8. Kapitel

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Run Jasmine Thompson

»Ich erwarte nicht von dir, dass du das jetzt schon verstehst, aber irgendwann wirst du es.«

Es war eine der dunklen Nächte nach Neumond, als das geschah, was ich schon lange herbeigesehnt hatte.

Ich hatte schon fast die Hälfte der Lichtung in meiner zum Alltag gewordenen Route umrundet, als ich hinter mir Schritte hörte, deren Rhythmus schneller waren als meine eigenen. Erschrocken wurde ich langsamer, drehte mich um und erkannte eine dunkle Gestalt hinter mir, die sich schnell näherte. Kurz darauf hatte er mich eingeholt. Im spärlichen Licht der Nacht erkannte ich ihn erst, als er unmittelbar neben mir war.

„Das ist schon alles?", grinste Minho, welcher nur zu gut mit meinem Tempo mithalten konnte. „Da geht doch noch was."

Ihm einen kurzen Seitenblick zuwerfend holte ich tief Luft, spannte die Muskeln an und schoss in dem Moment, in dem er es am wenigsten erwartete, mit einem kraftvollen Sprint los.

„Woha!", hörte ich ihn hinter mir überrascht ausrufen. Das war der Augenblick, auf den ich mich in den letzten Wochen nachts vorbereitet hatte. Ein triumphierendes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, als ich wie ein geölter Blitz aus dem Wald, der uns vorher umfangen hatte, hinausstob und nicht einmal daran dachte, meine Geschwindigkeit zu drosseln.

Es war, als hätte ich etwas in Minho aufgeweckt. Plötzlich hörte ich starke Schritte hinter mir und nahm aus dem Augenwinkel war, dass sich der Schwarzhaarige ins Zeug legte, wieder zu mir aufzuholen: Doch das konnte ich auch. Ich hatte nicht vor, ihn einfach so gewinnen zu lassen.

Zielstrebig konzentrierte ich mich auf meine Atmung, weil meine Lunge diejenige war, die sich normalerweise nach der kürzesten Zeit beschwerte. Der Schweiß perlte schon bald auf meiner Stirn und ließ meine Haare unangenehm an meinem Gesicht kleben.

Minho blieb mir hartnäckig auf den Fersen. Bei einem raschen Schulterblick fand ich heraus, dass uns nur einige Zentimeter von einander trennten. Der Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen war ernst und fokussiert, was mir verriet, dass er dieses Mal keinen Spaß machte. Er würde mit aller Kraft versuchen, mich zu schlagen. Diese Erkenntnis spornte mich jedoch nur noch mehr an und mit Rekordtempo kämpfte ich mich immer weiter. Weniger als eine Seite der quadratischen Lichtung trennten mich noch vom Ziel.

Das schien auch Minho aufgefallen zu sein, denn er legte sich mit neuer Energie ins Zeug und überholte mich. Meine Augen zusammenkneifend fokussierte ich mich auf seinen Rücken und das regelmäßige Keuchen meines Atems, sammelte Kräfte, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten und stellte mir gleichzeitig vor, hinter mir befände sich ein Kreischer, vor dem ich wegrannte. Das gab meinem Körper einen neuen Ansporn und ich lehnte mich nach vorne, während ich wütend immer stärkere Schritte machte und mich immer mehr vom Boden abstieß. Hitze erfüllte meinen Körper, obwohl die Nacht recht kalt war.

Wie der Wind fegten wir über das leicht unebene Gras, doch ich dachte nicht einmal ans Stolpern. Alles was zählte, war der immer näher kommende Endpunkt unseres Wettlaufs und mein Wille, den asiatischen Jungen zu überholen.

Durch meinen Kopf schossen die spöttischen Kommentare, die er beim letzten Mal abgegeben hatte, als er mich besiegt hatte, und ich schwor mir, das nicht noch einmal zuzulassen. Diesmal würde ich diejenige sein, die zuletzt lachte.

Mit Schrecken erkannte ich jene bestimmte Efeuranke, die ich mir im Laufe der Zeit als meinen Startpunkt auserwählt hatte. Noch immer war Minho kurz vor mir. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten, zwang meine Beine zu laufen und presste die Zähne gewaltvoll aufeinander. Verschwunden waren die Überlegungen über meine Atmung. Einzig und allein mein Ziel sah ich vor Augen und nur diesen einen Gedanken: Ich musste schneller sein.

The WCKD Game • Running Nights || minho; tmrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt