Kapitel 4

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Die silberne Drachin betrat die Senke und legte das Reh in die Mitte des Platzes, dessen Boden aus Felsgestein war. Die Krallen, die seit unzähligen Jahren auf dem glatten Stein lagen, hatten tiefe Rillen in den Fels geschlagen.

Das Kaninchen brachte sie zu Heather in eine kleine Höhle, die Black und sie sich teilten. Die etwas ältere, rosa-silberne Drachin war sehr erfreut über die Beute. Skyla fügte hinzu: "Draußen liegt noch ein Reh, das kannst du dir mit Black teilen. Ihr braucht etwas zu Essen." Heather nickte dankbar, erwiderte aber: "Du, Scorpia und Dark, ihr braucht auch was. Ihr habt seit Tagen nichts bekommen." Als Heather anfing, langsam an dem Säuger zu nagen, deutete Skyla dies als Zeichen der Entlassung und kroch rückwärts aus der Höhle

Sie humpelte immer noch leicht als sie über den Platz trottete, um ihre Rückkehr zu melden, trotzdem erwähnte sie gegenüber ihrer Mutter Scorpia, die die Stammesanführerin war, die Begegnung mit Onyx nicht. Skyla war sich sicher, dass es die schwarz-weiße Drachin sowieso nicht bemerken würde, denn die Anführerin war fast immer beschäftigt und hatte sehr selten Zeit für ihre Tochter.  Als sie Scorpia gerade fragen wollte, ob sie eine Jagdtruppe anführen sollte, die an der westlichen Seite zudem noch die Grenzen überprüfen könnte, hörte sie das Raschen von Schuppen. Sie drehte sich um und sah einen mittelgroßen, schlanken Drachen auf sie zulaufen.

Skyla setzte sich hin und fing an, sich die Wunde an der Flanke zu säubern. Die junge Drachin, die auf sie zusteuerte, war dunkelgrau, fast schwarz und ihre ledernen Flügel hatten eine intensive, violette Färbung. Ihre lilafarbenen Augen mit der hellen Pupille blickten sie fröhlich an. "Hast du das Reh mitgebracht?", fragte die Graue ohne irgenwelche Förmlichkeiten.

Die silberne Drachin begrüßte sie müde. "Evil, schön dich zu sehen. Ja. Das war ich. Ich war heute bei Sonnenaufgang am Windfelsen und habe dort in der Nähe jemanden getroffen." Evil, deren Name nicht ganz zu ihrem Gemüt passte, wie Skyla fand, blickte sie verwundert an.  Sie umrundete die große Drachin und schnupperte an den frischen Krallenspuren, die sich über Skylas linke Flanke zogen. Als die Dunkle mit ihrer Begutachtung fertig war, schaute sie der silbernen Drachin tief in die türkisblauen Augen.

"Wen hast du da getroffen?", fragte Evil. Sie schaute auf Skylas Schnauze, beugte sich nach vorne und schleckte ihr einmal über die Wunde, die Onyx ihr hinterlassen hatte. Die Silberne betrachtete dies als eine Tat der Hilfsbereitschaft, denn es war so etwas wie eine Tradition bei ihnen im Stamm, sich als Pakt der Freunschaft einmal über die Nase zu lecken. Außerdem war Drachenspeichel sehr gut, um Wunden vor Infektionen zu schützen.

"Danke", murmelte Skyla. Dann stand sie auf und schüttelte sich. "Wollen wir mal raus in den Wald gehen? Dann kann ich dir erzählen, was passiert ist." Evil stimmte zu und sie stellte sich neben die große, silberne Drachin. Zusammen liefen sie über den weiten Platz. Die Beiden steuerten auf einen schmalen Felssims zu, der sich am Rande der Senke nach oben wand.

Evil, die nur wenige Monate jünger war als Skyla, ließ dieser den Vortritt und ein paar Augenblicke später rannten die Drachinnen ausgelassen durch den Wald. Die Silberne musste sich stetig ducken, während Evil nur den Baumstämmen ausweichen musste. Da die graue Drachin Skyla folgte, musste diese den Weg bestimmen.

 Ihre Beine trugen sie unbewusst zu einem ihrer Lieblingsorte ihres Territoriums, ein hoher Hügel, auf dem in einigem Abstand mehrere, riesige Felshaufen verteilt waren. Zwischen den großen Steinen gab es viele kleine Höhlen, in denen kleinere Tiere ihr Zuhause hatten. Doch eine der Felsspalten war groß genug, dass sie platz für zwei ausgewachsene Drachen bot.

Evil betrat den Hohlraum zuerst und legte sich auf eines der Moospolster, die Skyla vor einiger Zeit hierhin gebracht hatte. Die Silberne wunderte sich, dass Evil so vertraut mit dieser Umgebung war, denn die Beiden waren vorher noch nie gemeinsam hier gewesen. Doch Skyla erwähnte es ihrer Freundin gegenüber nicht, sondern machte es sich auf einer Matte an der gegenüberliegenden Wand bequem. 

"Also", unterbrach Evil die Stille, die sich in der Höhle verbreitet hatte "was ist bei den Windfelsen passiert?"

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Dragonhearted - die sechs KristalleWhere stories live. Discover now