XII

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Als ich es an der Tür klingeln hörte, sprang ich auf und hastete die Treppe hinunter, um Sara aufzumachen. „Hey!", riefen wir gleichzeitig und umarmten uns stürmisch.

„Hast du alles dabei?", fragte ich sie, da sie extra noch einkaufen war.

Sie strahlte übers ganze Gesicht. „Na klar, was denkst du denn?" Wie selbstverständlich betrat sie mein Haus und lief sofort hoch in mein Zimmer. Heute war endlich Samstag und wir freuten uns schon beide mega auf das Fest. Nur mein Vater durfte davon nichts erfahren, aber der arbeitete ja sowieso.

Im Zimmer angekommen, schüttete sie alles was sie mitgebracht hatte auf meinem Bett aus. „So dann wollen wir doch mal sehen, was wir heute Abend so anziehen", sprach sie zu sich selbst, ehe sie zu mir sah. „Schließlich wollen wir ja nicht kommen wie Landstreicher." Sie zwinkerte mir zu und ich wusste genau, auf was sie hinauswollte.

„Ey, sag nichts gegen meine Jogginhose", gab ich schmunzelnd zurück. Wenn Wochenende war, lief ich halt nicht immer total aufgebrezelt herum, was Sara nur mit einem schnauben kommentierte.

Sie zuckte mit den Schultern. „Jetzt musst du sie sowieso ausziehen", grinste sie.

„Du bist unmöglich." Ich schüttelte mit dem Kopf.

Gemeinsam machten wir uns fertig, wobei ich der Meinung war, dass Sara viel zu viel Wert auf Schminke und knappe Kleidung legte. Zudem benutzte sie so viel Parfum, dass mein ganzes Zimmer danach roch.

Ich hingegen trug eine hellblaue Jeans mit Löchern, weiße Turnschuhe und ein schlichtes weißes Shirt. Als wir dann endlich fertig waren, schnappten wir uns unsere Jacken und verließen das Haus.

Es war ein ganzes Stück bis zu dem Waldstück, wo die Feier war. Doch das Meiste konnten wir mit dem Bus fahren. Als er dann endlich hielt, stiegen wir aus und liefen die paar hundert Meter zu der Lichtung. Wie jedes Jahr fand das Sommerfest mitten im Wald statt. Zwar hatte ich immer etwas Bedenken wegen meiner Träume und genau jetzt sollte ich eigentlich noch vorsichtiger sein, aber es war nie etwas passiert, also kein Grund zur Sorge.

Schon von weitem rochen wir das köstliche Essen, hörten die laute Musik und sahen das große, knisternde Feuer. Obwohl es noch hell war, waren schon viele hier und es herrschte schon Partystimmung. Dann plötzlich zupfte Sara an meinem Ärmel, weswegen ich mich zu ihr drehte.

„Da schau mal." Sie deutete auf die andere Seite des Feuers, wo ich Darryl, David und ein paar andere Jungs ausmachen konnte.

Natürlich schleifte Sara mich sofort zu ihnen. „Hey, na ihr? Wir dachten schon ihr kommt nicht?", meinte David gleich, nachdem er uns beide mit einer Umarmung begrüßt hatte.

„Hey, es ist doch noch hell, also sind wir ja nicht zu spät!", verteidigte uns Sara, während sie David wieder schöne Augen machte.

Ich stand derweil daneben und wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Schließlich kannte ich die anderen Jungs nicht und hatte auch überhaupt keine Ahnung, worüber ich mit ihnen reden sollte.

Sara hingegen unterhielt sich gut gelaunt mit den anderen, während ich mich etwas überflüssig fühlte. Doch Darryl ging es anscheinend genauso. Er schien sich nicht mal ansatzweise wohl zu fühlen und er versuchte noch nicht mal ein Gespräch anzufangen.

Langsam wurde es dunkel und die Party war in vollem Gange. Trotzdem konnte ich sie nicht genießen. Ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt, mit meinem Drink in der Hand. Sara war schon leicht angetrunken und wich David kaum von der Seite. Die anderen Jungs waren mit sich selbst beschäftigt und Darryl war vor gut zehn Minuten verschwunden.

Mittlerweile war das Feuer das Einzige Licht hier und der Wald lag stockdunkel hinter uns. Auch wurden es immer weniger Leute hier und ich wusste nicht so recht was ich tun sollte. Vielen Dank auch Sara, dachte ich mir nur und schüttelte kurz den Kopf.

Mein Blick schweifte durch die ganzen Menschen, doch Darryl war wirklich weg.

