6 - Freundschaft Plus

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In der Zeit, in der ich auf Blake warte – was mir nebenbei bemerkt wie eine halbe Ewigkeit vorkommt – höre ich Musik und chatte mit meinen Freundinnen. Sie wissen immer noch nicht so recht, was sie von dem Blauäugigen halten sollen, immerhin hat er mich ja die letzten beiden Wochen ignoriert und möchte sich plötzlich wie aus dem Nichts mit mir treffen. Ich selber bin ebenso unsicher, aber meine Neugierde überwiegt.

Es interessiert mich brennend, was Blake mit mir besprechen möchte.

Genau um 16:32 Uhr klingelt es dann endlich. Ich atme noch einmal tief ein und aus, ehe ich dem Blondschopf nervös die Haustür öffne. Mit seinem breiten Zahnpastalächeln grinst er mich an und verwickelt mich zur Begrüßung in eine Umarmung. Ich bin so überrascht, dass ich nur ein leises „Hi" murmeln kann.

Warum ist Blake so undurchschaubar? Er verwirrt mich.

Immer noch grinsend entledigt sich Benannter seinen Schuhen und seiner Lederjacke, dann folgt er mir in mein Zimmer. „Das ist also dein Reich?", fragt er mich und deutet in den Raum hinter der mit Postern beklebten Zimmertür. Unsicher nicke ich.

Außer männlichen Familienmitgliedern war noch nie ein Junge in meinem Zimmer. Blake kann sich also geehrt fühlen.

Als wir mein Zimmer betreten, schaut sich der Blauäugige eine Weile um. „Das sieht ja wie das Zimmer eines Psychos aus", sagt er schließlich und schüttelt den Kopf. „Was?", hake ich perplex nach, während ich mich rücklings auf mein Bett fallen lasse. Ich verstehe nicht, was an meinem Zimmer so schlimm sein soll?!

„Deine ganzen Wände sind mit Fotos zugekleistert. Das ist echt krank, Lucy! Und verdammt gruselig. Außerdem ist es so krass aufgeräumt, dass man sich fragt, ob hier überhaupt ein Mensch wohnt", äußert Blake seine Bedenken und setzt sich auf meinen Schreibtischstuhl. Auch wenn es mir nicht gefällt, wie er redet, ist mir bewusst, dass es am Besten ist, gar nicht erst auf seine Worte einzugehen.

„Aber wer weiß? Vielleicht bist du ja wirklich ein kranker Psycho?"

Blake schenkt mir erneut ein Grinsen, doch mir ist ganz und gar nicht nach Lachen zumute. Wollte er sich nur mit mir treffen, um mein Selbstwertgefühl zu zerstören? Darauf hätte ich gut verzichten können.

„Wer ist eigentlich dieser rote Pumuckl an deiner Zimmerdecke?", durchforstet er nach einigen Minuten die Stille und deutet auf ein Poster meines Lieblingssängers, weshalb ich ihn nachdenklich anschaue. Welcher Mensch kennt denn Ed Sheeran nicht? „Sag bloß, das ist dein heimlicher Schwarm! Geht er auf unsere Schule? Kenne ich ihn vielleicht sogar? Theoretisch könnte er sogar schon Lehrer sein." Seine Überlegungen sind so absurd, dass ich in einen Lachanfall verfalle.

Blake kennt den Sänger tatsächlich nicht.

„Lebst du etwa hinter dem Mond? Das ist Ed Sheeran – der beste Sänger aller Zeiten", kläre ich den Blauäugigen auf, nachdem ich mich wieder einigermaßen gefasst habe. „Wenn dann lebe ich auf dem Mond, aber nicht dahinter. Und außerdem ist dein kleiner Pumuckl sicherlich nicht der beste Sänger aller Zeiten."

„Oh doch, das ist er! Nenn mir nur einen Sänger, der besser sein soll, als er!", fordere ich Blake mit hochgezogenen Augenbrauen auf. „Kano."

„Wer?"

„K – A – N – O."

„Noch nie gehört."

„Schäm dich, Lucy", grinst mich Blake an und tippt auf seinem Handy herum. Nur einen Augenblick später dröhnen laute Musiktöne aus seinem Handylautsprecher. „3 wheel-ups in a row, that means I'm a direct rudeboy, 2 yats of my own, that means I'm a direkt rudeboy, one side bag and a stoney, don't make you a direkt rudeboy." Alleine schon diese Zeilen reichen aus, um festzustellen, dass wir eine völlig andere Vorstellung von guter Musik haben.

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