Kapitel 5

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Skyla seufzte und fing an zu erzählen, auf wen sie an den Felsen getroffen war. Als sie erwähnte, dass Onyx' Territorium nicht weit von ihrer Grenze entfernt war, keuchte Evil erstaunt auf. "Das habe ich auch gedacht. Und als ich ihn gefragt habe, wo ungefähr denn das Lager des Blutstammes wäre, wurde er wütend und hat mich gekratzt.", berichtete die silberne Drachin und lachte trocken. "Dann hab ich das Kaninchen genommen und bin gegangen.", beendete sie die Erzählung. 

Daraufhin folgerte Evil: "Das heißt entweder, dass Onyx' Stamm sehr verwundbar ist, oder-" Skyla unterbrach sie verwundert. "Du willst den Blutstamm doch nicht etwa angreifen, oder? Scorpia hat uns ausdrücklich befohlen, jeglichen Problemen aus dem Weg zu gehen. Das kann doch nicht dein Ernst sein!" Die dunkle Drachin schüttelte den schmalen Kopf. "Natürlich nicht. Ich bin nicht so ein Kämpfer. Du weißt doch: Große Klappe, aber nix im Hirn." 

Die Silberne kicherte auf ihre ruhige Art und hauchte eine kleine Wolke in die kalte Luft. Nun, da sie fertig war mit erzählen, fing sie an, sich das letzte bisschen des jetzt schon getrockneten Blutes von den Krallen zu lecken. Die kurze Säuberung, nachdem sie das Reh erlegt hatte, war nicht gerade ordentlich gewesen.

Evil sah dies als eine Aufforderung, von ihren Erlebnissen zu erzählen. Sie begann: "Ich habe nur ganz vage mitbekommen, wie du aufgestanden bist. Muss relativ früh gewesen sein; ich glaube, dass die Sonne zu dieser Zeit noch nicht mal ganz aufgegangen war, stimmt's?" Als Skyla zustimmte, fuhr sie fröhlich vor sich herplappernd fort: "Ich bin noch liegen geblieben, denn ich war gestern Abend, relativ spät, noch mal draußen und hab' einen kleinen Rundflug gemacht. Bin natürlich nicht über die Grenze geflogen. Ich meine, wer macht den sowas? Auf jeden Fall finde ich es schön, nachts den Mond anzuschauen. Gestern war er richtig groß."

 Ihre Augen weiteten sich voller freudiger Erinnerungen. "Ich war sehr lange noch wach, deswegen bin ich erst kurz bevor die Sonne direkt über unserer Senke war, aufgestanden. Ich hab mitbekommen, dass Black und Heather sich schon wieder gestritten haben. Er hat doch tatsächlich gesagt, er könnte für sie beide sorgen! Dabei tut ihm doch selbst alles weh!" Evil schnaubte belustigt auf. "Du musst unbedingt mal mit Scorpia darüber reden. Sie wird dir wohl zuhören, ist ja schließlich deine Mutter." 

"Sie hört mir wahrscheinlich weniger zu als dir. Scorpia beachtet mich eigentlich gar nicht.", flüsterte Skyla mit gesenktem Kopf. Evil sollte ihre Enttäuschung nicht sehen.

Ihr Gegenüber stieß überrascht und empört kleine Rauchwölkchen aus den Nüstern. Sie fragte: "Und dich stört das gar nicht?" Daraufhin antwortete die Silberne nur frustriert: "Ich hab mich dran gewöhnt." 

Skyla erhob sich und kletterte auf die Spitze des Felsens, in dem die Höhle war. Die Wand fiel mindestens fünf Wolfslängen steil nach unten. Als ihre Freundin aus der Höhle trat, schimmerte die tiefstehende Nachmittagssonne auf ihren dunkelgrauen Schuppen. Im Dämmerlicht funkelten sie ein wenig violett. 

Die besagte Drachin schaute über sich, hoch zu Skyla. Die dunkle, schlanke Drachin schwang sich elegant in die Lüfte und landete wenige Augenblicke später neben der Silbernen. Skyla kniff die Augen zusammen. Bis jetzt hatte sie probiert, die Ignoranz ihrer Mutter in den Hinterkopf zu schieben, und bis jetzt hatte es auch einigermaßen gut funktioniert. Doch nun, da sie jemandem hatte, mit dem sie reden konnte, überfluteten sie die Gedanken. 

Mit vor stillem Schmerz verzerrtem Gesicht streckte Skyla ihre Schnauze in die kalte Winterbrise. Die kühle Luft beruhigte sie, und sie atmete einmal tief ein und aus. Sie blickte gen Sonne. Der große Feuerball verschwand gerade hinter den Baumwipfeln. 

Als hätte Evil ihre Gedanken erraten, ergriff die schmale Drachin das Wort. "Wir sollten uns wieder auf den Weg zurück in die Senke machen. Dark wartet bestimmt schon auf uns." Skyla konnte ihr nur rechtgeben. Der Vater der Silbernen machte sich immer viel zu viele Sorgen um seine Tochter. Doch auch zwischen den Beiden gab es keine persönliche Verbindung, sondern es fühlte sich für Skyla nur nach der Fürsorge eines anderen, nicht zur Familie gehörenden Stammesmitgliedes an. 

Die große, silberne Drachin richtete sich auf und streckte ihre riesigen Schwingen. Seite an Seite schraubten sich die Freundinnen in den wolkenlosen Himmel, eine schlanke, dunkle Echse neben einer größeren, stämmigen Silbernen (stämmig = Statur eines Shirehorse xD)


(712 Wörter)

Dragonhearted - die sechs KristalleWhere stories live. Discover now