5. Kapitel

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Sorry - Kensington

»Ich habe eine Aufgabe für dich.«

„Was ist denn mit dir passiert?", wollte Jane mit gedämpfter Stimme wissen, als ich, völlig verschwitzt und mit müden Knochen, zu den Schlafhütten zurückkehrte. Um den Frühaufstehern nicht zu begegnen, hatte ich extra einen Umweg genommen und so gehofft, mein Fehlen würde unbemerkt bleiben. Wie sich nun jedoch herausstellte, waren die meisten Lichter bereits wach und die Schlafhütte so gut wie leer. Nur aus einer Ecke konnte ich das leise Schnarchen einer der Jungen vernehmen.

Stumm winkte ich ab, löste meinen Zopf und schüttelte meine Haare kurz aus, worauf ich träge zu meiner Hängematte schlurfte und mich, ohne meine Schuhe auszuziehen, hineinfallen ließ. Mit wachsender Erschöpfung machten sich auch die mangelnden Stunden an Schlaf bemerkbar und mir fielen die Augen zu. Meine beanspruchten Muskeln beschwerten sich nun, da ich sie endlich entlasten konnte, umso mehr.

Allerdings konnte ich meine wohlverdiente Ruhe nicht lange genießen, denn keine zwei Sekunden später spürte ich, wie sich die Hängematte bewegte und kurz darauf drückte sich etwas gegen mich. Die Augen wieder öffnend, blickte ich direkt in Janes Gesicht, die sich kurzerhand neben mich gelegt hatte. Weil die Hängematten sehr viel kleiner waren als unsere, war es nun ziemlich eng, doch trotzdem schenkte mir ihre Wärme und Nähe ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit. Ich fühlte mich ein wenig mehr zuhause.

Scheu lächelte sie mich an. „Komm schon, erzähl's mir", bat sie mich und sah mich dabei so treuherzig an, dass ich gegen meinen Willen schmunzeln musste.

„Läufertraining", antwortete ich ihr also leise und schaute noch einmal zu der anderen Seite hinüber, wo der Junge jedoch noch immer friedlich schlief.

„Minho, oi?" Jane hatte schon immer die Gabe gehabt, ihre Umgebung genau zu beobachten.

„Oi." Ich seufzte.

„Ich war nicht sicher, ob er oder ...", begann sie zögerlich und wurde von mir durch ein weiteres Seufzen unterbrochen. Ich wollte nicht, dass sie aussprach, was mir nur allzu gut bewusst war. Die Tatsache, dass auch ihr es aufgefallen war, bereitete mir einen Kloß im Hals.

„Newt ist es bei dir?", entgegnete ich stattdessen und merkte zu meiner Belustigung, wie sich ihre Wangen ein wenig röteten. Es war nicht schwer gewesen, das zu kombinieren.

„Lenk nicht vom Thema ab", beschwerte sie sich, statt auf mich einzugehen, und verpasste mir einen sanften Stoß mit ihrem Ellbogen. „Du musst aufpassen, das weißt du, oi?"

Ich erwiderte nichts, sondern ließ meinen Blick über die leeren Hängematten streifen. Die Jungen standen früh auf und arbeiteten den ganzen Tag lang. Nie sah man jemanden einfach nur entspannen und die Zeit genießen. Die Lichtung war so belebt wie ein Ameisenhaufen.

„Hör mir zu, Maggie." Jane verlieh ihren Worten dabei mehr Nachdruck. „Du kennst die Konsequenzen, wenn wir versagen sollten."

Augenverdrehend wandte ich mich ihr wieder zu. „Ja, ich-" Mitten im Satz brach ich ab, da ich von draußen Schritte vernahm, die sich der Hütte eilig näherten. Blitzschnell reagierte Jane und schloss ihre Augen, als würde sie schlafen, und ich beeilte mich, es ihr gleichzutun. Mit geschlossenen Lidern hörte ich die Tür aufschwingen und kurz darauf knarrende Holzdielen, als jemand eintrat. Gleich danach wurde es still, weil die Person stehengeblieben war.

„Ich fass es nicht." Das war unverkennbar Gallys Stimme. „Die Sonne geht schon auf und ihr liegt noch immer in den Hängematten!"

Nach zwei weiteren geräuschvollen Schritten hatte er meine Hängematte erreicht. Mit einem kräftigen Ruck zog er an der Seite der Matte und sorgte so dafür, dass wir unter einem lauten Aufschrei auf den Boden polterten. Ein weiteres Poltern verriet mir, dass auch der Junge in der Ecke dadurch geweckt worden war.

