5 - Beleidigungen

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Seit meiner Panikattacke sind bereits etwas mehr als zwei Wochen vergangen. Selbstverständlich war ich in den letzten Tagen das Gesprächsthema Nummer Eins der Schule, sodass ich mich wirklich bemühen musste, all die gemeinen Kommentare nicht zu nah an mich heranzulassen. Roxy, May und Leia haben mir zum Glück dabei geholfen.

„Und Blake will heute wirklich zu dir kommen? Ich dachte, er hätte dich die letzten beiden Wochen ignoriert", vergewissert sich Lee bei mir und zieht ihre Augenbrauen in die Höhe. Ich nicke. Bis einschließlich gestern hatten der Blauäugige und ich keinen Kontakt, doch als er mich dann an der Bushaltestelle abgefangen hat, war ich mehr oder weniger dazu gezwungen mit ihm zu reden.

„Er meint, dass es wichtig sei und ich bin viel zu neugierig, als dass ich ihm hätte absagen können", zucke ich mit den Schultern und seufze. Es fällt mir schwer, Blake richtig einzuschätzen. Einerseits muss ich an unser Treffen in der Eisdiele denken, aber andererseits sind da die vielen Gerüchte, die ihn in ein schlechtes Licht rücken. Außerdem habe ich schon selber mitbekommen, wie verletzend seine Worte sein können.

Und trotzdem habe ich mich dafür entschieden, ihm eine Chance zu geben. Aber wirklich nur eine.

„Oh sorry, ich habe dich nicht gesehen", vernehme ich plötzlich Mayleens Stimme und schaue nach rechts. Sie ist ausgerechnet in Ayden – Leias Schwarm – gelaufen. „Sag mal Mayleen, glaubst du an Liebe auf den ersten Blick oder muss ich nochmal an dir vorbeigehen?", grinst Ayden verschmitzt. Wahrscheinlich war ihr Zusammenstoß gar kein Zufall, sondern geplant.

„Ich habe einen Freund, du Idiot", erwidert May genervt und marschiert Richtung Ausgang. Der Blauäugige scheint Gefallen an ihr gefunden zu haben, denn er taucht auf einmal immer dort auf, wo auch sie sich befindet.

Wie sich Leia dabei fühlt? Sie hält eine gleichgültige Fassade aufrecht, aber ich bin mir sicher, dass sie innerlich verletzlicher denn je ist. Unerwiderte Liebe tut weh.

„Kann der mich nicht einfach in Ruhe lassen?", beschwert sich Mayleen selbst noch am Nachmittag im Bus über Aydens Verhalten. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder die Augen verdrehen soll. „Sei froh, dass dir die Jungs überhaupt Aufmerksamkeit schenken", stoße ich einen Seufzer aus und lehne meinen Kopf gegen die Fensterscheibe.

Mayleen ist ein Männermagnet. Während sich ihr hunderte, heiße Typen zu Füßen legen, muss ich mich mit irgendwelchen 13-jährigen Kindern auf Facebook begnügen, die noch Milchzähne haben.

„Ach ja? Wer trifft sich denn heute mit dem Bad Boy schlechthin, hm? Du oder ich?", entgegnet May neckend und streckt mir die Zunge entgegen.

Nicht nur meine Panikattacke hat sich in der Schule herumgesprochen, sondern ebenso das Gerücht, dass Blake und ich eine heimliche Affäre hätten. Vielleicht ist ja dieses Gerücht der Grund, warum sich der Blondhaarige mit mir treffen möchte?

„Denkt daran, zu verhüten, Lucy!", kichert Roxy albern, als ich an meiner Bushaltestelle aussteige. Anstatt ihr zu antworten, zeige ich ihr meinen Mittelfinger und entferne mich kopfschüttelnd aus ihrem Blickfeld.

Manchmal wissen meine Freundinnen einfach nicht, wann es genug ist. Trotzdem – oder gerade deswegen – passen sie perfekt zu mir. Dieser Gedankengang begleitet mich auf meinem Weg nach Hause und verschwindet auch dann nicht, als ich mit meiner Mutter am Esstisch sitze.

„Ist es okay, wenn ich gleich in die Stadt fahre?", fragt sie mich und verankert unsere Blicke. „Du müsstest dann jedoch auf Chaya aufpassen. Ich kann sie nicht nochmal mit in den Friseurladen nehmen." Da ich genau weiß, dass Mum eine Auszeit bitter nötig hat, nicke ich. Es wird schon nicht so schwierig sein, Chaya und Blake gleichermaßen meine Aufmerksamkeit zu schenken. „Danke, Lucy, du bist ein Schatz", lächelt Mum erleichtert. „Chaya spielt draußen im Sandkasten."

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