Kapitel 79

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In den letzten Tagen hatte ich noch meine letzte Prüfung hinter mich gebracht und mit Will an einem weiteren Song getüfftelt. Ja, getüfftelt, denn es war wirklich gar nicht so einfach die perfekten Töne für eine Melodie zu finden und dann auch noch einen Text, der dazu passte, gut klang und auch noch eine Aussage hatte. Irgendwie war es uns aber gelungen. Jedenfalls glaubten wir es. Deshalb saßen wir auch wieder bei Will im Studio und machten eine Probeaufnahme. Dummerweise saßen wir hier aber schon seit mehreren Stunden, weil ich ständig irgendetwas vergeigte, So, wie gerade. Ich hatte wieder einen Texthänger. Ich zog den Kopfhörer von meinen Ohren und ließ meinen Kopf hängen. Will kam zu mir in die Tonkabine und zog mich in seine Arme. „Ich kann mich heute einfach nicht konzentrieren, weil morgen doch die Familie kommt", grummelte ich. Ja, mein Kopf war völlig damit beschäftigt zu grübeln, ob ich auch ja nichts vergessen hatte. Hatte ich alle Betten bezogen? Und die Lieblingsfrühstücksflocken für Benni gekauft? War wirklich alles in Phils Wohnung vorbereitet? Irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, ich hätte etwas vergessen. Das lag bestimmt daran, dass Oma und Opa am Ostersonntag das komplette Programm übernommen hatten. „Ach Snugglebee, du hast bei Phil die ganze Wohnung geputzt. Die ist sauberer als bei ihrem Erstbezug. Wir haben zusammen fast den ganzen Bestand eines Supermarkts in die Wohnung verfrachtet. Wir haben zusammen die Ostergeschenke bei deinen Großeltern abgeliefert. Was soll denn da schief gehen?" Will hatte mir wirklich bei allem geholfen und mich unterstützt. Er hatte unzählige Einkaufswagen geschoben und Tüten die Treppen hochgeschleppt. Selbst beim Fensterputzen und Gardinen aufhängen war er dabei. Er hatte ja recht. Was sollte schon schief gehen? „Keine Ahnung, aber ich habe da so ein blödes Gefühl etwas vergessen zu haben." Sanft strich er mir über die Haare. „Das ist nur, weil es der erste wirkliche Besuch deiner Eltern ist und du ihnen zeigen willst, wie du alles im Griff hast." Damit könnte er allerdings recht haben. Ich wollte ihnen beweisen, dass ich super alleine zu recht kam. „Und das werden sie auch sehen. Außerdem wird dein Vater sowieso nur damit beschäftigt sein, nach Fehlern an mir zu suchen. Da hat er gar keine Zeit, nach etwas anderem Ausschau zu halten." An Wills Lache, merkte ich, dass das ganz schön an ihm fraß, auch wenn er versuchte es locker zu nehmen und sich nicht anmerken zu lassen. Und das gefiel mir gar nicht. Ich musste mit Papa ein ernsthaftes Gespräch führen. Er hatte zu akzeptieren, dass Will der Mann war, mit dem ich glücklich war. Und das war ich mehr als ich es je vorher gewesen war. Aus einem Impuls heraus schmiegte ich mich ganz fest an ihn. Ja, er war der, der mir in allen Situationen des Lebens die Kraft und Ruhe gab, die ich brauchte.  „So, und jetzt versuchen wir es noch einmal mit der Aufnahme. Diesmal nehmen wir aber vorher zum Warmmachen noch einmal Todo es posibile auf. Du wirst sehen, dann klappt das auch mit Sonrisa. Und du nimmst wieder deine Gitarre" Vielleicht hatte er recht. Meinen ersten Song hatte ich schon so oft gesungen, dass er automatisiert war. Und wenn der funktionierte, war vielleicht auch diese dusselige Blockade weg. Ich nickte. „Okay, machen wir es so. Aber wenn das nicht klappt, dann gebe ich auf." Will grinste mich an und zwinkerte mir zu „Aber nur für heute." Ich verzog mein Gesicht zu einem Grinsen „Natürlich nur für heute." Das Singen und Musik machen machte mir viel zu viel Spaß, um es noch einmal aufzugeben. Wenn ich meine Gitarre in der Hand hatte, fühlte ich mich irgendwie frei. Ich konnte einfach meine Gefühle und Stimmung ausdrücken, ohne wirklich Worte dafür finden zu müssen. Und in meinen Texten fand ich dann doch die Worte, die mir irgendwo auf der Seele brannten und ihren Weg herausfanden. Diese selbstkomponierten Lieder, das waren Teile von mir. Teile von meinen Gedanken, meiner Seele und meinen Gefühlen. Ich rückte den Kopfhörer wieder zurecht und griff nach meiner Gitarre. Wenn ich sie in den Händen hatte, wurde ich sofort etwas ruhiger und konzentrierter. Das war eine gute Idee von Will. Es war Wahnsinn, wie gut er mich schon kannte. Komisch, am Anfang hätte ich nie gedacht, dass hinter meinem Muffeltier so ein empathischer Mensch sich versteckte. Mein Blick glitt zu ihm und er zeigte mit dem Daumen nach oben. Ich atmete einmal tief durch. Im nächsten Moment hörte ich auch schon die ersten Töne der Musik und begann zu singen. Die Melodie ging in die nächste über und diesmal schaffte ich auch Sonrisa ohne einen Hänger. Erleichtert schloß ich kurz die Augen und zog mir die Kopfhörer vom Kopf. Als ich sie auf den Pult vor mir legte, entdeckte ich hinter der Glasscheibe einen Mann der mit Will redete. Das sah ziemlich impulsiv aus. Hoffentlich war das nicht Wills Chef, der sauer war, dass wir das Studio für meine Aufnahmen nutzten. Wenn Will wegen mir Ärger bekam oder seinen Job verlor, würde ich mir das nie verzeihen können. Schließlich brauchte er ihn, um sich und seine Mutter über Wasser zu halten. Ich würde dem Kerl einfach erklären, dass ich Will zu den Aufnahmen überredet hatte und ihm anbieten das Studio dafür zu bezahlen. Auf meinem Konto schmorte ja genug Geld von Papa und Mama, das ich nicht angerührt hatte und das für Notfälle gedacht war. Und Wills Job zu retten, war ein Notfall. Ich lief schnell aus der Aufnahmekabine heraus. „Das ist der Wahnsinn", hörte ich den Kerl gerade wieder. Das.....das hörte sich aber nicht sauer, sondern begeistert an. Abwartend stellte ich mich neben Will. „Hallo, ich bin Franky, der Besitzer dieses Bunkers." Der Typ reichte mir grinsend die Hand. Grinsend war gut. Grinsend war sogar sehr gut, denn kein Chef der Welt war so gut gelaunt und grinste, wenn er seinen Angestellten entließ. „Das war eben echt der Wahnsinn. Du hast eine Wahnsinns-Stimme. Und dein Gitarrenspiel ist der blanke Wahnsinn." Bei all seiner Begeisterung machte mir sein vieles Wahnsinn so langsam Angst. Vielleicht war er ja auch wahnsinnig. „Ich biete dir mit sofortiger Wirkung einen Vertrag bei unserem Label an." Ja, dieser Franky war definitiv wahnsinnig!

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt