29 - Chaos der Gefühle

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Mabels POV

Es tut mir leid, Mabel.

Den ganzen Tag kann ich mich nicht auf die Worte meiner Professoren und Dozenten konzentrieren, da Lees Nachricht wie ein Gespenst durch meinen Kopf spukt.

Seit unserem Kuss im Krankenhaus sind über vier Wochen vergangen. In dieser Zeit haben wir uns weder persönlich gesehen noch standen wir per Handy in Kontakt. Zwischen Lee und mir hat absolute Funkstille geherrscht.

Warum also schreibt mir der Blondschopf plötzlich? Und wofür entschuldigt er sich bei mir?

Für den Kuss?

Weil er sich so lange nicht gemeldet hat?

Oder doch für etwas ganz anderes?

Mit rauchendem Kopf und einem unguten Gefühl in der Magengrube erreiche ich das Haus der Clintons und atme erleichtert auf, als mir Carol die Tür öffnet. Nach einer kurzen Begrüßung, die eher distanziert ausfällt, husche ich ins Obergeschoss, klopfe an Raves Zimmertür und betrete im Einklang mit seinem „Herein!" den Raum.

Etwas Ablenkung von Lees Nachricht wird mir sicherlich guttun.

Mein Freund liegt wie schon gestern Abend eingekuschelt in seinem Bett und schaut gespannt auf den Fernseher. Sein linker Arm und sein Kopf werden dabei von weichen Kissen gestützt.

„Hallo, mein Schatz", begrüße ich Rave lächelnd. „Na, wie geht es meinem Lieblingspatienten heute?" Statt darauf zu warten, dass mein Gegenüber meine Begrüßung erwidert, möchte ich unsere Lippen sofort zu einem leidenschaftlichen Kuss verbinden, doch Rave dreht im letzten Moment seinen Kopf zur Seite, sodass ich lediglich seine Wange treffe.

Verwirrt von seiner abweisenden Reaktion heben sich meine Augenbrauen und meine Stirn kräuselt sich. „Habe ich etwas Falsches gesagt?", hake ich direkt nach.

Für den Bruchteil einer Sekunde schaut mich Rave enttäuscht an, ehe er seinen Blick schnell wieder abwendet. Wenn mich nicht alles täuscht, funkeln sogar glitzernde Tränen in seinen Augen.

„Was ist los?", möchte ich also verunsichert wissen. „Ist etwas passiert?"

Innerlich bereite ich mich schon mal auf das Schlimmste vor.

„Du fragst mich, ob etwas passiert ist?", wiederholt mein Freund nach einer Weile meine Frage, wobei er verbittert schnaubt. „Ich sollte wohl eher dich fragen, ob etwas passiert ist, nicht wahr?"

Vollkommen irritiert von Raves Worten lasse ich mich neben ihm auf seinem Bett nieder und greife nach seiner Hand. Erst möchte er diese wegziehen, aber letztendlich lässt er doch zu, dass ich unsere Finger miteinander verschränke.

Als ich gestern Abend gegangen bin, war noch alles okay zwischen uns. Zwar war Rave traurig, dass ich nicht noch länger geblieben bin, doch er hat sich mit einem Lächeln von mir verabschiedet. Irgendetwas muss also in der Zwischenzeit vorgefallen sein, denn andernfalls würde sich mein Freund jetzt nicht so merkwürdig mir gegenüber verhalten.

Da ich allerdings keinen blassen Schimmer habe, was der Auslöser für seine Stimmungsschwankungen sein könnte, sage ich ehrlich: „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Rave."

Daraufhin schaltet der Lockenkopf den Fernseher aus, verengt seine Augen zu schmalen Schlitzen und funkelt mich schließlich mit einer Mischung aus Zorn und Enttäuschung an. Ein letztes Mal holt er tief Luft, ehe er anklagend zischt: „Ich rede davon, dass Lee und du euch geküsst habt!"

Im ersten Moment bin ich so perplex, dass ich Rave bloß regungslos anschauen kann, doch sobald ich seine Worte verarbeitet habe, weiten sich schockiert meine Augen. Ich möchte etwas sagen, aber jedes einzelne Wort bleibt mir wie Sand im Hals stecken.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenOnde histórias criam vida. Descubra agora