7. Kapitel

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Brown Eyes, Brown Hair - Caleb Hearn

»Du wurdest auserwählt, Maggie, auserwählt, etwas Größerem zu dienen.«

Alby führte Jane und mich bis zu den Mauern, an denen ich noch kurz zuvor entlang gerannt war. Ich wusste nicht, ob ihm aufgefallen war, dass ich nicht geschlafen hatte, oder dass ich völlig fertig wirkte, aber wenn es so war, sagte er nichts dazu. In der Nähe des Südtors blieb er letztendlich stehen und drehte sich zu uns um. Die Fackel in seiner Hand erleuchtete die Umgebung spärlich und ließ unsere Schatten an der Mauer tanzen.

„Ich habe euch nicht ohne Grund hierher geführt" begann er und legte eine kurze Pause ein, um erst Jane und dann mich in aller Ruhe zu mustern. „In den letzten Tagen habt ihr gezeigt, dass ihr euch in das Leben der Lichtung gut einfügen könnt, wenn auch mit einigen anfänglichen Schwierigkeiten." Er schenkte mir einen mahnenden Seitenblick und ich errötete, weil ich mich für mein Verhalten an diesem Morgen schämte.

„Deswegen wird es Zeit, dass ihr zu wirklichen Lichtern werdet", meinte er weiter und zog gleichzeitig ein Messer, das an seinem Gürtel befestigt gewesen war, hervor. Jane wich mit fahlem Gesicht zurück und auch ich musste mich dazu zwingen, mich nicht zu bewegen. Kurz zögerte er, sah uns beide mit ungläubig gerunzelter Stirn skeptisch an, doch drehte dann die Schneide in der Hand herum, sodass der Messergriff in unsere Richtung deutete und reichte Jane die Waffe. Er zeigte auf die Wand hinter sich.

„Dort stehen die Namen aller, die auf diese Lichtung gekommen sind." Erst jetzt, als er darauf hingewiesen hatte, erkannte auch ich die feinen Kerben im Gestein, welche der Hand einer ganzer Menge Jungen entsprungen war, die ihre Namen hier verewigt hatten. Am unteren Rand, wo wohl die ältesten Namen stehen mussten, hatte sich bereits der Efeu breitgemacht und die Schrift fast unleserlich gemacht. Sofort stach mir das krakelige 'Gally' ins Auge und weiter rechts davon, nicht weniger unordentlich, 'Minho'. Viele kamen mir nicht bekannt vor und einige von ihnen waren durchgestrichen, was mich schwer schlucken ließ. Ich konnte mir denken, was mit diesen Jungen passiert war.

„Das ist unser Zeichen des Zusammenhalts", erläuterte Alby und fuhr bedächtig einige der Namen nach. „Und ihr", wandte er sich dann wieder an Jane und mich, „solltet diesen Rat beherzigen." Er blickte von mir zu ihr. „Was auch immer es ist, wir alle werden einander brauchen."

Ein Bauchgefühl sagte mir, dass er dabei vor allem auf Jane und mich anspielte.

Zögerlich schritt die Blonde nach vorne und strich sanft mit der Fingerspitzen über den efeubewachsenen Stein. Dann hob sie fast ruckartig ihre Hand und begann, ihren eignen Namen an das linke Ende des seltsamen Kunstwerkes zu setzen. Mehrmals rutschte sie dabei ab und sorgte so dafür, dass auch ihr Name eher krakelig aussah, bevor sie das Messer an mich weitergab, mir dabei aber nicht in die Augen sah, sondern mit dem Blick weiterhin über die Wand glitt. Auch ich betrachtete voll Ehrfurcht die Namen und legte dabei besonderen Wert auf die schon durchgestrichen. Immer wieder wiederholte ich sie in meinem Kopf, bis sie sich eingeprägt hatten. Ich wollte nicht, dass diese Menschen vergessen wurden und versuchte ihnen so meinen Respekt zu zollen.

Dann trat ich noch näher heran, setze das Messer einige Zentimeter unter Janes Namen an und begann bedächtig, die Buchstaben durch meine Hand zu formen. Es gelang mir nicht viel besser als der Blonden zuvor, des Öfteren rutschte ich ab und musste die Klinge neu ansetzen, doch letztendlich stand mein Name unter ihrem und sorgte dafür, dass man weder sie noch mich jemals hier vergessen würde.

Möglicherweise, schoss es mir in den Kopf, würden sie unsere Namen unleserlich machen, wenn die Bombe irgendwann platzte und sie den Grund unseres Daseins erfahren würden. Möglicherweise würden sie sich wünschen, sie hätten uns nie gekannt. Ich fürchtete mich schon jetzt vor diesem Moment.

The WCKD Game • Running Nights || minho; tmrWhere stories live. Discover now