Da mir kalt wurde, beschloss ich meine Jacke zu holen, die wir auf eine der Holzbänke weiter weggelegt hatten. Dazu musste ich gut fünf Meter von den anderen weg. Was mir gar nicht gefiel. Als ich vor der Bank stand und meine Jacke aufnehmen wollte, spürte ich auf einmal eine Hand auf meinen Mund und einen starken Rücken hinter mir.

Vor Schreck wollte ich aufschreien, doch es drang kein Laut aus meinem Mund. Und selbst wenn, die laute Musik hätte sie wahrscheinlich übertönt.

Die Person drängte mich in den Wald und ignorierte gekonnt mein Gezappel. Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, doch es war zwecklos. Immer weiter gingen wir in den Wald, bis die Musik nicht mehr zu hören war und auch das Licht des Feuers weg war. Ich bekam immer mehr Panik und zappelte immer mehr. Dann trat ich ihn aus Versehen auf den Fuß. Doch das war wohl mein Glück, denn er zischte auf und ließ mich erschrocken los.

Dadurch fiel ich auf den Boden. Doch kurze Zeit später drehte ich mich um, so dass ich auf den Rücken lag. Anschließend trat ich ihn dort hin wo die Sonne nie scheint und als er sich vor Schmerz krümmt, stand ich auf und rannte davon.

Ich hatte keine Ahnung, wo ich war oder wo ich hinrannte. Ich wollte einfach nur weg, weg von diesen Typ. Denn ich wusste genau wer er war. Er war einer von Ihnen! Einer von denen, vor dem mein Vater mich immer gewarnt hatte. In meinen Träumen hatte ich immer geglaubt einer von Ihnen würde mich verfolgen. Heute weiß ich, dass es nur Darryl war. Er gehörte ganz sicher nicht zu Ihnen. In seiner Nähe fühlte ich mich wohl und hatte nicht den Drang wegzurennen.

Nur jetzt träumte ich nicht. Das war das wirkliche Leben und dieses Mal konnte ich nicht einfach hoffen aufzuwachen. Und die kleine Hoffnung, dass aus welchem Grunde auch immer Darryl auftaucht gab es auch nicht, denn er war schon lange weg und hatte das Gelände verlassen.

„Hilfe! Ist hier jemand?!", schrie ich in die Stille der Nacht. Es war idiotisch. Wer wollte denn bitte mitten in der Nacht im Wald herumlaufen?! Naja, laut David ja anscheinend Darryl.

Natürlich antwortete mir keiner. Nur die schnellen Schritte des Mannes, der mich jetzt verfolgte, waren zu hören.

Blind lief ich durch den Wald. Ich sah nichts, hatte keine Orientierung und eine riesengroße Angst. Mein Herz schlug wieder mal bis zum Anschlag und ich fing an zu schwitzen. Ich hörte meinen eigenen Puls in meinem Ohr und ich schnappte nach Luft. Meine Augen waren weit aufgerissen und ich war mir sicher, dass meine Pupillen Rekord Größe hatten. Von meiner Angst getrieben lief ich immer weiter in den dunklen Wald hinein.

Hin und wieder stolperte ich und sah immer wieder nach hinten, doch ich konnte ihn in der Dunkelheit nirgends sehen. Nur hören konnte ich ihn. Als ich meinen Kopf wieder nach vorne drehte schlug mir ein Ast ins Gesicht und ich zischte auf. Das Brennen über meinem Auge lenkte mich kurz ab und kurze Zeit später spürte ich das warme Blut über meine Wange laufen.

Da meine Atmung sehr schnell ging atmete ich durch den Mund und konnte dadurch meine eigenen Luftzüge hören. Wo sollte das noch enden? Selbst wenn ich ihm davonrennen konnte, was tat ich dann? Ich war mitten im Wald, hatte weder Empfang noch einen Plan, wo die Stadt lag.

Von meinen eigenen Gedanken abgelenkt, bemerkte ich wie ich langsamer geworden war. Außerdem machte mir die unbändige Angst zu schaffen und ich musste meine Beine regelrecht dazu zwingen weiter zu laufen. Das Unterholz wurde plötzlich dichter und eine Ranke verfing sich an meinem Hosenbein, wodurch ich fiel. Mist!

Jetzt brannte auch mein Bein und schnell drehte ich mich um. Versuchte die Ranke von meinem Bein zu entfernen, um wieder aufzustehen. Doch es war bereits zu spät.

„Sieh es ein, du kannst mir nicht entkommen!", hallte die leise Stimme im Wald und ich sah wie der Mann im schwarzen Umhang auf mich zu kam.

Jetzt war es wohl wirklich zu spät. Ich nahm meine Hände von der Ranke und wartete auf das Schlimmste. Starrte dabei die Person an, die mit langsamen Schritten auf mich zu kam, wohl in dem Wissen, dass ich nicht fliehen konnte.

His Green EyesWhere stories live. Discover now