8 - Geburtstagskind

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Raves POV

„Guten Morgen, mein allerliebster Geburtstagsschatz", werde ich von der schönsten Stimme auf diesem Planeten geweckt.

Es dauert einen Moment, bis ich meine schweren Augenlider öffne, doch sobald ich es geschafft habe, schaue ich in das strahlende Gesicht meiner Freundin.

„Hallo", begrüße ich sie verschlafen.

„Hallo", erwidert Mabel daraufhin lachend, ehe sie sich zu mir hinunterbeugt und mein Gesicht mit federleichten Küssen bedeckt. Dabei lässt sie keine einzige Stelle aus.

„Na, wie fühlt es sich an, zweiundzwanzig Jahre alt zu sein?", möchte sie wissen, nachdem sie leider viel zu früh wieder von mir ablässt. Kurz überlege ich, bevor ich ein „Müde" hervorpresse.

Automatisch müssen Mabel und ich lachen. Im Gegensatz zu meiner Freundin bin ich nämlich ein absoluter Morgenmuffel. Selbst heute, an meinem Geburtstag, würde ich am liebsten bis zum Mittag im Bett - beziehungsweise auf der Picknickdecke - liegen bleiben.

Da die Temperaturen in der vergangenen Nacht immer noch an den zwanzig Grad gekratzt haben, haben sich Mabel und ich spontan dazu entschlossen, unter dem freien Sternenhimmel zu übernachten. Selbstverständlich sind wir dann zu unserer magischen Waldlichtung gegangen und letztlich unter dem Lichterschein von tausenden Glühwürmchen eingeschlafen.

„Du hast aber heute keine Zeit, um müde zu sein", durchforstet Mabel schließlich mit einem frechen Grinsen meine Gedanken. „Ich habe nämlich noch etwas geplant, bevor wir dann alles für die Party heute Abend vorbereiten müssen."

Zwar klingen die Worte meiner Freundin sehr verlockend - immerhin bin ich ein Mensch, der Überraschungen liebt - doch in diesem Moment würde ich mir noch ein bisschen mehr Zweisamkeit und Körperkontakt wünschen.

Seit Lee nach Princeton gezogen ist, hatten Mabel und ich kaum noch Zeit für uns selbst.

Mir ist natürlich bewusst, dass es meine Idee war, Lee zu integrieren und ihm unter die Arme zu greifen, doch mittlerweile bereue ich diese Entscheidung ein wenig. Ich hätte wirklich kein Problem damit, meinen Cousin zwei- oder dreimal in der Woche zu sehen, aber Mabel jeden Tag mit ihm teilen zu müssen, ist dann doch etwas zu viel des Guten.

Ich kann mich zum Beispiel nicht einmal mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben. Auch wenn Sex auf meiner Prioritätenliste nicht ganz oben steht, ist es schön, sich hin und wieder körperlich zu lieben.

„Komm schon, Rave", reißt mich Mabel ein weiteres Mal aus meinen kreisenden Gedanken. „Wir müssen jetzt echt los."

Während sich meine Freundin bereits von der Picknickdecke erhebt und versucht, ihr zerknittertes T-Shirt glattzustreichen, entflieht mir bloß ein herzhaftes Gähnen. Ich bin noch nicht bereit, um aufzustehen.

Leider sieht Mabel das anders, denn sie streckt mir wenig später ihre Hände entgegen, um mich mit Schwung auf die Beine zu ziehen.

Sobald ich ihr gegenüberstehe, lächelt mich die grünäugige Schönheit verliebt an. Dann fragt sie hoffnungsvoll: „Geburtstagskuss?" Meine Antwort besteht lediglich daraus, meine Lippen auf ihre zu drücken.

Es ist mit Abstand das bezauberndste Gefühl dieser Welt, mein Mädchen zu küssen.

Ein paar Minuten lassen wir unsere Zungen noch miteinander tanzen, bis wir uns atembedingt voneinander lösen müssen. „Das war wunderschön", wispere ich Mabel leise ins Ohr. Daraufhin kann ich beobachten, wie sich eine feine Gänsehaut in ihrem Nacken ausbreitet.

„Oh ja, das war es wirklich", bestätigt sie lächelnd. „Aber jetzt ist es allerhöchste Eisenbahn, um von hier zu verschwinden!"

Ausnahmsweise lege ich keinen Protest ein, sondern klemme mir die Picknickdecke unter den Arm und verflechte meine Finger mit denen von Mabel. Gemeinsam schlendern wir durch den Wald und genießen die Stille, die uns umgibt.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWhere stories live. Discover now