3 - Das Treffen

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Zu leugnen, dass ich nicht nervös bin, wäre gelogen. Ich habe das Gefühl, jeden Moment in mir zusammenzufallen und in einem Meer aus Aufregung und Angst zu ertrinken. Jeder Atemzug beschleunigt meinen Herzschlag und raubt mir ein bisschen mehr den Verstand.

Ich treffe mich mit Blake Archer. Vorausgesetzt, dass er überhaupt kommt.

Alle zwei Sekunden fällt mein Blick auf die Turmuhr der Kirche, doch die Zeiger scheinen sich nicht zu bewegen. 15:03 Uhr. Was soll ich bloß machen, wenn ich gleich kein Wort über die Lippen bringe oder noch viel schlimmer nur am Stottern bin?

15:04 Uhr. Ist das nur ein blöder Scherz? So langsam glaube ich, dass Blake gar nicht erscheinen wird. Bestimmt hat er sich irgendwo versteckt und macht sich über meine Naivität lustig.

„Wartest du schon lange auf mich?", ertönt um 15:07 Uhr eine raue Stimme neben meinem Ohr, die mich zusammenzucken lässt. Er ist tatsächlich gekommen. Blake ist hier. Vor lauter Überraschung vergesse ich beinahe auf seine Frage zu antworten.

„Nein nein, alles gut", lächele ich schüchtern und schaue zum ersten Mal in Blakes Augen. Die blaue Farbe leuchtet im Sonnenlicht und erinnert mich an den Ozean. Vielleicht hat Blake keinen schönen Charakter, aber dafür hat er verdammt tolle Augen.

„Wollen wir reingehen?" Ich bringe nicht mehr als ein Nicken zustande. Es erscheint mir immer noch unreal, dass Blake Archer mit mir - einem nahezu unsichtbaren Mädchen - Eis essen geht.

„Also, wie heißt du noch gleich?", wendet sich der Blondhaarige an mich, als wir uns an einem Tisch niederlassen. Im ersten Moment bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden habe, doch sein fragender Ausdruck verrät mir, dass ich mich nicht verhört habe. Er hat nach meinem Namen gefragt. Schon wieder. „Lucy", presse ich betont freundlich hervor. „Und wie heißt du noch gleich?"

Was er kann, kann ich schon lange.

Blake schaut mich kurz prüfend an, aber grinst schließlich, als sich auf meinen Lippen der Anflug eines Lächelns andeutet. „Wow, dein Selbstbewusstsein wächst echt schnell", sagt er und fährt sich mit der Hand durch die Haare. „Du scheinst von dem Besten - also mir - zu lernen." Statt ein arrogantes Lachen in seinem Gesicht vorzufinden, sehe ich bloß einen Jungen, der mich nett anlächelt, und um ehrlich zu sein verunsichert mich das.

Ist Blake vielleicht anders, als alle sagen?

„Gut möglich", gebe ich von mir und zucke mit den Schultern. Noch bevor der Blauäugige etwas erwidern kann, gesellt sich ein Kellner zu uns und nimmt unsere Bestellung auf.

„Wie kannst du nur ein Spagettieis ohne Sahne bestellen? Schande über dich", grinst Blake amüsiert und lehnt sich auf dem Sitz zurück. „Ohne Sahne schmeckt es einfach besser", erwidere ich. „Außerdem bekomme ich dann mehr Vanilleeis, als du."

„Ach, ist das so?"

„Ja!"

„Dann pass auf, dass ich dir nichts von deinem Eis klaue, wenn ich meins schon aufgegessen habe."

Es ist merkwürdig, aber es gefällt mir, mit Blake herumzualbern. In der Schule habe ich ihn fast nie lachen gesehen, doch es steht ihm. Dieses sorglose Lachen, das seine Augen zum Glänzen bringt und niedliche Grübchen zum Vorschein bringt. Warum kann er nicht immer so sein, wie jetzt?

„Also du Sahnemonster, warum bist du gestern Abend beinahe auf die Straße gelaufen?", wechselt Blake das Thema. Sofort erstirbt mein Grinsen und ich wende den Blick von ihm ab. Lucia ist kein Thema, über das ich mit ihm reden möchte. „Na ja, ich war irgendwie ziemlich in meinen Gedanken vertieft und habe nicht aufgepasst", murmele ich ausweichend. Leider bohrt Blake weiter nach.

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