27 - Vom Lieben und Verzeihen

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Mabels POV

Rave sieht schrecklich aus.

Dunkle Schatten liegen unter seinen geschlossenen Lidern, mehrere Schürfwunden verzieren sein Gesicht und sein linker Arm befindet sich in einer Schlinge.

Das ist allerdings nicht das Schlimmste. Das, was mich nämlich am meisten entsetzt, ist der riesige Verband, der um seinen Kopf gewickelt wurde.

Automatisch treten mir wieder Tränen in die Augen. Es bricht mir das Herz, Rave so zugerichtet vor mir zu sehen und gleichzeitig zu wissen, dass ich der Grund für seine Verletzungen bin.

Nie wieder werde ich zulassen, dass wir im Streit auseinandergehen!

Mit brennenden Glasperlen in den Augen greife ich nach Raves kalter Hand und verflechte vorsichtig unsere Finger miteinander.

Die Ärzte wollten mich erst nicht zu ihm lassen, da ich keine Angehörige der Familie bin, aber glücklicherweise hat sich die nette Krankenschwester, die mich noch vor wenigen Stunden getröstet hat, dafür eingesetzt, dass ich meinen Freund sehen darf.

„Rave", schluchze ich schließlich leise. „Bitte wach auf. Ich liebe dich doch!"

In den meisten Filmen hätte der Lockenkopf jetzt vermutlich seine Lider geöffnet, doch in der Realität tut er das leider nicht. Lediglich das gleichmäßige Senken und Heben seines Brustkorbes verrät mir, dass er noch lebt.

„Sie werden geduldig sein müssen", hat der Arzt zu mir gesagt, bevor er mich in Raves Zimmer gelassen hat. „Es kann sein, dass er auch erst in ein paar Tagen aufwachen wird."

Bei der Erinnerung an diese Worte zieht sich mein Herz krampfhaft zusammen.

Ich kann nicht mehrere Tage darauf warten, dass Rave endlich zurück zu mir kommt. Ich möchte ihn jetzt sehen, ihm jetzt in die Arme fallen und ihm jetzt sagen, dass ich ihn liebe.

„Bitte wach auf!", wiederhole ich mich verzweifelt. Meine Stimme ist rau und kratzig, sodass sie sich in meinen Ohren vollkommen fremd anhört.

„Bitte, Rave." Eine Träne des Kummers löst sich aus meinem Augenwinkel und landet wenig später auf unseren verknoteten Händen.

Ich möchte die Glasperle gerade wegwischen, da gibt mein Handy einen surrenden Ton von sich. Sofort entsperre ich das Display, nur um kurz darauf einen enttäuschten Laut aus meinen Lungen zu pressen.

Tut mir leid, Mabel, aber ich habe beruflich zu tun. Ich drücke die Daumen, dass Rave bald wieder aufwacht. Halte mich auf dem Laufenden.

Eigentlich hätte ich mir denken können, dass Audrey nicht extra den weiten Weg von Baltimore nach Princeton auf sich nimmt, nur um im Krankenhaus an meiner Seite darauf zu warten, dass Rave zurück in die Realität gelangt.

Das Leben meiner einstigen besten Freundin spielt jetzt woanders. Wenn es hart auf hart kommt, kann ich mich nicht mehr auf sie verlassen.

Ohne auf Audreys Nachricht zu antworten schiebe ich mein Handy zurück in meine Hosentasche. Kurz darauf klingelt es jedoch erneut, sodass ich es schnell wieder in meinen zittrigen Händen halte.

Entgegen meiner Erwartungen habe ich keine weitere Nachricht von Audrey erhalten, sondern von Lee.

Ist Rave schon aufgewacht? möchte er wissen.

Automatisch bildet sich ein großer Kloß in meinem Hals. Allein schon Lees Namen auf dem Display zu sehen, reicht aus, um mir eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen.

In den letzten Stunden, in denen ich an Raves Krankenbett saß, hatte ich viel Zeit, um über unseren Kuss nachzudenken. Zwar habe ich ihn nicht erwidert und Lee danach für seine unüberlegte Handlung zurechtgewiesen, doch ganz kalt hat mich dieser Kuss definitiv nicht gelassen.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWhere stories live. Discover now