Kapitel 94

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Ich schaute auf das Notenblatt vor mir. Irgendetwas stimmte da noch nicht. Ja, die Harmonie, aber was sollte ich da ändern? Eigentlich gar nichts. Eigentlich sollte ich meine Nase lieber in das Pädagogikbuch stecken, das neben dem Notenblatt lag. Das neue Semester hatte ja bereits begonnen und es konnte mit Sicherheit nicht schaden, wenn ich da gleich auf dem Laufenden blieb. Andererseits war diese Theorie echt trocken. Ich griff nach dem Löffel, der neben demTeller lag und schob mir eine Fuhre Reis in den Mund. Ähh, der war ja schon kalt und mindestens genauso trocken wie der Stoff im Lehrbuch. Na ja, kein Wunder, so lange wie der hier schon herumstand. Ich griff wieder nach dem Bleistift. Wenn man das Ganze.....„Was machst du denn da, Snugglebee?" Erschrocken schaute ich auf in Wills neugieriges Gesicht. „Lernen und...." Er hob stoppend seineHand. „Du meinst wohl eher Komponieren." Manno, er kannte mich echt. „Ich habe mir da auch ein paar Sachen überlegt." Und das war der Unterschied zu Luca, er machte mir keine Vorwürfe, wenn ich auch mal etwas anderes als lernen machte. Er wusste, dass ich ab und zu ein Abwechslung brauchte. Wobei das ab und zu, mittlerweile in ein umgekehrtes Verhältnis sich verwandelt hatte. Das lag aber nur an dem langweiligen Stoff, beruhigte ich mich selbst. Will ließ sich zu mir auf die Erde rutschen und legte seinen Arm um mich, ehe er mich zärtlich küsste. Man, hatte ich das seit heute morgen vermisst. Meine Hände suchten sich einen Weg unter sein Shirt....
„Also so schön das auch gerade war, dass wir hier in der Küche so viel Platz haben seit meine Mom ausgezogen ist." Ja, Papa hatte für Tanja auch den Küchentisch und die Stühle mitgenommen. „Wir brauchen dringend neue Möbel, Snugglebee." Will strich mir mit seiner Hand sanft über meine nackte Hüfte hinauf zu meiner Taille und weiter zum Rücken, während ich mich an ihn kuschelte und meine Hand über seine kräftige Brustmuskulatur fuhr. Also momentan war mir nach vielem, aber nicht nach Möbeln. Will angelte nach dem Notenblatt, das immer noch neben uns auf der Erde lag. Er musterte es interessiert. „Also die kleine Änderung da, finde ich gut. Was meinst du, wenn wir hier etwas ändern dann...." Ich starrte auf das Blatt. Ja, das war die Lösung. Warum war ich da nicht drauf gekommen? Ich schnappte mir den Bleistift und kritzelte los, während Will aufsprang und zum Keyboard lief, das momentan seinen Platz in der Küche hatte. Er klimperte sofort die geänderte Melodie. Jaaaa, das war perfekt. Also fast genauso perfekt wie der nackte Anblick meines Muffeltiers dort an den Tasten. Ich sprang auch auf und stellte mich hinter ihn. Mit meinen Händen umschlang ich seine Taille, während ich mich an seinen Rücken kuschelte und munter darauf los sang, was mir gerade in den Kopf kam. Ja, die Melodie funktionierte jetzt wirklich. Will drehte sich zu mir um und küsste mich. „Dann brauchen wir nur noch einen Text", grinste ich und meine Hände setzten sich schon wieder auf seinem Körper in Bewegung. „Vielleicht sollten wir einfach gleich noch einmal....." Der Kreativschub, den wir danach hatten, war doch ein überzeugendes Argument. „So gerne ich auch mit dir schlafe...." Will stoppte meine Hände, die sich gerade in südliche Gefilde auf den Weg gemacht hatten. „Wir beide fahren jetzt erst einmal zu IKEA und besorgen uns ein paar neue Möbel. Es kann ja nicht sein, dass wir auf der Erde sitzen zum Essen oder in meinem Bett. Nee, so geht das nicht weiter." Okay, wirklich schön war es nicht, wenn man immer aufpassen musste das Bett nicht vollzukleckern oder vollzukrümeln. Und auf dem Boden war es auch ziemlich unbequem. Trotzdem...
„Also der Tisch ist doch echt cool. Der ist nicht so riesig. Da haben wir auch noch Platz für andere Sachen in der Küche." Will zwinkerte mir frech zu als wir eineinhalb Stunden später durch das Möbelhaus liefen und uns umschauten. Ja, ich hatte mich mit meiner körperbezogenen Kuschelidee nicht noch einmal durchsetzen können und wir hatten beschlossen sie auf später zu verschieben. Alleine bei dem Gedanken wurde mir schon ganz warm. Vielleicht bekamen wir ja auch noch ein paar neue Duftkerzen. Vor meinem inneren Auge entstand ein Bild von Wills in Kerzenlicht getauchtem Zimmer. „Und wenn deine Familie zu Besuch bei uns kommt, können wir ihn auch ausklappen", riss er mich aus meinen Gedanken. Hatte er gerade uns gesagt? Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, hatte sich Will schon an den Verkäufer gewandt. „So, der Tisch und die Stühle werden morgen geliefert." Will verschränkte unsere Hände und zog mich weiter. „Auf alle Fälle brauchen wir noch ein bequemes Sofa, einen Couchtisch und...." Er machte eine kurze Pause und fuhr sich mit seiner Hand durch sein Haar. Wieso war er denn plötzlich nervös? Diese Angewohnheit mit den Haaren kannte ich mittlerweile nämlich schon von ihm und wusste sie einzuordnen. „...und wir brauchen Regale für deine Studienbücher und einen eigenen Schrank für dich, Snugglebee."  Wozu ein Regal? Ich nahm doch einfach immer die paar Bücher mit zu ihm, die ich gerade zum Lernen brauchte. So viele waren es ja nie gleichzeitig. Und meine paar Wechselklamotten hatten doch ihren Platz in seinem Schrank. Will biss sich auf seine Unterlippe und fuhr sich wieder mit seiner Hand durch die Haare. „Also.....naja....", begann er herumzudrucksen. In meinem Kopf machte es ping. „Du meinst, ich soll bei dir einziehen?" Mein Herz begann zu rasen. Wollte Will wirklich, dass ich fest bei ihm einzog? Das seine Wohnung, unsere Wohnung wurde? Er nickte mit einem dicken Grinsen im Gesicht. „Ja, so hatte ich mir das gedacht, Snugglebee. Und magst du?" Was für eine blöde Frage. Natürlich wollte ich. Ich nickte enthusiastisch und stellte mich auf Zehenspitzen, um mein Muffeltier zu küssen. In meinem Kopf tauchte spontan die Einkaufsliste für die erste eigene Wohnung auf, die ich vor einem Jahr für Luca und mich erstellt hatte. Wir brauchten Vasen, Deko, Kerzenleuchter, ein gutes Geschirr, wenn Besuch kam, Pflanzen mit farblich abgestimmten Übertöpfen, farblich zu den  Zahnputzbechern und Seifenspendern passende Handtücher und Badteppiche..... Meine Gedanken wechselten zu meinem Kontostand und abrupt setzt in meinem Kopf ein Rotstift ein, der den Einkaufszettel bearbeitete. Eine Position nach der anderen wurde gestrichen. Nee, ich brauchte das alles nicht. Ich brauchte nur Will, mit dem ich zusammen wohnte, um glücklich zu sein. Das andere war alles überflüssig. „Komm lass uns mal nach den Duftkerzen schauen." Ich griff mir Wills Hand und zog ihn mit mir. Die Duftkerzen waren nicht verhandelbar. Ein bisschen Luxus musste schon sein.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt