10 - Zersplitterte Schneeherzen

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Zwei Monate. Seit der Party sind tatsächlich zwei Monate vergangen, in denen ich keinen Kontakt zu Blake hatte. In der Schule hat er mich ignoriert – so, als wäre ich unsichtbar – und in der Freizeit sind wir uns auch kein einziges Mal über den Weg gelaufen. Er hat mir nicht mal die Chance gegeben, ihm seine Anziehsachen zurückzugeben, weshalb ich in diesen zwei Monaten so gut wie jeden Abend mit seinem Pullover geschlafen habe.

Blake ist seinen Weg gegangen und ich meinen. Ob ich das allerdings so gut finden soll, weiß ich nicht.

„Mayleen!", schallt Aydens nervige Stimme durch die Mensa, sodass ich meine Gedanken verwerfe. Der Blondhaarige kann es immer noch nicht sein lassen, meine Freundin mit schlechten Anmachsprüchen anzugraben. „Lass mich endlich in Ruhe, verdammt nochmal!", giftet Mayleen zurück.

„Stattdessen könnten wir auch zu mir gehen und tun, wovon ich sowieso jedem erzählt habe, wir hätten es getan", grinst Ayden und leckt sich über die Lippen. „Sag mal, spinnst du?!", keift May und ehe ich mich versehe, kollidiert ihre Hand mit Aydens Wange.

Es klingt gemein, aber er hat es verdient. Wann versteht er endlich, dass meine Freundin in einer Beziehung ist und kein Interesse an ihm hat?

Ich seufze und lasse meinen Blick möglichst unauffällig zu Blake wandern. Wie bereits erwartet starrt er stur auf sein Handy, um nicht in meine Augen schauen zu müssen. Ich finde es albern, dass wir uns nicht mal wie zivilisierte Menschen „Hallo" sagen können.

Die Tage streichen quälend langsam an mir vorbei, bis ich endlich mein erstes Adventskalenderkläppchen öffnen kann. Chaya und ich haben beide jeweils einen Schokoladen- und einen selbstgemachten Adventskalender von unseren Eltern bekommen. Das ist so etwas wie eine Tradition geworden, die wir schon seit Jahren so fortführen.

Beschweren will ich mich natürlich nicht, denn ich liebe Schokolade und Mums Geschenke sind immer super kreativ.

„Da", lächelt mich meine Schwester an und streckt mir ihre Herzchenschokolade entgegen. „Ein Herz", murmele ich und platziere meine Hand auf ihrem Herzen. Es schlägt gleichmäßig und langsam – ganz im Gegensatz zu meinem. „Ich habe einen Stern", teile ich Chaya mit und reiche ihr die Schokolade. „Für dich." Zufrieden stopft sie sich die Schokoladenstückchen in den Mund und wischt sich dann die Finger an der Schlafanzughose ab.

Gut, dass Mum das nicht gesehen hat.

Wenig später bin ich wettertauglich angezogen und verabschiede mich mit einem „Bis nachher" von meiner Familie. Der Bus benötigt heute ganze fünfzehn Minuten länger für den Schulweg, da die Straßen vereist sind und er somit nur langsam vorankommt.

„Leute? Toby hat gestern mit mir Schluss gemacht." Verwirrt schaue ich zu Mayleen, die sich mit gesenktem Kopf auf ihren Stuhl fallen lässt. Ihre Haare sind zu einem unordentlichen Dutt nach oben gesteckt und ihr Gesicht weist Tränenspuren auf. Wahrscheinlich lag sie die ganze Nacht wach und hat geweint.

„Was?", ruft Roxy schockiert aus. Sie ist die Erste, die ihre Sprache wiederfindet. „Oh mein Gott, May", hauche nun auch ich mitfühlend und platziere meine Hand auf ihrer Schulter. „Was ist passiert?"

Meine Freundin reibt sich schluchzend über die ohnehin schon geröteten Augen und wischt sich dann mit dem Handrücken über die Nase. So erschöpft habe ich sie noch nie gesehen. Gewöhnlich ist May nämlich ein Sonnenschein, der alle Leute in ihrer Umgebung mit positiver Energie ansteckt.

„Hat er etwa eine Neue? Der kann sich auf was gefasst machen! Wenn ich den-", setzt Leia an, wird jedoch von Mayleen unterbrochen. „Er meinte, ich sei einfach zu jung und kindisch für ihn. Er sucht angeblich nach einer reifen Frau, die weiß, was sie will", schnieft sie und kneift sich in den Arm – eine Angewohnheit, um die Tränen zu unterdrücken.

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