Kapitel 38

304 53 18
                                    


„Was schleppst du denn da alles an?" Phil schaute auf die Einkaufstüten, die schwer an meinen Armen hingen. Ja, ich hatte vielleicht etwas übertrieben, aber ich hatte heute Mika zum Kochen eingeladen. Immerhin hatte er schon die letzten beiden Male Kino bezahlt, einschließlich einer riesigen Portion Popcorn. Da wollte ich mich auch einmal revanchieren. Ich verstand echt nicht, warum alle ihn den Schwaben nannten. Er war doch großzügig. „Mika kommt nachher und wir kochen." Phil gab einen Brummlaut von sich, der deutlich machte, dass er davon nicht wirklich begeistert war. „Hast du etwas geplant? Stören wir?" Er hatte mir jedenfalls nicht gesagt, dass er selbst Besuch erwartete. „Dann rufe ich Mika an, ob wir bei ihm kochen können. Das geht bestimmt." Wieder war ein Brummlaut zu hören, der noch eindeutiger sein Missfallen ausdrückte. „Auf gar keinen Fall, da ist er ja seinem Ziel dich in sein Bett zu bekommen noch näher. Ich muss heute nur in die Klinik und kann hier nicht auf dich aufpassen." Aufpassen? Das war ja lächerlich. Was dachte denn Phil, was da ablief. „Mika und ich sind nur gute Freunde. Er versucht mich abzulenken, weil Luca sich von mir getrennt hat", beruhigte ich ihn. Mika hatte nicht einmal wirklich Interesse an mir. Sonst hätte er ja schon etwas in die Richtung versucht. Nee, er wusste genau, dass ich immer noch Luca liebte und immer noch hoffte, dass er irgendwann mit mir redete und wir alles geklärt bekamen. Dann würde ich auch wieder zu ihm nach Dortmund ziehen oder nach München, wenn es denn sein musste. Hauptsache, wir waren wieder zusammen. Es würde mir aber auch nicht gerade leicht fallen Berlin wieder zu verlassen. In der einen Woche Studium hatte ich sogar schon ein paar richtig nette Kommilitoninnen kennengelernt. Ja, in meinem neuen Studiengang waren im Gegensatz zu meinem alten mehr Frauen. Und das beste, es waren nicht nur materienorientierte Nerds, sondern Leute, mit denen man auch in Deutsch und nicht nur in Java oder C++ sprechen konnte. „Ja, den Trick kenne ich. Ist einer der ältesten. Erst einlullen und Vertrauen erschleichen und dann abgreifen", knurrte Phil. Ich stellte meine Tüten auf dem Tisch ab und schaute ihn empört an. „Traust du mir nicht? Wenn ich sage, ich will keinen anderen Kerl, dann ist das so." Phil legte seinen Arm um meine Schulter. „Ach kleine Maja, dir vertraue ich schon, aber den Scheißkerlen nicht. Denen kannst du einfach nicht vertrauen. Ich bin doch selbst einer und weiß wovon ich spreche." Meine Empörung wich sofort einer Welle von Zuneigung. Es tat so gut, dass Phil so um mich besorgt war. „Mach dir keine Sorgen. Mika kommt schon nicht in meinen Schlüppi." Phil fing herzhaft an zu lachen. „Genau das wollte ich hören. Du wirst immer mehr wie Tessa." Das schien ihn scheinbar zu beruhigen, denn er schaute in meine Einkaufstüten. „Fruchtzwerge? Willst du doch dafür sorgen, dass Mika Kraft tankt?" Ich boxte ihn gegen den Arm. „Quatsch, hast du vergessen, dass morgen Mama und Tessa mit den ganzen Zwergen kommen?" Phil schlug sich mit seiner Hand vor die Stirn. „Mensch klar. Ich hätte das echt verpeilt. Hast du denn schon alles eingekauft, was wir brauchen? Oder soll ich noch etwas besorgen? Getränke?" Ich schüttelte den Kopf und warf ihm meinen Autoschlüssel zu „Du musst nur noch den Rest aus dem Auto holen." Ehe er losmarschierte, zog er mich noch einmal in seine Arme und drückte mir einen Kuss auf mein Haar. „Wir sind eine perfekte WG. Dich lasse ich nie wieder ausziehen." Komisch, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er das auch so meinte. Und das obwohl er nicht mehr so einfach Weiber nach Hause abschleppen konnte oder wollte. Vielleicht machte er das sonst ja auch nur, weil er sich so alleine fühlte, schoss es mir durch den Kopf. So ein Quatsch, verwarf ich den Gedanken sofort. Wir sprachen hier von Phil, dem absoluten Reusanova, wie Luca ihn immer nannte. Phil liebte die Frauen und sie liebten ihn. Wahrscheinlich nahm er nur gerade Rücksicht auf mich. Ich sollte ihm klar machen, dass das nicht nötig war. Das war das mindeste, was ich ihm schuldig war, dafür dass er mich hier wohnen ließ. Nachdem er auch den Rest hoch geschleppt hatte, verräumten wir noch gemeinsam alles. „Hier" Phil drückte mir einen Geldschein in die Hand. „Was soll das?" „Das ist auch meine Familie, die zu Besuch kommt, also teilen wir die Kosten für den Einkauf." Ich schüttelte den Kopf und er nickte nur. „Doch! Keine Widerrede! Dafür musst du aber die Betten und alles vorbereiten." Das war ja mal wieder typisch Mann. Ich musste ihm ja nicht sagen, dass ich das sowieso machen würde. Ein Klingeln riss uns aus dem Geplänkel. Das musste Mika sein. Ein Blick zur Uhr bestätigte meine Vermutung, denn Mika kam immer pünktlich auf die Minute. Ich öffnete ihm die Tür und da stand er vor mir, in der Hand hielt er einen bunten Blumenstrauß. „Hallo" Er beugte sich vor und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Der ist für dich." Ich nahm ihm die Blumen ab und schnüffelte daran. Es war schon ewig her, dass Luca mir Blumen geschenkt hatte. Das letzte Mal zu meinem Geburtstag. Meine Hand ging zu meinem Hals an dem immer noch die Kette hing, die er mir geschenkt hatte. „Blumen?!" knurrte Phil verächtlich hinter mir. „Das volle Programm. Hast du die auf dem Friedhof geklaut, du Schwabe?" Ich drehte mich lächelnd zu Phil „Musst du nicht in die Klinik?" Ich hatte hier echt keine Lust mir durch irgendwelches unnötiges Gestänker den Abend versauen zu lassen. „Mmm." war die Antwort. Mikas Gesichtsausdruck wurde schlagartig freundlicher, denn er hatte sich bei Phils Anblick ein wenig verdunkelt. Kein Wunder, wenn mein Bruder ihn auch so anging. „Ich mache mich dann mal los." Phil kam zu mir und gab mir einen Kuss zum Abschied auf die Wange. „Wird heute nicht so lange. Ich bin so gegen Zehn wieder hier." Die letzten Worte gingen mehr in Mikas Richtung und klangen wie eine Drohung. Er lief zur Tür, aber nicht ohne Mika mit der Schulter anzustoßen „Und dann will ich dich hier nicht mehr sehen. Ist das klar!" Auch wenn er die Worte nur leise zuzischelte, verstand ich sie doch. Erst als die Tür ins Schloss fiel, sah Mika mich mit einem strahlenden Grinsen an. „Na dann lass uns mal loslegen. Ich bin schon den ganzen Tag heiß auf deine Verführungskünste." Ich schaute ihn schockiert an. „Ähm am Herd." fügte er schnell an. Erleichtert atmete ich auf.  Da sah man doch, dass Phil komplett falsch lag.

Schuss und Treffer im Auswärtsspiel - Teil 9  ✔️Where stories live. Discover now