Kapitel 81

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„Du hast heute super gespielt." Ich ließ mich neben Tessa auf das Sofa fallen. Sie hatte es heute auf eine Torbeteiligung und ein Tor gebracht. Wenn sie erst voll als Profi einstieg, war sie garantiert nicht mehr aus der Nationalmannschaft wegzudenken. Ich war mächtig stolz auf meine andere Hälfte. „Findest du?" Sie grinste breit. „Ich hatte ja immer gehofft, dass wir irgendwann zusammen als die Reus-Twins in die Geschichte eingehen, aber daraus wird ja nun sowieso nichts mehr, weil ich Weidenfeller heiße und du dich lieber darauf beschränkst beim Weltmeisterschaftsfinale in Deutschland in ein paar Jahren die Nationalhymne zu singen." Ich schüttelte den Kopf. „Dafür nehmen sie immer nur Stars." Wieder grinste Tessa „Sag ich doch, die nehmen dich. So geil wie du singst, gebe ich dir noch drei Jahre, dann stehen deine Lieder in den Charts und ich werde jedem erzählen, der es hören will oder nicht, dass das meine andere Hälfte ist und ich natürlich genauso talentiert wäre, aber den Fußball vorgezogen habe." Ich musste lachen. „Du singst wie ein rostiges Türscharnier und kannst keinen Ton halten. Außerdem beschränkt sich dein Repertoire auf die BVB Fanlieder." „Die sind ja auch wat geil, nicht wahr Erpel." Natürlich nickte Leo sofort grinsend. Die beiden passten einfach zusammen. Genau wie Will und ich. Manno, ich vermisste ihn schon richtig, dabei hatten wir uns gerade einmal zwei Tage nicht gesehen und ich musste noch bis nachher im Club warten. Und selbst da hatten wir keine Zeit füreinander, weil wir beide arbeiten mussten. Außerdem wollte meine ganze Familie mitkommen. Das hieß Papa, Mama, Leo und Tessa. Phil hatte sich bereit erklärt auf das Junggemüse aufzupassen. So viel ich im Stadion gehört hatte, wollten sogar Max und Leo kommen. Sie wohnten ja bei Oma und Opa. So wie ich Papa kannte, würde er schon aufpassen, dass ich auch gar nicht mit Will alleine war. „Ich habe da letztens so einen uralt Film gesehen, da waren auch so ein paar Mehrlinge mit lauter Pudeln auf dem Arm. Boah, bei deren Gesang hast du auch aus den Ohren geblutet. Wenn wir uns ein paar süße Köter besorgen,  merkt garantiert auch keiner, dass ich nur schief singe. Ich sage dir, das wird der volle Erfolg." Tessa jodelt zum Ohren zuhalten los. Papa kam sofort ins Zimmer gesprintet. „Hast du dir den Fuß gestoßen?" Er schaute sie besorgt an. Klar, bei ihr hatte er immer Angst vor einer Verletzung, da sie ja schon eine wirklich schwere hinter sich gebracht hatte.  „Nö, ich singe nur." Papa schüttelte seinen Kopf „Dann hör auf damit, bevor die Nachbarn noch denken, wir quälen hier eine Katze und die Polizei rufen." Tessa zog eine beleidigte Schnute. „Kunstbanause."  „Du bleib lieber beim Fußball. Deine Schwester ist die Künstlerin in der Familie. Mama hat mir von dem Vertrag bei dem Label erzählt." Oh ja, da war ja noch etwas. „Was für ein Label und was für ein Vertrag?" Tessa musterte mich neugierig. „Wieso weiß ich da noch nichts von? Meine Schwester macht ihren ersten Plattenvertrag und sagt mir nicht einmal Bescheid." Sie schaute mich empört an „Wolltest du mir erst nach den MTV Music Awards davon erzählen?" Ich schüttelte den Kopf. „Ich war mir nicht so sicher, ob ich das überhaupt mache. Außerdem habe ich das Angebot erst am Donnerstag bekommen und es ist auch nur ein ganz kleines Label." „Das musst du unbedingt machen. Das ist deine Chance." Tessa war von uns beiden schon immer die Entschlussfreudige und Ehrgeizigere gewesen. Das sie das sagte, war klar. Sie würde immer alles auf eine Karte setzen und nicht lange überlegen. Andererseits beendete sie auch erst ihre Ausbildung, ehe sie Profi wurde. Und meine Ausbildung war das Studium, das vor allem Vorrang hatte. Immerhin hatte ich schon eins in den Sand gesetzt. Ich schaute zu Papa, was er wohl dazu sagte. „Also ich finde auch, dass du die Chance nutzen solltest. Du solltest darüber aber auch nicht dein Studium vergessen. Eine abgeschlossene Ausbildung und ein guter Job sind wichtig." Ich nickte. „Ich werde unseren Anwalt beauftragen den Vertrag auf Herz und Nieren zu checken und eventuell noch ein paar Veränderungen auszuhandeln. Und du versprichst mir, dass du das andere nicht aus den Augen verlierst." Das war.... Das war das, was ich gehofft hatte von meinem Vater zu hören, aber nicht erwartet hatte. Ich war mir so sicher, dass er dagegen war. „Das verspreche ich dir." Ich fiel ihm um den Hals und er knuddelte mich. „Meine Tochter, die Sängerin mit Plattenvertrag." Ich hörte den Stolz in seiner Stimme. So sprach er sonst meist von Tessa. „So, und jetzt auf in den Club. Ich möchte die begnadete Sängerin jetzt auch hören." Er gab mir einen Klaps auf den Hintern. Ich schaute erschrocken zur Uhr. Es wurde wirklich Zeit, dass wir uns auf den Weg machten. „Schnutzelchen, wir fahren mit unserem Auto, dann können wir nach Hause, wenn wir alten Leute müde sind. Die Jungspunde halten garantiert länger durch. Am besten fahrt ihr mit Majas Auto." „Wir sind nicht alt, Prinzessin. In mir steckt immer noch das Party-Beast", protestierte Papa sofort. „Vielleicht, aber in mir nicht, Schnutzelchen. Also Hopp, hol die Autoschlüssel. Und wenn du artig bist, darfst du auch was trinken und ich fahre zurück." Papa wieselte sofort los.
„Kommt Will nachher auch mit her?" Tessa schaute mich vom Beifahrersitz an. Sie hatte Leo auf die Rückbank verbannt. Ich schüttelte traurig den Kopf. „Nee, das würde Papa gar nicht gefallen. Du weißt doch, wie er zu Will steht. Und Wills Mutter ist doch auch da. Wir haben erst wieder nach Ostern Zeit für uns." Man, ich hörte mich ja selbst in meinen Ohren jämmerlich an. „Also an Papas idiotischem Verhalten ihm gegenüber müssen wir echt mal flott arbeiten. Das geht ja mal gar nicht. Er soll zufrieden sein, dass du einen Kerl gefunden hast, der dich glücklich macht. Vermisst du den Vogel vom Ton?" Was eine blöde Frage. „Hat ein Quadrat vier Ecken?" Tessa schaute mich an und fing an zu lachen. „Der Spruch könnte glatt von mir sein." Sie kratzte sich am Hinterkopf. „Meinst du seine Mutter hat ein Problem, wenn du heute bei ihm übernachtest?" Ich schüttelte den Kopf. So wie Tanja sich darüber gefreut hatte, dass wir zusammen waren, wohl nicht.  „Perfekt, dann fährst du vom Club zu ihm und wir nehmen uns ein Taxi. Nicht wahr, Erpel?" Ich sah im Rückspiegel, wie mein Schwager sofort nickte. „Aber Papa merkt doch, wenn ich morgen früh nicht da bin." „Das lass mal unsere Sorge sein. Wir erzählen ihm einfach, dass du extra früh aufgestanden bist, um Will und seine Mutter zur Osterfeier bei Oma und Opa abzuholen. Du musst nur dafür sorgen, dass die beiden sich nicht verquatschen." Das würde ich garantiert hinbekommen. Da wir gerade an einer Ampel standen, umarmte ich Tessa übermütig und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Eh, du sollst den Vogel vom Ton abschlappen und nicht mich." Übertrieben mit verzogenen Gesicht wischte sie sich mit ihrem Ärmel die Wange ab und fing an zu lachen. Ich musste auch grinsen. Manno, was ich mich schon auf nachher freute. Endlich wieder mit Will kuscheln. Ich blickte zur Uhr im Display. Manno das dauerte noch viel zu lange. Egal, trotzdem kribbelte schon alles in mir.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt