14 - Gespräch unter Cousins

323 32 3
                                    

Lees POV

Ich wusste es.

Ich wusste, dass mir das Schicksal ein Messer in den Rücken rammen und mir Mabel und Rave wieder wegnehmen würde.

Es war naiv von mir, zu denken, dass es dieses Mal anders sein könnte.

Ich bin dazu verdammt, allein und unglücklich zu sein. Freude und Spaß sind bloß temporäre Begleiter, die sich früher oder später an der nächsten Weggabelung von mir verabschieden.

Eine Träne des Zorns kullert über meine Wange, die ich schnell wegwische.

Es ist meine eigene Schuld, dass ich nun erneut einen Tiefpunkt in meinem Leben erreicht habe. Hätte ich Mabel und Rave von Anfang an auf Abstand gehalten, hätte mich Mabels indirekter Vorwurf vor einigen Minuten auch nicht so hart treffen können.

„Na ja, Rave und ich hatten in den letzten Wochen nicht besonders viel Zeit für uns zwei. Das hat mir irgendwie gefehlt. Unsere Zweisamkeit", hallen die Worte der Rothaarigen wie ein Mantra durch meinen Kopf.

Eigentlich hätte sie mir auch direkt ins Gesicht sagen können, dass ich der Grund dafür bin, warum sie Raves Ring nicht angenommen hat. Meinetwegen konnte sie ihren Freund nämlich nicht allein treffen.

Ständig habe ich Mabel und Rave am Rockzipfel geklebt, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, dass sie meine Anwesenheit eventuell als lästig empfinden könnten.

Da ich merke, wie sich eine neue Welle der Enttäuschung in meinem Inneren zusammenbraut, beschleunige ich meine Schritte. Je eher ich mit Rave sprechen kann, umso früher kann ich mich wieder an das Alleinsein gewöhnen.

Tatsächlich dauert es auch gar nicht lange, bis ich das schicke Stadthaus von Rave und seinen Eltern erreicht habe, und die Klingel betätige. Keine zwei Sekunden später steht mir meine Tante mit verschränkten Armen gegenüber.

„Hallo Carol", begrüße ich sie möglichst freundlich. „Ist Rave zu Hause? Ich muss unbedingt mit ihm sprechen."

Anstatt etwas auf meine Begrüßung oder meine Frage zu erwidern, mustert mich meine Tante bloß mit hochgezogenen Augenbrauen. Auch wenn sie mich überhaupt nicht richtig kennt, habe ich das Gefühl, dass sie mich nicht sonderlich gut leiden kann.

Schon damals, als ich noch ein kleiner Junge war, hat sie mich auf den ganzen Familienveranstaltungen konsequent mit Nichtachtung gestraft.

Ein Glück, dass ich sie vor meiner Zeit in Princeton nur drei- oder viermal sehen musste.

„Es ist wirklich wichtig, Carol", versuche ich es erneut, nachdem die schwarzhaarige Frau immer noch nichts gesagt hat.

„Ich denke nicht, dass Rave momentan irgendjemanden sehen möchte", ringt sich meine Tante daraufhin zu einer Antwort durch, bei der sich ein Schleier aus Besorgnis über ihre Stimme legt.

Entweder hat Rave seiner Mutter von dem Gespräch mit Mabel erzählt oder er ist bloß aufgelöst in sein Zimmer gestürmt. Ein anderer Grund für Carols Sorge fällt mir nämlich spontan nicht ein.

„Deinem Cousin ist heute etwas nicht so Schönes widerfahren, Lee."

„Ich weiß, was zwischen Rave und Mabel passiert ist. Deshalb bin ich ja auch hier. Bitte lass mich zu ihm, Carol." Während ich das sage, setze ich meinen besten Hundeblick auf. Das hat zur Folge, dass meine Tante kurz unentschlossen in Richtung Obergeschoss schaut, dann aber glücklicherweise nickt.

„Na schön", fügt sie ihrer Geste hinzu. „Versuch ruhig dein Glück. Ich kann dir aber nicht versprechen, dass Rave dich in sein Zimmer lassen wird. Selbst ich habe Betretungsverbot."

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWhere stories live. Discover now