigend saß ich auf dem Baum, beobachtete die Leute unter mir, wie sie vorbeizogen. Still und leise. Ab und an wurden mir Blicke zugeworfen. Besorgte wie auch neugierige, doch es kümmerte mich nicht. Es war alles egal. Sollten sie doch glotzen oder gaffen. Was störte es mich?

Als alle gegangen waren, sprang ich vom Ast direkt in eine tiefe Pfütze. Kalte Wasser rann mir in die Schuhe, ließ den Körper frösteln. Normalerweise hätte es mich geärgert. Diese Unvorsichtigkeit samt Risiko einen dicken Schnupfen zu kassieren. Aber jetzt war es mir eigentlich ganz recht. Denn wenn ich krank wurde, bekam ich niemanden zu Gesicht.

Ich würde keinem mitleidigem Shinobi, Freund oder was auch immer über den Weg laufen. Und das sollte am besten für den Rest meines Lebens so bleiben. Keine Menschen, keine Erinnerungen. Denn über fast jeden den ich kannte, konnte ich mir eine Erinnerung von Genma herleiten. Irgendwie war alles miteinander verbunden. Und es machte mich krank durch dieses Dorf zu laufen. All die Plätze zu sehen an denen ich mit ihm gewesen war.

Wie wir gelacht hatten oder er mit mir geschimpft hatte. Eine Standpauke, ein strenger Blick, ein tadelndes Wort. Es wäre mir recht. Hauptsache er kehrte wieder zurück. Lebendig. Sah mich an, lachte mit mir. Dann wäre alles gut. Ich könnte mich wieder besser fühlen.

Aber so...ohne ihn...blieb der bittere Nachgeschmack von Schuld und Wut. Meine Schuld an seinem Tod. Meine furchtbare Unachtsamkeit.

Wut auf diejenigen, die ebenfalls daran beteiligt waren. Kabuto, der mit seinem Katana den Körper meines Onkels durchstoßen und somit das überlebenswichtigste Organ, das Herz, getroffen hatte. Tsunade dafür, dass sie ihn losgeschickt hatte, ohne mein Wissen. In der Annahme, dass ich nicht stark genug sei, um gegen meinen Vater zu kämpfen. Aber das wäre ich gewesen..., wenn nur Kabuto nicht...nicht...

Voll rasendem Zorn, ballte ich die Faust und stieß sie in die Erde. Ein rauchende Kluft entstand, genau an diesem Punkt. Schweratmend trat ich zurück, verließ diesen Ort, ohne noch einmal zurückzusehen.

Die Zeit verging. Aus Stunden wurden Tage, aus Tagen Wochen und aus ihnen Monate. Drei Monate waren vergangen seit Genmas Beerdigung. Und die Dinge hatten sich nicht geändert. Nicht im geringsten.

Meinen Aufgaben als Narutos Leibwächterin ging ich nach wie vor nach. Auch wenn es nach außen hin nicht so schien. Der Uzumaki war mir nicht egal. Und ich konnte ihn nicht auch noch verlieren. Ebenso wenig wie Fu, die ich ebenfalls überwachte. Vor allem um sie vor Danzo zu schützen. Aber dennoch...es machte mich krank hier in diesem Dorf zu sein.

Wo hinter jeder Ecke einer Erinnerung lauerte, die mich an die gemeinsame Zeit mit Genma erinnerte. Eine jede im Moment so positiv und traurig zugleich. Mich immer wieder an all die Trauer und Wut tief in mir erinnerte.

In der vergangenen Zeit hatte ich stark abgenommen. Nicht, dass ich nicht zuvor schon dünn gewesen war, aber nun war es fast schlimmer als bei Akatsuki. Schlaf fand ich auch fast keinen mehr. Gaara konnte nun bestimmt wunderbar schlafen. Jetzt da es keinen Shukaku mehr gab, der ihn während einer Ruhephase übernehmen konnte. Der schmerzliche Gedanke an den Rothaarigen wurde hastig wieder verdrängt. Genug Schmerz hatte sich schon in mein Leben geschlichen. Nicht noch mehr durfte ich nun zulassen.

Wenn ich nichts zu tun hatte, saß ich auf dem Bett und starrte die Decke an. Ähnlich wie Shikamaru die Wolken. Nur dass dieser zurzeit nicht die Wolken, sondern Temaris Briefe anstarrte. Vermutlich.

Die beiden schrieben sich ständig. Und es war unübersehbar, dass es zwischen ihnen gefunkt hatte. Nur so wirklich glücklich machte mich das nicht. Es war keine Eifersucht...aber es erschien mir nicht fair, dass so viele um mich herum immer glücklicher wurden, während es mir selbst dreckiger ging.

Und wenn sie mir über den Weg liefen, trafen mich all diese traurigen und unsicheren Blicke. Verdammt. Man sollte mich so behandeln, als wäre noch alles gut. Nichts passiert und meine Welt noch im Gleichgewicht. Wäre schön, wenn. Die Wahrheit war um einiges trister.

Die kühle Maske im Gesicht, saß ich auf einem Baum am Rande des Waldes, den großen Wasserfall vor mir gut im Blick. Narutos Training hatte begonnen. Sein Eifer zu Sasuke aufzuholen spornte ihn an. Kakashis Ziel war es ihn in der Elementbeherrschung zu trainieren.

