37 - Auf dem Boden der Tatsachen

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Mabels POV

Mit der Ausnahme von Penelope und Lee scheine ich die einzige Person zu sein, die sich auf Raves Feier mehr als nur unwohl fühlt.

Ständig sprechen uns unsere Familien ihre Glückwünsche aus und sagen uns, was für ein tolles Paar wir doch seien. Dass wir in den letzten Wochen allerdings eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt haben und unsere Beziehung regelrecht auf die Probe gestellt wurde, wird unter den Tisch gekehrt.

Fast schon folge ich der Annahme, dass Rave diese Feier nur organisiert hat, um allen unter die Nase zu reiben, dass ich ihm gehöre. Vor allem die selbstgefälligen Blicke, die er Lee zugeworfen hat, haben mich in dieser Vermutung bestätigt.

Es ist bereits sieben Uhr am Abend, als ich meinem Freund am Ärmel zupfe und mit einem „Rave?" seine Aufmerksamkeit zu ergattern versuche. Es dauert ein paar Sekunden, bis sich der Angesprochene von seinem Großvater abwendet und sich stattdessen zu mir dreht. „Was ist los, Mabel?", möchte er mit einem gereizten Unterton in der Stimme wissen.

„Ich werde jetzt nach Hause gehen, okay?", sage ich unsicher, da ich seine Reaktion nicht einschätzen kann. „Mir geht es nämlich nicht so gut. Wahrscheinlich habe ich zu tief ins Glas geschaut."

„Okay", erwidert Rave zu meiner Überraschung gelassen. „Ich wollte nachher sowieso noch mit Milo und Frank um die Häuser ziehen."

Statt sich nun anständig von mir zu verabschieden oder mich zumindest zur Haustür zu begleiten, wendet sich mein Freund einfach wieder von mir ab und nimmt das Gespräch mit seinem Großvater auf.

Kurz überlege ich, ob ich mich von den restlichen Leuten in diesem Raum verabschieden soll, doch schließlich entscheide ich mich dagegen. Ein weiteres Mal kann ich mir die ganzen Glückwünsche nämlich nicht anhören.

Auch meinen Eltern und Noah erzähle ich nicht, dass ich mich auf den Heimweg begebe. Sobald ich dann zu Hause angekommen bin, werde ich ihnen eine Nachricht schreiben, damit sie sich keine Sorgen um mich machen müssen.

Jetzt gerade brauche ich etwas Ruhe und Zeit für mich selbst.

Bedacht darauf, dass mich niemand beobachtet, schleiche ich mich aus dem Wohnzimmer und schlüpfe im Flur schnell in meine Jacke. Dann verlasse ich das Haus der Clintons und tauche draußen in der kalten Dunkelheit ein.

Es tut gut, von der frischen Luft umhüllt zu werden, da diese meinen Kopf ausspült.

Ich weiß, dass Rave mit seiner kleinen Überraschungsfeier keine bösen Absichten hatte – außer vielleicht um Lee zu provozieren – aber das war zu viel des Guten. Noch immer bin ich mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, seinen Ring anzunehmen.

Hätte ich vielleicht doch auf mein Herz hören sollen?

Ein verzweifeltes Seufzen verlässt meine Lippen.

Ständig habe ich mich dabei erwischt, wie ich Lees Blickkontakt gesucht habe. Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen, um in seiner Nähe zu sein, doch letztendlich war ich zu feige dafür. Die Enttäuschung, die in seinen dunklen Augen geflackert hat, hat mich beinahe um den Verstand gebracht.

Dass ich der Auslöser für seine Trauer bin, ist mir mehr als nur bewusst.

„Mabel?" Ich zucke erschrocken zusammen, als plötzlich mein Name ertönt.

Im ersten Moment denke ich, dass mir Rave doch nachgegangen ist, aber sobald ich mich umdrehe, schaue ich in das vertraute Gesicht von Lee. Seine Wangen sind gerötete und sein ungleichmäßiger Atem pustet helle Rauchwölkchen in die Luft.

„Bist du mir etwa hinterhergelaufen?", möchte ich sofort amüsiert wissen, woraufhin der Blondschopf nickt. „Ein Gentleman lässt eine Dame abends nicht allein nach Hause laufen."

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWhere stories live. Discover now