Kapitel 112

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Ich stieg aus meinem Auto und schnappte mir meinen Rucksack vom Beifahrersitz. Mein Blick ging zum Himmel, von dem mich die Sonne freudig anstrahlte. Heute war traumhaftes Wetter. Okay, für Juni war das eigentlich normal. Umso weniger hatte ich Lust in einem der stickigen, staubigen Hörsäle zu verschwinden. Schon die letzten Wochen hatte ich kaum das Wetter genießen können, weil wir ständig im Bunker die Aufnahmen gemacht oder geprobt hatten. Man, was würde ich dafür geben jetzt mit Will an irgendeinem Badesee zu liegen und einfach an gar nichts zu denken. Tja, der Wunsch würde sich aber nicht erfüllen, denn Will musste auch arbeiten und ich musste endlich mal auch wieder etwas für das Studium machen. Sofort ploppte mein schlechtes Gewissen auf. In der letzten Zeit hatte ich das echt schleifen lassen. Heute musste ich unbedingt in Erfahrung bringen, wann die ganzen Prüfungen anstanden und was so an Stoff abgefragt wurde. Ein Blick zu meiner Uhr am Handgelenk sagte mir, dass ich mich beeilen musste, wenn ich noch einen annehmbaren Platz im Hörsaal bekommen wollte. Blöderweise hatte ich auch noch einen Parkplatz genau am anderen Ende des Campus gefunden. Na prima. Das hieß dann heute nicht nur früh aufstehen sondern auch gleich noch Frühsport. Ich setzte mich flott in Bewegung.....
„Wow, dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen", begrüßte mich eine Kommilitonin direkt vor dem Hörsaal. „Ich dachte schon, du hast das Studium an den Nagel gehängt." Ich schüttelte schnell den Kopf. Das kam ja überhaupt nicht in Frage. Nee, ich hatte das einmal mit der Informatik in den Sand gesetzt. Das Lehramtstudium  war meine einzige Chance noch einen passablen Abschluss zu machen. Außerdem machte es mir eigentlich auch Spaß. „Ich war mit meinem Job nur in letzter Zeit ziemlich stark eingebunden", erklärte ich ihr schnell. Sie sollte ja nicht denken, dass ich einfach keinen Bock gehabt hätte. Vielleicht konnte ich ihr ja auch ihre Mitschriften abquatschen und in Erfahrung bringen, was ich so alles noch auf die Schnelle lernen musste. „Das ist blöd, wenn man sich den Unterhalt und alles selbst verdienen muss." Sie schaute mich mitleidig an. „Bekommst du denn kein Bafög?" Ehe ich antworten konnte, winkte sie schon ab. „Vergiss es, davon kann ja kein Mensch leben. Ich habe Glück, ich wohne noch bei meinen Eltern und das Taschengeld reicht mir. Wenn du die ganze Zeit nicht hier warst, hast du dir bestimmt nur die Skripte von den Vorlesungen heruntergeladen. Soll ich dir meine Notizen geben?" Wow, das lief ja besser als erwartet. Wenn ich da an meine alten Kommilitonen aus der Informatik dachte.... Die hätten nicht einmal im Traum daran gedacht mir zu helfen. „Das....das wäre super." Wieder winkte sie nur mit ihrer Hand ab. „Kein Ding. Gib mir einfach deine Mailadresse und ich mache dir einen Zugang zur Cloud. So, jetzt komm aber, der Prof wird sonst ungemütlich, wenn wir zu spät kommen." Sie hakte sich einfach unter und zog mich in den Hörsaal. Wir hatten Glück und im vorderen Bereich waren noch zwei Plätze für uns frei. „Ach übrigens ich bin Sina, falls du es nicht mehr weißt", grinste sie mich an. „Und ich bin Maja.", grinste ich zurück. „Und was machst du für einen Job?" Mmm, was sagte ich denn jetzt? Wenn ich mich als Sängerin ausgab, klang das irgendwie eingebildet. Aber lügen wollte ich auch nicht, denn Sina fand ich ziemlich sympathisch und unkompliziert. „Ich arbeite in einem Club." Das war ja keine Lüge. Sie riss ihre Augen auf. „Du meinst du arbeitest als...." Sie beugte sich zu mir und flüsterte „Prostituierte?" Jetzt riss ich die Augen auf und schüttelte heftig meinen Kopf. „Was? Nein! Doch nicht in so einem Club, sondern in einem Musikclub." Sina schlug sich die Hand vor die Brust. „Na Gott sei Dank. In welchem denn?"Ich nannte ihr den Namen von Marcels Club. Ihr Gesicht wurde nachdenklich. „Da treten doch auch immer mal Liveacts auf. Ob du mich da mal reinschmuggeln kannst?" Ich musste schmunzeln. Da ich der Liveact war, konnte ich sie sogar bei Marcel auf die Gästeliste setzen. Ich nickte. Für eine Antwort hatte ich keine Zeit mehr, da der Prof sich vorne aufgebaut hatte und schlagartig das Hintergrundgemurmel eingestellt wurde. „Liebe Studierende, wir werden uns heute noch einmal kurz über die Regularien für die anstehende Prüfung unterhalten und dann die Themen, auf die sie sich vorbereiten sollten ansprechen......" Okay, dann war ich ja genau zur richtigen Vorlesung aufgetaucht. Ich zog schnell mein Ipad aus meinem Rucksack und öffnete mein Schreibprogramm, um mir Notizen zu machen. „Süßer Kerl", zwinkerte mir Sina zu, nachdem sie ein kurzen Blick auf mein Hintergrundbild erhascht hatte. Ja, Will war definitiv ein süßer Kerl. Mein süßer Kerl genau genommen. Manno, jetzt vermisste ich mein Muffeltier. Meine Gedanken machten sich auf den Weg zum Musikbunker, wo er garantiert gerade an seinem Pult saß. und etwas abmischte. Die Stimme des Profs wurde immer mehr zu einem Hintergrundgeräusch. Nein, so ging das nicht. Ich musste mich hier voll konzentrieren, rief ich mich selbst zur Ordnung. „Für das Bestehen der Prüfung......" Mein Blick heftete sich wieder auf den Prof, der zur anderen Seite des Hörsaals wanderte. Momentmal! Ich schärfte meine Augen. Ja klar, das war Tom, der dort in der ersten Reihe saß und zu mir hinüber blickte. Er lächelte mich an, als unsere Blicke sich trafen. Was machte er denn hier? Ich wusste gar nicht, dass er auch studierte. Und noch viel weniger wusste ich, dass er auch Lehramt studierte. Das eröffnete ja ganz neue Möglichkeiten, wenn wir zusammen lernen konnten. Mit ihm und Sina an meiner Seite würde garantiert nichts schief gehen.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt