Kapitel 20

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Völlig geschafft ließ ich mich auf meinem Stuhl im Biergarten nieder. Endlich waren wir hier angekommen und hatten auch alle wieder auf ihren entsprechenden Plätzen platziert. Der Job des Kranzlpaares hatte es echt in sich. Bis jetzt bestand der Tag hauptsächlich daraus von einem Ort zum anderen zu rennen und die Gäste entsprechend anzuordnen. Es war aber auch eine blöde Idee erst standesamtlich und dann sofort im Anschluss kirchlich zu heiraten. An alles, was ich mich erinnern konnte, war, dass ich von der Seilbahn durch den Ort zur Kirche gerannt war, um dort wieder alle zu erwarten. Wie war ich überhaupt wieder mit der Seilbahn da runtergekommen? Scheinbar war ich so im Streß, dass ich nicht einmal mehr Zeit hatte, Panik davor zu haben. Ich überlegte kurz. Klar, ich war mit Luca gefahren und er hatte mich in den Arm genommen und dann die ganze Zeit damit zugetextet, was wir bei der kirchlichen Trauung berücksichtigen mussten. Das war lieb von ihm, dass er mich so abgelenkt hatte. Ich sollte mich gleich entsprechend bei ihm bedanken. Mein Blick ging über die schnatternden Gäste. Wo war er denn? „Hier, Bienchen." Er setzte sich auf den Stuhl neben mir und reichte mir ein Glas eiskalte Cola. „Ich dachte, du kannst eine kleine Erfrischung gebrauchen bevor die ganzen Reden losgehen." Dankbar lächelte ich ihn an und trank einen Schluck. Ja, das tat wirklich gut. „Liebet Brautpaar. Da ick der Älteste von de Väter bin, wenn och nur der Ersatzvater, aba trotzdem der, der euch jenauso lieb hat, erjreif ick och als erster dit Wort. Ick bin ja nich mehr so jung und kann noch so lange warten." „Opa, du bist noch voll jung", krähte Carmen dazwischen, die heute noch aufgedrehter als sonst war. Scheinbar sorgte sie heute für die Unterhaltung und bekam für jeden Einwurf Lacher. „Dit is lieb meene Kleene", grinste Chris und warf eine Kusshand in Carmens Richtung. „Wos hot derer Kerl grad verzölt? Konn der koa Hochdeitsch sprecha, wie mia?"Tante Gordi, die neben Luca saß, schaute ihn empört an und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Also wer da hochdeutscher und verständlicher sprach, ließ ich ja mal dahingestellt. Meine Gedanken drifteten ab zu der kirchlichen Trauung. Es war schon mächtig niedlich gewesen, wie Der Pfarrer die kleine Carmen mit einbezogen hatte. Sie durfte sogar auf einem Stuhl neben dem Brautpaar sitzen und sich zum Segen neben sie knien. Lisa hatte vor Rührung ein paar Tränen kullern lassen und Leon. Na ja Leon war da genauso wie mein Papa und hatte die ganze Zeit seine Tochter mit ziemlich feuchten Augen angestarrt. Auch wenn die beiden sich immer als die harten Ex-Fußballer gaben, waren sie in Wirklichkeit ziemliche Softies. Jedenfalls wenn es um ihre Frauen und Kinder ging. Ich musste schmunzeln. Wenn Luca und ich irgendwann dann heirateten, konnten sie sich ja gegenseitig mit Taschentüchern aushelfen. Luca schaute mich irritiert an. „Was gibt es denn da zu schmunzeln? So lustig ist Papa ja nun wirklich nicht. Eher peinlich mit diesem ganzen sentimentalen Gerede." Ups, ich hatte gar nicht mitbekommen, dass mittlerweile schon Leon mit seiner Rede begonnen hatte. Hoffentlich hatte ich nicht allzu viel verpasst. „Und ich freue mich sehr, dass meine kleine Dodo jetzt in so guten Händen ist. Ich weiß, dass du als Vater weißt, wie es sich anfühlt, wenn man sich um sein kleines Mädchen sorgt...." Andi nickte lächelnd. Meine Gedanken schweiften wieder zu der Kirche ab. Es war wirklich imponierend, wie Lucy und Andi dort anmarschiert gekommen waren. Ja, das war wirklich marschieren, denn hinter ihnen war wieder die Blaskapelle durch das ganze Dorf gefolgt. Um uns herum hatten sich so einige neugierige Touristen angefunden. Und selbst hinter dem Hochzeitszug waren einige hinterher marschiert. Die dachten wahrscheinlich, das wäre irgendeine