Stöhnend drückte ich Jane weg, die auf mir gelandet war und ihre Schulter direkt in meinen Brustkorb gerammt hatte, während ihr Ellbogen sich in die Magengegend bohrte, als sie sich aufzurappeln versuchte.

„Bist du bescheuert, Gally?", grummelte ich, suchte mit der Hand nach etwas, um mich daran hochzuziehen und erwischte dabei unglücklicherweise die Hängematte, welche sich unter meinem Gewicht zur Seite bewegte und mich erneut hinfallen ließ. Meine ohnehin schon schmerzenden Muskeln rebellierten empört, während Gally zu lachen begann. Dann reichte er mir eine Hand, immer noch in sich hineinlachend, und zog mich schwungvoll hoch. Er ließ mich jedoch nicht los, sondern schleifte mich mit sich in Richtung Tür.

„Auf geht's", meinte er zu mir, seine Augen funkelten belustigt, während sein Blick kurz über meinen gesamten Körper streifte. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte ich zu sehen, dass er verwirrt die Stirn runzelte, doch es war so schnell wieder vorbei, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es mir nicht vielleicht eingebildet hatte. Entschuldigend sah ich mich noch einmal zu Jane um, die verloren alleine an der Hängematte stand, auf ihrer Lippe herumkaute und an ihrem Armband herumspielte.

„Bis nachher", war alles, was ich noch sagen konnte, bevor ich von Gally hinausgezogen wurde.

Es war mir nicht bewusst gewesen, dass schon so viel Zeit vergangen war, doch nun, wo ich ins Freie trat, sah ich, dass die Sonne tatsächlich aufgegangen war und den von Mauern umgrenzten Bereich in ein warmes Licht tauchte. Die Tore waren bereits geöffnet und die Läufer schon lange in den Tiefen des Labyrinths. Minho musste nach unserem nächtlichen Ausflug direkt losgelaufen sein. Einen Moment lang fühlte ich mich schuldig. Wenn ich schon erschöpft war, wie musste es Minho gehen, dessen Aufgabe es schließlich war, den Tag über zu rennen?

„Schläft es sich gut in Schuhen?", wollte Gally mit einem Mal wissen und wirbelte herum, sodass ich erschrocken zusammenzuckte und beinah in ihn hineingelaufen wäre. Sein Gesicht hatte all die Belustigung verloren, die ich noch kurz zuvor entdecken hatte können und seine Miene war todernst. Perplex öffnete ich den Mund zu einer Antwort, schloss ihn dann jedoch wieder, zu überfordert mit der Situation.

„Ja, danke", murmelte ich schließlich und räusperte mich. Er zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe.

„Maggie", seine Stimme wurde etwas sanfter, „du hältst mich für dumm, oder? Jetzt komm schon, sag mir die Wahrheit."

Ich zögerte und blies mir eine in die Augen gefallene Locke aus dem Gesicht. Eigentlich hätte ich es ihm auch sagen können. Schließlich hatte ich diese Nacht nichts Verbotenes getan, sondern war sogar wegen einer der Lichter aufgestanden, und doch hätte es sich falsch angefühlt, ihm etwas davon zu erzählen. Ich hatte das Gefühl, dass dieses nächtliche Rennen etwas war, das zwischen mir und Minho bleiben sollte.

„Hab sie vergessen auszuziehen", nuschelte ich also undeutlich und wandte mich zum Gehen. Ich wusste selbst nicht, was mein Ziel war, weil niemand mir bisher eine feste Arbeit zugeteilt hatte, aber Hauptsache weg von Gally und seiner ewigen Fragerei. Er griff jedoch nach meinem Handgelenk und hielt mich fest.

„Wie soll ich denn damit beginnen, dir zu vertrauen, wenn du mich immer wieder anlügst?", fragte er mich anklagend und ich hörte ehrliche Betroffenheit in seiner Stimme. Kurz schloss ich die Augen, um mich ein wenig zu sammeln. Er tat mir leid und wären die Umstände andere gewesen, hätte ich ihm bestimmt mehr verraten. So jedoch musste ich stark bleiben.

„Gally, wir kennen uns keine Woche lang. Vielleicht solltest du einfach akzeptieren, dass ich dir manche Sachen nicht erzähle." Noch einmal wandte ich mich zum Gehen und diesmal hielt er mich nicht davon ab.

The WCKD Game • Running Nights || minho; tmrWhere stories live. Discover now