34 - Mehr als nur Freunde

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„I've been running through the jungle, I've been running with the wolves to get to you, to get to you", reißt mich Selena Gomez' Stimme aus dem Halbschlaf. Ich stöpsele die Kopfhörer aus und tapse ins Badezimmer. Dunkle Schatten liegen unter meinen Lidern, die einen Kontrast zu meinen geröteten Wangen bilden. Ich mache mir nicht die Mühe, mich zu schminken oder anderweitig zu stylen und schlüpfe deshalb in eine Jogginghose und einen flauschigen XXL Pullover.

Es ist mir egal, wie ich aussehe. Zumindest heute. Außerdem gibt es eh niemanden mehr, den ich beeindrucken möchte.

„Guten Morgen, Mäuschen", begrüßt mich Mum unten und stellt Dad eine Tasse Tee vor die Nase. „Gut geschlafen?" Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen und nicke. Insgeheim habe ich jedoch das Gefühl, dass die Albträume immer schlimmer werden. Sie rauben mir den Verstand und stoßen mich in ein tiefes schwarzes Loch, in dem ich mit Schuldgefühlen überschüttet werde.

Lucia ist ein Teil meines Lebens, auch wenn sie ihn nicht mit mir erleben kann. Dementsprechend tut es weh, zu träumen, von ihr getrennt zu werden. Ich hätte sie so gerne kennengelernt.

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„Bis nachher", verabschiede ich mich von meiner Familie und schlendere zu der Bushaltestelle. Der Bus kommt glücklicherweise wenig später angefahren, sodass ich mich durch die Menschen drängele und auf einem freien Platz niederlasse.

Dieser Tag kann eigentlich nur besser als der gestrige werden. Oder?

Meine Hoffnung wird direkt zerstört, als ich den Schulhof betrete und von Blake zur Seite gezogen werde. Natürlich hat er unser Gespräch ebenso wenig vergessen, wie ich. Er hat sich dafür entschuldigt, mit Sabrina geschlafen zu haben, wohingegen ich ihn für etwas verurteilt habe, auf das er gar keinen Einfluss hat.

„Ich muss zum Unterricht", versuche ich mich aus Blakes Griff zu lösen und wage es nicht, in seine Augen zu schauen. Nachdem er mir am Telefon gebeichtet hat, bereit für eine Beziehung mit mir zu sein, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe Gefühle für den Blauäugigen – das kann ich nicht bestreiten – aber ich weiß einfach nicht, ob ich diese Gefühlsachterbahn auf Dauer überlebe.

„Musst du nicht", erwidert Blake schließlich. „Aber wir müssen miteinander reden." Ich schlucke und lasse mich hinter den Mülltonnen nieder. Vor zwei Wochen saß ich am identischen Platz – allerdings ohne Blake.

„Was war das heute Nacht, Lucy?", fragt er mich und mustert mich eindringlich von der Seite. Ich hätte ihn nicht anrufen sollen, aber es ist in einer Art Trance passiert. „Tut mir leid", murmele ich und möchte verschwinden, aber natürlich hält mich der Blondschopf am Handgelenk zurück. Er hat Redebedarf. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich möchte nur wissen, was mit dir los ist."

„Das geht dich nichts an, Blake", blocke ich ab. „Du bist immerhin kein Bestandteil meines Lebens." Ich kann sehen, dass ihn meine Worte verletzen. Ehrlich gesagt habe ich auch selber keine Ahnung, warum ich so reagiere. Vermutlich habe ich einfach Angst. „Gut", raunt Blake verbittert. Seine Augen verschließen jegliche Emotionen vor mir und er ballt seine Hände zu Fäusten. „Aber dann ruf mich auch nie wieder mitten in der Nacht an."

„Wird nicht mehr vorkommen."

„Dafür wird es dann bei mir wieder öfter vorkommen, dass ich mich mit Sabrina treffe." Blake erhebt sich, wirft mir einen letzten giftigen Blick zu und mischt sich dann unter die anderen Schüler. Ich bin noch viel zu geschockt von seinen Worten und schreibe deshalb eine Nachricht an Shane. Ich möchte jetzt nicht alleine sein.

Es dauert nur wenige Minuten und schon hockt der Blondhaarige neben mir. Er tupft vorsichtig die Tränen von meinen Wangen und versucht, mich zu trösten. Auch wenn ich ihm nicht gesagt habe, warum ich weine, kann er sich den Grund bestimmt denken.

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