Prozession oder ein Trachtenvergnügungsprogramm für Touris. „Als älterer von uns Trauzeugen, fällt mir die Ehre zu, eine kleine Ansprache zu halten. Außerdem wird sie auch garantiert weniger peinlich und versaut als von meinem Passmann." Marvin hatte sich grinsend erhoben und schaute zu meinem Bruder, der sein Gesicht bei diesem Spruch verzogen hatte. In seiner Hand hielt Marvin bereits ein Sektglas. Die Kellnerinnen eilten an den Tischen vorbei und verteilten schnell welche. Auch vor mir landete eins. „Wos is des denn für a Schmarrn? Mia san hier in Bayern. Da werds a ordentiches Bier trunka und net so a Blubberbraus", beschwerte sich Tante Gorgi sofort lautstark. „Gorgi halts Goschen", bekam sie von Luca einen Anranzer und schwieg sofort. Ich musste Grinsen. Ja, er nahm seinen Job als großer Bruder wirklich ernst. Ein warmes Gefühl überspülte mich. Luca stand für seine Familie ein und war besorgt und behütend, auch wenn man ihm das oft nicht anmerkte, wenn er so pingelig wie ein Buchhalter war. Aber ich kannte halt auch diese Seite. Und es war die, die ich an ihm am meisten liebte. „Drum erheben wir jetzt unser Glas." Marvin hielt seins erhoben Richtung Brautpaar. „Stop, ich muss auch noch was sagen." Carmen war aufgesprungen. „Danke, das du jetzt meine Mama bist. Und Papa du darfst Lucy jetzt Knutschen." Alles begann zu lachen und Andi zwinkerte seiner Tochter zu, ehe er sich zu Lucy beugte und sie wie befohlen küsste. Die beiden strahlten das pure Glück aus. Ich spürte wie ich vor Rührung eine Gänsehaut bekam. Carmen schlug sich mit ihrer kleinen Hand vor die Stirn. „Ach ja Papa und Lucy, das Wichtigste hab ich ja vergessen. Ich möchte bitte ein Geschwisterchen." Wieder waren die Lacher auf der Seite der Kleinen und Lucy und Andi hatten beide eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe. „Donnakruzi, dieses Madel!", brummte Gorgi begeistert neben uns. „Die is wia d' Lucy und d' Lisa in ona." Nachdem alle angestossen hatten, wurde Essen serviert. „Das wurde ja auch mal Zeit, dass es Mampfatzo gibt." Tessa, die gegenüber von uns saß, schaute begeistert auf ihren Teller. „Das nenne ich mal eine ordentliche Portion." Noch ehe die weiteren Teller verteilt waren, hatte sie schon die Gabel in den Kloß gepiekt und ein Stück abgeteilt. Meine Nichte Chrissi, die in einem Futterstuhl neben ihr saß, streckte ihre Hand sofort in Richtung Mamas Gabel. „Seit ich diesen Mitesser habe, brauche ich immer zwei Portionen", stöhnte sie. „Genau." Luca fing an zu lachen. „Du warst schon immer verfressen, genau wie Lucy. Jetzt hast du nur eine Entschuldigung." Tessa kniff kurz ihre Augen zusammen und fixierte ihn, ehe sie anfing zu lachen. „Stimmt, so habe ich das noch nie gesehen." Sie wendete sich zu der Serviererin um. „Könnt ich wohl noch je eine Portion für meine beiden Töchter haben?" Mit ihrer Hand deutete sie auf Chrissi und auf Alli, die auf ihrer anderen Seite neben LW saß. „Zwei Kinderportionen?" Tessa schüttelte empört ihren Kopf. „Nee, die beiden haben einen gesunden Appetit. Wir hätten schon gerne Erwachsenenportionen." Die Bedienung schaute noch einmal auf die Babys in ihren Stühlen und lief kopfschüttelnd davon. „Also ich fand das ja vorhin echt geil, wie Carmen Andi an der Säge zusammen gestaucht hat", grinste LW. Ja, die Kleine hatte natürlich auch beim Baumstammsägen mitgeholfen und zusammen mit Lucy auf der einen Seite gestanden, während Andy auf der anderen Seite der Säge tätig war. „Papa, Mensch nun streng dich doch mal an. Lucy und ich sind viel stärker", äffte Tessa die Kleine nach und fing an zu lachen. „Ja, unser Flipper ist schon was Besonderes." Luca hatte seine angeheiratete Nichte schon fest ins Herz geschlossen, so stolz wie er schaute. Bestimmt war er auch mal ein toller Vater. Ja, unsere Kinder würden sich glücklich schätzen können.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt