Kapitel 10

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In einem ruhigen Tempo liefen Skyla und Evil durch den kahlen Wald. Die blattlosen Äste knackten unter dem Gewicht des Schnees. Sie erreichten nach einiger Zeit die Windfelsen, wo die Silberne vor einigen Tagen auf Onyx getroffen war. Mit einem abfälligen Schnauben erinnerte sie sich an das Aufeinandertreffen mit dem hochnäsigen weißen Drachen. Nur wegen ihm wusste sie nun von den anderen Stämmen und den alten Völkern, und nur wegen ihm zogen sie nun los, um die Kristalle zu suchen.

Misstrauisch schaute Skyla sich um. Der Geruch von Onyx hing noch leicht in der Luft. "Merk dir diesen Geruch. Dann können wir das Territorium des Blutstammes vielleicht umgehen und hoffentlich ohne Probleme zu den Heilern kommen.", murmelte sie. Evil nickte und die Beiden führten ihre Reise nach Norden fort. Kurz nachdem sie die Windfelsen hinter sich gelassen hatten, bemerkte die Silberne schon die Duftmarkierungen an einer Eiche. Auch Evil schien es gemerkt zu haben und stellte leise fest: "Hier ist die Grenze. Das Lager muss auch irgendwo in der Nähe sein." "Es ist aber nicht Onyx' Geruch. Der hier riecht irgendwie...anders.", flüsterte Skyla konzentriert.

Doch bevor sie sich weiter damit befassen konnten, raschelte das Dickicht und sie konnte einen Blick auf eine zusammengekauerte, grau-rote Gestalt werfen. Die dunkelgraue Drachin neben ihr zuckte nervös, aber kampfbereit mit den Ohren und fuhr die Krallen aus. Aber Skyla bedeutete ihr mit einem unauffälligen Schwanzschnippen zu warten. Die Gestalt schien die Drachinnen noch nicht bemerkt zu haben, denn noch immer hockte sie im Gebüsch. Deshalb konnte sich Skyla Zeit lassen und zog tief die kalte Winterluft ein. Ganz klar, dies war der Geruch, den sie an der Eiche wahrgenommen hatte. Langsam schritt die Silberne auf die grau-rote Drachin zu. Skyla versuchte, ihr Gegenüber nicht zu erschrecken, deshalb bemühte sie sich nicht damit, unentdeckt zu bleiben. Absichtlich streifte sie mit ihrem Flügel einen Baumstamm und endlich blickte die Graue auf. Erschrocken fuhr diese zurück, doch im nächsten Moment sammelte sie sich wieder und fuhr verteidigend die Krallen aus. "Wer seid ihr?", fragte sie misstrauisch. Obwohl sie versuchte gefährlich zu wirken, konnte Skyla die Angst und Verwirrung in ihrer Stimme erkennen.

 Mit einem weiteren Schwanzschnippen forderte die silberne Drachin ihre Freundin auf, neben sie zu treten. Evil stellte sich neben Skyla und beantwortete die Frage der Anderen. "Das hier ist Skyla", sagte sie und deutete auf die Echse neben sich "und ich heiße Evil. Wir kommen aus dem Funkenstamm. Kennst du zufällig einen gewissen Onyx?" Verwundert erwiderte die Graue: "Ja, ich kenne Onyx. Er ist mein Vater. Was wollt ihr von ihm und woher kennt ihr ihn überhaupt?" Überrascht schauten sich die Freundinnen an. Dann beantwortete Skyla ihre Frage. "Vor ein paar Tagen habe ich deinen Vater an den Windfelsen getroffen, die Felsen dahinten." Sie deutete mit einem Flügel vage in die Richtung. "Und jetzt wollen wir eigentlich nur weiter in den Norden ziehen. Aber da wir ja jetzt schon dich, jemanden aus dem Blutstamm getroffen haben, würden wir gerne mit dem Führer reden. Kannst du uns zu Onyx bringen?"

Die junge Drachin zögerte kurz, doch dann nickte sie. "Folgt mir bitte." Sie drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen. Zweifelnd blickte Evil Skyla an, aber diese schritt zuversichtlich hinter der Grauen her. Die Fremde führte sie durch einen dichten Wald mit vielen Büschen, und mehrere Male hätte sich die Silberne fast den Kopf an einem herunterhängenden Ast gestoßen, wenn ihre Freundin sie nicht rechtzeitig gewarnt hätte. Wie soll man denn hier jagen? Onyx ist ja noch ein Stück größer als ich!  Mit diesem Gedanken im Kopf stolperte sie ungeschickt durch den Wald, während Evil, die nicht so große Probleme damit hatte, relativ elegant zwischen den Bäumen hindurchglitt. "Komm schon!", forderte sie Skyla belustigt auf. Die große Drachin seufzte gespielt genervt und sie setzten ihren Weg fort. 

Nach kurzer Zeit blieb die junge Graue stehen und Evil wäre fast in sie hineingelaufen, da die dunkel Drachin in der Gegend herumstarrte und nicht darauf achtete, was vor ihr passierte. Die Drei standen am Rand einer kleinen Lichtung. An der gegenüberliegenden Seite ragte eine steile Felswand in die Höhe, und die waldfreie Fläche war abgegrenzt mit dichten Dornenbüschen. Die graue Drachin, die die ganze Zeit recht nervös gewesen war, entspannte sich sichtlich, als sie die Lichtung betraten. Eine orangene Drachin lag in einer der Höhlen, die in die Felswand eingelassen waren, und sonnte sich. Als sie die Neuankömmlinge bemerkte, kniff sie misstrauisch die Augen zusammen und erhob sich. Anmutig sprang sie auf den Boden und stellte sich mit angelegten Ohren vor Skyla und Evil. "Scolly, wer sind die Beiden?", fragte sie. Daraufhin antwortete die Graue, die anscheinend den Namen Scolly trug: "Mum, dass sind Skyla und...ähh..Evil aus dem Funkenstamm südlich von uns. Sie möchten Dad sprechen." 

Mit kühler Stimme erwiderte Scollys Mutter: "Nun gut, Skyla und Evil, mein Name ist Arkady, und ich bin die Gefährtin von Onyx. Und ihr seid soeben ohne Erlaubnis in unser Territorium eingedrungen. Eigentlich-" "Wir sind nicht unbefugt in euer Territorium eingedrungen, wie du es sagst!", rief Evil empört. Skyla fügte ruhig hinzu: "Wir haben von unserer Seite der Grenze Scolly gesehen und sie gefragt, ob sie uns zu euch führen kann. Wenn sie abgelehnt hätte, wären wir nicht gekommen." "Nun gut", sagte Arkady wieder. "Onyx ist aber leider nicht da. Er ist Jagen." Sie schien sich in der Anwesenheit zweier starken Krieger unwohl zu fühlen. Auch Skyla hatte dies bemerkt und beruhigte sie. "Wir werden schon nicht angreifen. Vertrau uns." 

Scolly hatte sich während ihrer Unterhaltung von den Drachinnen entfernt und nun schleppte sie ein saftiges Wildschwein an. Sie legte es in die Mitte und schaute ihre Mutter erwartungsvoll an. Arkady blickte zu der Beute, die vor ihr lag. Mit einem warmen, stolzen Blick murmelte sie: "Danke dir, Scolly." Die junge graue Drachin wandte sich wieder ab und legte sich etwas abseits an einen sonnigen Fleck. 

Doch bevor einer der Drei ein Gespräch anfangen konnte, knackten die Äste vor der Lichtung und ein kleiner, feuerfarbener Drache betrat die Fläche. Hinter ihm konnte man eine große, muskulöse Gestalt sehen. Diese trat nach vorne ins Licht. Die Sonnenstrahlen reflektierten sich auf den großen, weißen Schuppen und die goldenen Hörner leuchteten regelrecht. 

"So sieht man sich wieder, Skyla."


(1039 Wörter) 

Dragonhearted - die sechs KristalleWhere stories live. Discover now