Kapitel 147

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Ich traute meinen Augen nicht. Das konnte doch nicht wahr sein. „Chris!" Ich rannte schnell zu ihm und warf mich in seine ausgestreckten Arme. „Na, so wie es aussieht, ist mir meine Überraschung ja gelungen." Er grinste mich breit an. „Aber, du musst dir wirklich abgewöhnen meinen Brüdern nacheinander die Köpfe zu verdrehen. „Bei unserem Vater weißt du schließlich nicht, wie viele noch von uns herumlaufen. Und außerdem hat Will das Vorrecht." Seine dunklen Augen zwinkerten mir zu. Als ob Will und mich etwas auseinander bringen könnte. Da konnten noch ganze Armeen an Brüdern auftauchen. „Tom hat mir nur so geholfen und deshalb habe ich mich bedankt", klärte ich trotzdem Chris auf, bevor er die Umarmung doch noch in den falschen Hals bekam. Man konnte ja nie wissen, was aus so etwas entstand und ich brauchte definitiv nicht noch Umruhe in meiner Beziehung mit Will. Zwar war ich mir sicher, dass er mir voll vertraute, aber das war ich mir damals auch bei Luca und hatte mich total in seiner Reaktion verschätzt. Ja, aber Will war nicht Luca, Gott sei Dank. „Oh ha, dann muss ich also auf meinen kleinen Bruder aufpassen, dass er nicht ausgenutzt wird", grinste Chris schon wieder und drehte sich zu Tom, der die ganze Sache misstrauisch beobachtete. „Hi, ich bin Chris, dein älterer Halbbruder. Wir teilen uns zusammen mit Will und wer weiß wem noch unseren Erzeuger." Ehe Tom überhaupt reagieren konnte, wurde er auch von Chris herzlich in seinen Arm gezogen. „Ähm, freut mich, dich kennenzulernen." Tom schaute Chris unsicher an. „Ich freue mich auch. Gleich nachdem mir Will von dir berichtete hat, habe ich nach einem Termin gesucht, um euch zu besuchen. Und was bietet sich da besser an, als Maja bei ihrem Konzert zuzujubeln." Chris Blick ging wieder zu mir. „Du hast dich in den Charts ja einfach mir nichts, dir nichts an mir vorbei gemogelt. Eigentlich sollte ich mit dir schmollen, weil du das Duett und die Tour mit mir abgelehnt hast, aber jetzt sogar international unterwegs bist." Chris zog eine Schnute, während er mich anschaute. „Ich weiß noch nicht, ob ich das mache", gab ich kleinlaut von mir. „Ich habe doch das Studium und....." Chris winkte ab. „Und eine kometenhafte Karriere vor dir. Dein Song wird auch über den großen Teich schwappen und dann heißt es USA, Südamerika. Die Latinos werden begeistert sein." So enthusiastisch, wie er das sagte, war er davon überzeugt. Aber was die Musik anging, war er leicht zu begeistern. Ich schüttelte nur den Kopf. „Das Studium bleibt das wichtigste." Chris schaute mich nachdenklich an und ließ sich auf einen der Küchenstühle gleiten. Ich folgte seinem Beispiel und setzte mich ihm gegenüber. „Mögt ihr Tee? Soll ich einen machen?" Tom schaute zwischen uns hin und her. Wir nickten beide. Chris begann zu schmunzeln. „Weißt du noch in meiner Küche gab es beim Komponieren auch immer Tee." Als ob ich das vergessen könnte. „Will und du, ihr habt da echt ein Album rausgehauen." Chris schüttelte grinsend seinen Kopf. „Das geht garantiert auch in den USA und Südamerika durch die Decke. Die Latinos stehen voll auf solche Musik. Das Spanisch war eine brillante Idee von euch." Alleine der Gedanke sorgte schon dafür, dass ich vor Angst zu zittern begann. Chris griff über den Tisch nach meinen Händen. „Vor was hast du Angst? Ist es immer noch das Lampenfieber?" Ich nickte beschämt. Ja, das hatte sich noch nicht geändert, auch wenn ich jetzt die Jungs um mich hatte und Will auch immer dabei war.....und meine Familie am Handy. Mir war immer noch vor jedem Auftritt ganz komisch im Magen und meine Knie zitterten. „Will oder ich kochen immer Melissentee für Maja." Tom stellte dampfende Teetassen vor uns ab. „Das ist doch schon ein prima Ansatz. Und hilft es?" Ich nickte. Ja, der Tee beruhigte mich immer etwas. „Und machst du auch die Atemübungen, die ich dir mal gezeigt habe?" Wieder nickte ich. „Ja, ich habe da so ein Ritual. Aber...." Ich brach den Satz ab. Ich wollte hier nicht jämmerlich wirken. „Aber du hast trotzdem noch Lampenfieber." Chris Blick lag auf mir und ich nickte beklommen. „Ach Süße. Das ist doch ganz normal. Da sind jede Menge Leute vor der Bühne und man hat jedesmal Angst sie nicht mitzureißen. Meinst du, ich habe nicht Angst, dass sie mich ausbuhen?" Ich schaute ihn erstaunt an. Aber Chris wirkte immer so selbstsicher auf der Bühne. „Wenn du dieses Gefühl nicht mehr hast, dann bist du überheblich und hast da oben nichts mehr zu suchen", kam es bestimmt von ihm. „Trotzdem sollte es dir nicht wirklich körperlich schlecht gehen." Er schaute mich prüfend an. „Du siehst dich immer noch als die kleine Studentin, die nur singt, um ihr Studium zu finanzieren, stimmt's?" Ich nickte. Ja, ich war Studentin und nicht Sängerin. Das war doch alles nur ein blöder Zufall, dass ich auf der Bühne gelandet war. „Siehst du, und da liegt dein größtes Problem. Du musst dich als Sängerin sehen, die nebenher studiert, damit sie später einen Abschluss hat. Dann wird es dir auch schon besser gehen, weil du hundertprozentig hinter deiner Musik stehst. Das war bei mir auch so." Ich schaute ihn erstaunt an. Vielleicht hatte er recht damit? Ich hatte bis jetzt die Musik immer nur als Mittel zum Zweck gesehen. Aber das stimmte eigentlich schon eine Weile nicht mehr. Eigentlich war mein Studium schon längst in den Hintergrund gerutscht. Wenn das nicht der Fall wäre, würde ich ja jetzt nicht vor der Katastrophe mit den Prüfungen stehen. Bis jetzt hatte ich das nur noch nie so gesehen. Und ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich bereit dazu war das zuzugeben und zu akzeptieren. Ich wollte unbedingt mein Studium durchziehen und gut abschließen. Auf keinen Fall wollte ich meine Eltern enttäuschen. Ich wusste doch wie wichtig Papa ein Abschluss war. Er hätte garantiert kein Verständnis, wenn ich das Studium so nach hinten schob. Trotzdem hatte Chris vielleicht nicht ganz unrecht mit seiner Aussage. Vielleicht wäre ich anders drauf, wenn ich die Musik ernster nahm und nicht nur als Hobby sah. „Du bist einfach ein Naturtalent und hast etwas, um das dich viele beneiden. Deine Stimme ist etwas ganz Besonderes. Du kannst damit Stimmungen erzeugen. Und das können nicht viele Sänger so wie du. Du gehörst absolut auf die Bühne und nicht in ein Klassenzimmer. Jedenfalls noch nicht jetzt. Lass dir diese Riesenchance nicht entgehen. Andere würden dafür töten." Scheinbar hatte Will ihm wohl von den ganzen Angeboten erzählt, die uns vorlagen. Ja uns! Denn ohne Will würde ich keine Entscheidung treffen. Vielleicht war es gar nicht schlecht, wenn wir auch Chris Ansicht mit einbezogen. Ja, je mehr Meinungen man hatte, desto besser konnte man alle Punkte bei der Entscheidungsmatrix berücksichtigen. Und für Will waren Chris Einwände bestimmt auch sehr wichtig. Genau wie die meiner Familie für mich. Die Entscheidung musste ja zu uns beiden passen. Wie um mich vor einer weiteren Diskussion zu retten, ertönte wieder die Türglocke und ich rannte los, um den Öffner zu betätigen. „Da unterhalten wir uns aber noch einmal drüber", hörte ich nur Chris hinter mir herrufen. „Wir sind mit unserem Gespräch noch nicht fertig!" Die Befürchtung hatte ich auch.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt