31 - Herz oder Kopf?

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Mabels POV

„Das war schön", lächele ich Lee verträumt an, während ich mich in seinen dunklen Augen verliere.

Eigentlich war es nicht meine Absicht, den Blondschopf zu küssen oder gar mit ihm zu schlafen, aber irgendwie hat mir mein Bauchgefühl gesagt, dass es richtig ist, ihm näherzukommen.

Und so hat es sich dann auch während des Geschlechtsverkehrs angefühlt: Richtig.

Das Problem ist jetzt allerdings, dass ich nicht weiß, auf wen ich hören soll.

Auf mein Herz, das mir zuruft, mehr Zeit mit Lee zu verbringen und meinen Gefühlen für ihn nachzugeben?

Oder auf meinen Kopf, der mir sagt, dass ich schon seit fünf Jahren in einer glücklichen Beziehung mit Rave bin und ihn deshalb nicht verlassen kann?

„Ja, das war es wirklich", bestätigt Lee meine Aussage, womit er meine Gedanken in Staub verwandelt. Immer noch außer Atem von unserem Sex drückt er mich enger an seine nackte Brust und streichelt mir dabei über den Kopf. So geborgen und geliebt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

„Hast du Lust, dir mit mir die Sterne anzuschauen?", möchte der Braunäugige nach einer Weile des Schweigens wissen. Ohne großartig zu zögern, stimme ich seinem Vorschlag zu, weshalb wir uns schnell wieder unsere Kleidung anziehen und dann den Garten ansteuern.

Auf dem Weg nach unten kommen wir an Penelope vorbei, welche auf ihrem Bett sitzt und uns verschwörerisch zuzwinkert, als sie uns sieht.

Ob sie uns wohl beim Sex gehört hat? Hoffentlich nicht!

Da es mir unangenehm ist, über diese Frage nachzudenken, beschleunige ich meine Schritte und haste fast schon fluchtartig in den Garten. Lee folgt mir ein paar Minuten später mit zwei Kuscheldecken auf dem Arm.

Gemeinsam setzen wir uns auf eine Gartenliege, hüllen uns in die Decken und schauen dann in den Himmel. Überall funkeln kleine Lichter, hinter denen sich Träume verstecken, die nur darauf warten in Erfüllung zu gehen.

Rave und ich haben uns auch oft den Sternenhimmel angeschaut. Meistens hat mir mein Freund die verschiedenen Sternenbilder gezeigt oder mir irgendwelche Fakten über die Milchstraße erzählt.

Jetzt gerade genieße ich es aber einfach nur, in Lees Armen zu liegen und seinem ungleichmäßigen Herzschlag zu lauschen.

Lange hält unsere Stille allerdings nicht an, da der Blondschopf irgendwann leise murmelt: „Josh und Noah hätten sich bestimmt supergut verstanden." Ohne ihn anschauen zu müssen, weiß ich, dass sein Blick von tiefsitzender Trauer und Sehnsucht verschleiert wird.

Es muss schlimm sein, den eigenen Bruder verloren zu haben.

Auch wenn Noah manchmal der nervigste Mensch auf diesem Planeten ist und mich gelegentlich zur Weißglut treibt, möchte ich ihn nicht in meinem Leben missen. Dafür ist er mir viel zu wichtig.

„Sie hätten zusammen Fußball gespielt, im Wald mit Stöckern gekämpft und nachts eine Höhle aus Decken und Kissen gebaut, obwohl sie eigentlich schlafen sollten", spinnt Lee seine Traumvorstellungen weiter. „Schade, dass sich die beiden niemals kennenlernen werden."

Dieses Mal drehe ich meinen Kopf zu dem Blondhaarigen und beobachte ihn dabei, wie er sich eine Träne von der Wange wischt. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt und dennoch lächelt er.

„Irgendwann treffen sich Noah und Josh im Himmel", wispere ich gedämpft. „Und dann stellen sie dort alles auf den Kopf." Tatsächlich schaffe ich es mit meinen Worten, Lee ein sanftes Schmunzeln zu entlocken.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt