12. Kapitel

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Don't Let Me Down – Conor Maynard

»Man kennt ihn unter dem Namen Minho.«

„Gally?", wisperte ich leise, als ich die letzten Sprossen der Leiter, die zum Aussichtsturm führten, nach oben kletterte. Er saß schon dort, genau, wie ich in der Nacht zuvor da gesessen hatte, am Rand und mit nach unten baumelnden Beinen. Er sah auf, sagte jedoch nichts, als ich mich neben ihm niederließ und mit den Händen die Kanten der Plattform umfasste. Meine Beine ließ ich in der kühlen Nachtluft frei hin und her schwingen. Eine Weile saßen wir einfach schweigend da, während ich dem seltsamen Lied der Grillen lauschte.

„Maggie", erhob Gally schließlich seine raue Stimme, die mich an das Kratzen eines Streichholzes an der Außenseite der Verpackung erinnerte.

Stur ließ ich meinen Blick weiter über die Lichtung schweifen. „Ja?"

Ich wusste noch immer nicht, was ich ihm sagen würde. Zwar hatte ich die ganze Nacht kein Auge deswegen zumachen können, aber eine befriedigende Antwort war mir dennoch nicht eingefallen. Ein leichter Wind ließ die Grashalme der Lichtung wie ein grünes Meer wirken.

„Du wirst es mir nicht sagen, oder?" Seltsamerweise schwang in seiner Stimme diesmal keine Verärgerung mit. Es war schlicht und ergreifend eine Feststellung von ihm gewesen, auch wenn er es wie eine Frage hatte klingen lassen. Daher hielt ich es für unnötig, ihm zu antworten.

„Du vertraust mir also noch immer nicht genug", stellte er dann, ein wenig niedergeschlagen, fest. Ich musste schlucken. Ein plötzlicher Schmerz machte sich in meiner Brust breit, der rein gar nichts mit meiner körperlichen Verfassung zu tun hatte.

„Doch", flüsterte ich also, so leise, dass ich kurzzeitig glaubte, er hätte es nicht gehört. Dann jedoch sah er auf und blickte mir in die Augen. „Ich vertraue dir", fuhr ich fort. „Es gibt nur ..." Und mit einem Mal konnte ich die Tränen nicht länger aufhalten. Zielstrebig kullerten sie meine Wangen hinunter und ich blinzelte wütend, um sie zu vertreiben. Es half nichts.

„Es-", begann ich noch einmal, wurde jedoch sofort durch mein eigenes Schluchzen unterbrochen.

Ich kannte nicht einmal den genauen Grund dafür. Vielleicht, weil mir Minhos Gesicht in den Sinn kam und der Moment, als er seinen Mundwinkel glücklich nach oben gezogen hatte, während ich ihm eine Lüge aufgetischt hatte. Vielleicht, weil ich nun Gallys Gesicht vor mir hatte und mich an seine traurige Miene erinnerte, als ich das Labyrinth heute morgen betreten hatte, als würde ich mich dadurch von ihm entfernen. Vielleicht aber auch, weil ich mich schuldig fühlte, mich in der Nacht hierher geschlichen zu haben, auch wenn ich friedlich in meiner Hängematte schlafen sollte und damit nicht nur mich selbst enttäuscht, sondern auch alle anderen verraten hatte.

Etwas überfordert öffnete Gally den Mund, um etwas zu sagen, besann sich dann jedoch eines Besseren und schloss seine Arme um mich, worauf er mich an sich drückte. „Shht", murmelte er leise, „ist schon gut."

Schluchzend vergrub ich meinen Kopf in seiner Schulter. Ich konnte nicht verhindern, dass seine Geste etwas in mir auslöste. Das Gefühl, dass es wenigstens eine Person in diesem Universum gab, die sich um mich sorgte, während es allen anderen egal war, wie es mir ging. Ich konnte nicht sagen, wie lange wir so verharrten, doch irgendwann hatte ich mich ein wenig beruhigt und begriff plötzlich, was ich tat.

Eine furchtbare Angst überkam mich, als hätte mir jemand einen eiskalten Eimer Wasser über den Kopf geschüttet. So sehr, dass mein Körper für einen Moment wie gelähmt war. Starr wurden mir seine starken Arme deutlich bewusst, die mich hielten und der leichte Geruch nach Holz, der ihn immer von seiner Arbeit als Baumeister umgab, welcher mich nun allerdings nicht mehr beruhigte, sondern in Panik versetzte.

The WCKD Game • Running Nights || minho; tmrOnde histórias criam vida. Descubra agora