XVI

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• L A I L A •

David sah mich entgeistert an. „Vergiss es! Darryl hat mit dem Clan genug zu tun, und was soll er denn machen? Sich Herr Laslo mal zur Brust nehmen?", lachte er humorlos auf und lehnte sich ebenfalls zurück.

„Ne, aber es wäre mal gut, wenn er es wüsste. Sonst ist er hinterher beleidigt, weil wir nichts gesagt haben", warf ich ein und ließ meinen Blick durch den Raum wandern.

Darryl hatte als neuer Anführer genug zu tun. Schon lange war es so gedacht, dass er irgendwann in Malcoms Fußstapfen treten würde und genau dies tat er jetzt. Er kümmerte sich gut um den Clan. Da brauchte er nicht noch zusätzliche Probleme.

David stand auf und brachte sein restliches Essen weg. „Wie du meinst, aber eins sag ich dir, dieser Lehrer wird mit uns nicht sein Spiel spielen!"

„Das tut er doch schon längst", rief ich ihm hinterher und brachte meine Sachen ebenfalls weg.

Dies dauerte mal wieder unglaublich lange. Einige Schüler hatten bis heute keine Ahnung, wie man sich in einer Gesellschaft zu verhalten hatte. Ihre lauten Gespräche, diese unkoordinierten Bewegungen und ihr Umgang mit dem Essen waren einfach abartig. Was hatten deren Eltern nur falsch gemacht?

Die restlichen Stunden zogen sich einfach nur. Wie sehr ich doch nach Hause wollte. Doch das Nachsitzen kam ja noch.

„Ich hab so gar keine Lust darauf", meckerte David neben mir, der absichtlich langsam lief, da er noch nicht zu Herr Laslo in den Raum wollte. Nur brachte das rein gar nichts. Im schlimmsten Fall würden wir noch zu spät kommen und dann hätten wir nur noch mehr Probleme.

Seufzend richtete ich meinen Rucksack. „Glaub mir, ich auch nicht."

„Warum gehen wir dann einfach nicht hin?"

„Weil das nicht so einfach geht! Ich will meine Noten nicht ruinieren und Herr Laslo bewertet uns sowieso schon strenger!", hielt ich dagegen. Mein Abschluss war mir immer noch wichtig.

David murrte genervt und bog anschließend ab, mit dem Kommentar, „Muss mal aufs Klo."

Sein Ernst? Genervt sah ich ihm hinterher und verschränkte die Arme vor der Brust. Wir würden sowas von zu spät kommen! Nachsitzen war eigentlich gar nicht üblich an unserer Schule. Kein Lehrer hatte dies je gewollt. Es war ja auch ihre Zeit, die sie da verschwendeten. Doch Herr Laslo war eine Ausnahme an sich.

„Hier sieht doch alles gleich aus!", hörte ich eine Stimme durch den leeren Gang schimpfen und drehte mich sofort um. Wie ich solche Situationen doch immer hasste, wenn ich vollkommen allein auf dem Gang stand.

„Du gewöhnst dich schon dran", meinte die andere und kurz danach kamen zwei Jungs um die Ecke gebogen. Den einen kannte ich nur zu gut und sofort spannte ich mich an. „Irgendwie laufen wir uns immer hier über den Weg, hm?", fragte Ben an mich gewandt, der mich nun auch bemerkte.

Ärgerlich wich ich einen Schritt nach hinten und erwiderte, „Gehen ja auf die selbe Schule, da ist das nicht sonderlich schwer."

Ben verzog etwas das Gesicht und mein Blick wanderte zu dem Jungen, der neben ihm stand. Er hatte blonde Haare, die wohl noch nie eine Bürste gesehen hatten und braune Augen, die mich lebhaft und aufmerksam musterten. Zudem hatte er am Hals einige kleine Kratzer, vermutlich Narben.

Hoffentlich kam David bald zurück.

„Ist das deine Balzpartnerin?", fragte der Unbekannte an Ben gewandt, ohne seinen Blick von mir zu lösen und stupste ihm in die Seite.

Nicht nur ich riss meine Augen auf. Auch Ben stieß ein, „Bitte was?!", aus und sah seinen Kumpel schockiert an. „Luke, das-"

„Das hätte er wohl gerne so gehabt", grätschte ich dazwischen und musterte Ben mit einem eiskalten Blick. Die Geschichte von damals würde ich ihm nicht so schnell verzeihen.

Dieser Luke hingegen kniff nachdenklich die Augenbrauen zusammen und wollte gerade etwas erwidern, da kam David zu meinem Glück wieder und blieb bei Bens Anblick augenblicklich stehen. „Eine schlechte Begegnung nach der anderen heute", knurrte er.

„Ach David, du hast doch keinen Grund mir böse zu sein", meinte Ben ungewohnt samtig und als er auch noch auf meinen Nebenmann einen Schritt zu machte, packte mich David am Arm und zog mich mit sich.

„Der widert mich an", fauchte David und platzte, ohne nachzudenken, in das Zimmer von Herr Laslo.

Dieser sah überrascht auf und keiner sagte ein Wort. Peinliche Röte stieg mir ins Gesicht und ich setzte mich einfach auf einen der freien Plätze. David neben mich. Herr Laslo ließ uns dabei nicht aus den Augen und faltete seine Hände zusammen.

„Echt erstaunlich, dass Malcom dich aufgenommen hat, bei deinem mangelnden Feingefühl", sagte er irgendwann an David gerichtet und dieser sah überrascht auf. „Auf der anderen Seite hatte er schon immer etwas für die Schwächeren übrig."

„Was? Woher kennen sie Malcom? Und wer sind sie?", stieß David fordernd aus, der aufgesprungen war und sich sichtlich angegriffen fühlte.

Amüsiert lehnte sich unser Lehrer zurück. „Ich bin Arthur Laslo."

„Das weiß ich selbst! Ich will wissen, wer sie wirklich sind. Nicht ihren Namen", erklärte David, der seine Unsicherheit, welche durch die Ungewissheit ausgelöst wurde, nicht länger verstecken konnte.

Doch Herr Laslo ließ sich nichts sagen. „Alles zu seiner Zeit, kleiner Waldmensch, nur so viel, ihr werdet es noch bereuen, dass ihr uns in die Quere gekommen seid", drohte er mit dunkler Stimme und sein Schwert Tattoo verzog sich, als er seine Arme anspannte.

„Uns?", warf ich ein und beugte mich etwas weiter vor.

Er grinste schief. „Ja uns, ihr dürftet doch eure lieben Nachbarn schon kennengelernt haben. Keine Ahnung, was euch Malcom erzählt hat, aber der eigentliche Grund, warum wir uns nicht leiden können, liegt viel weiter zurück."

„Diese ganze Geheimniskrämerei geht mir gewaltig auf den Zahn", fauchte David. „Sagen sie uns einfach was sie wollen!"

„So einfach ist das nicht", erklärte er und holte einige Blätter aus seiner Tasche. „Denn wäre es das, dann würden wir uns nicht mehr bekriegen und die Clans hätten Frieden." Er umrundete seinen Tisch und blieb vor David stehen, der immer noch stand. „Doch vorerst sollten sie ihre Aufgaben machen."

Nachdrücklich sah er seinen Gegenüber an und nach kurzem Zögern setzte sich David.

Auch ich sah auf den Tisch. Die Aufgaben an sich interessierten mich nicht im Geringsten. Meine Konzentration war schon lange weg. Stattdessen stellte ich mir Fragen über Fragen und die Befürchtung, dass alles von vorne losgehen würde, wurde immer größer.

His Green EyesWhere stories live. Discover now