Doch zuerst sollte er in der Lage sein, sein Chakra zu kontrollieren und mithilfe von eintausend Schattendoppelgängern den Wasserfall spalten. Tag und Nacht hatte er inzwischen trainiert. Stück für Stück besserte es sich und dennoch war noch nichts passiert.

Mit teilnahmslosen Blick musterte ich Kakashi, der näher an den Uzumaki trat und ihm etwas zuzuflüstern schien. Kakashi. Er war ebenfalls daran beteiligt gewesen. Seine Zustimmung hatte es gebraucht, damit Tsunade Genma mir hinterherschickte. Warum war er nicht nachgekommen? Längst war sein Körper fit genug gewesen... All das machte mich derart wütend, dass sich für einen kurzen Moment erneut das silberne Chakra zu zeigen begann.

Mühevoll unterdrückte ich es. Sie sollten nicht sehen, dass ich verletzbar, angreifbar war. Niemals wieder würde ich Schwäche zugeben oder zeigen.

„TORA", hallte es da in meinen Ohren wider.

Im letzten Augenblick bekam ich mit wie Naruto, die Hände in den brausenden Wasserfall rammte und ihn...spaltete mit seinen tausend Doppelgängern. Unfassbar. Und für einen Augenblick fühlte ich nichts als die bloße Überraschung, den Respekt Naruto gegenüber, was er da soeben vollbracht hatte.

Doch der Moment verflog. Sobald Kakashi wieder in mein Blickfeld trat, um meinem besten Freund zu gratulieren. Innerhalb weniger Sekunden war die Stimmung wieder unter den Nullpunkt gesunken. Und ich saß da, starrte auf die Wiese, durch den Kopierninja hindurch. Er spürte meine Blicke, das erkannte ich. Aber er war schlau genug sie nicht zu erwidern.

Der Satz an der Beerdigung hatte ihn getroffen. Was auch mein Ziel gewesen war. Vielleicht erkannte er dann schneller den Fehler und die Unmöglichkeit diesen wieder zu bereinigen.

Mit dem Triumph Narutos war auch dieses Training beendet. Unbemerkt folgte ich ihnen zurück nach Hause. Naruto bis zu seiner Türe, nur um dann auf der Stelle umzukehren und ins Dorf zu laufen. Auch wenn mich jede noch so vertraute Ecke traurig stimmte, musste auch ich etwas essen.

Stumm warf ich die Nudeln in den Wagen, langte nach dem Salz und kurz darauf flog die Packung ebenfalls gen Ziel. Doch der Aufprall kam nicht. Mit zusammengekniffenen Augen drehte ich mich zu dem Übeltäter um.

Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Die Haare waren unordentlich nach hinten zusammengebunden und das Gesicht schien verkniffen. Eine steile Falte stand direkt auf der Stirn. Kommentarlos wandte ich ihm wieder den Rücken zu, griff nach dem Wagen und wollte weiterziehen. Ein Gespräch war jetzt so ziemlich das letzte wonach mir der Sinn stand.

„Wenn du so weitermachst, verlernst du noch das Sprechen, Tora", versuchte der Schwarzhaarige es mit einem Witz. Doch mir war nicht danach. Schon lange nicht mehr. Das schien der Nara auch langsam zu merken. Denn er stellte sich mir erneut in den Weg, hielt den Wagen mit dem linken Fuß auf.

Verärgert drückte ich dagegen, was ihn überrascht nach hinten taumeln ließ. Schnell hatte er sich jedoch wieder gefangen, die Augen wanderten umher. Der Laden war fast leer. Uns würde niemand stören, da brauchte Shikamaru sich keine Sorgen zu machen.

„Verdammt Tora. Es ist mir ernst. Entweder du zeigst dich kooperativ oder ich wende den Schattenbesitz an", entfuhr es ihm.

Zähneknirschend hielt ich inne. Das war das letzte was ich wollte. Festgehalten an einer Stelle. Keine Aussicht auf ein Entkommen. Und da er derjenige war, der mich in der letzten Zeit am meisten in Frieden gelassen hatte, hielt ich inne.

„Sieh dich nur an. Du bist kaum ein Schatten deiner selbst, dein Körper ist so dünn und die Augen hatten auch schon mal mehr Schlaf..."

„War's das?", fragte ich tonlos.

„Wie...?"

„Wenn du mir einen Vortrag halten willst, kannst du gleich wieder verschwinden. Also sag das was du wirklich sagen willst oder ich bin schneller weg, als dass du Raiton sagen kannst."

Er schien zu verstehen wie ernst es mir war und fuhr sich seufzend durchs dichte Haar, ehe er mit dem Sprechen ansetzte.

„Wir haben eine Mission für dich...damit du auch mal rauskommst...hier aus Konoha. Es ist eine Einzelmission und wird vermutlich länger dauern, da sich deine Zielperson nicht hier aufhält..., sondern..."

Ich nickte knapp und unterbrach ihn somit.

„Wann geht es los?"

Die Unfassbare IWhere stories live. Discover now