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Ich war zu perplex, um antworten zu können. Er liebte mich?! Das hätte ich mir zwar denken können, aber... es war einfach etwas plötzlich!

Darryl sah mir die ganze Zeit über in die Augen, so, als würde er sich ohne meine Erlaubnis nicht den nächsten Schritt trauen. Still wartete er auf eine Reaktion meinerseits, doch sie kam nicht. Niedergeschlagen seufzte er und schloss für einen Moment bedauernd die Augen, eher er sich von mir entfernte. Sofort vermisste ich seine Nähe und Wärme.

„Ich verstehe, dass du mir keine Antwort gibst. Wie auch? Wir kennen uns erst seit einer Woche wieder." In seiner Stimme lag solch eine Traurigkeit, dass es mir selbst wehtat. Nur hatte er recht, ich konnte seine Liebe vorerst nicht erwidern. Jedenfalls noch nicht.

„Ich... es tut mir leid, Darryl", brachte ich mit trockener Kehle heraus. „Aber ich brauch erst mal Zeit für mich."

Stumm nickte er und erhob sich. „Findest du allein zurück?"

„Ja", antwortete ich, ohne ihn anzusehen.

Ich vernahm noch, wie er sich zögerlich umdrehte und den Weg von vorhin zurücklief. Doch bevor er ganz im Wald verschwinden konnte, rief ich ihn nochmal zurück. „Darryl!" Fragend drehte er sich um. „Danke, dass du mir die Wahrheit erzählt hast."

Ein kurzes, aber wehmütiges Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann ging er. Lange noch sah ich ihm nach und richtete mein Blick anschließend auf den See.

Ich konnte einfach nicht glauben, die letzten Jahre belogen wurden zu sein. Von meinem Vater. Von Sara. Und auch von Darryl und David. Sie hatten behauptet, sie würden mich nicht kennen. Sara, meine beste Freundin hatte so getan als wäre nichts. Und mein eigener Vater hatte mich auf schrecklichste manipuliert.

Wie konnte ich nur so blind sein?! Ich hätte doch etwas bemerken müssen!

Nach einer Weile sah ich ein, dass mich meine Vorwürfe und Gedanken nicht weiterbrachten. Also stand ich auf, da mir mittlerweile ziemlich kalt war. Allerdings hatte ich meine Entscheidungen getroffen. Zu meinem Vater würde ich vorerst nicht wieder zurückkehren, zumindest nicht freiwillig. Was Sara betraf war ich mir noch unsicher.

Sie hatte mich immerhin vor den Akshara Brüdern gewarnt und meine Träume erst nicht ernst genommen, obwohl sie deren Bedeutung offensichtlich genau kannte.

Wütend stand ich erneut auf und folgte Darryl zurück, nur viel langsamer.

Währenddessen rief ich Sara an. Eine ganze Weile piepte es und am Ende nahm sie doch nicht ab. Ein Blick auf die Uhr verriet mir auch warum. Sie hatte gerade Unterricht. Und ich ja eigentlich auch, wenn ich nicht schwänzen würde.

Gefrustet steckte ich mein Handy zurück in die Hosentasche. Beim Laufen genoss ich die Wärme der Sonne und gleichzeitig den frischen Wind. Die Bäume über mir sahen einfach wunderschön aus und ich konnte nicht verstehen, weshalb Darryl so lang nicht hier war. Obwohl ich anfangs keine Orientierung hatte, fand ich den Weg recht schnell. Immerhin wusste ich ja noch aus welcher Richtung wir kamen.

„Hey Laila, warte mal kurz!", rief mir jemand zu und als ich mich umdrehte erblickte ich Molotov, der eilig auf mich zu kam.

„Molotov?", fragte ich überflüssigerweise.

Vor mir kam er zum Stehen und grinste mich breit an. Dann wechselte sein Ausdruck zu verwirrt. „Was machst du hier allein draußen?"

„Ich hab mich mit Darryl unterhalten. Und was machst du hier?" Meine Worte klangen misstrauischer als gewollt und bei meinem Tonfall veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Ich nahm es ihm noch immer übel, dass er heute früh einfach so hereingeplatzt kam.

„Ich war spazieren und...", krampfhaft suchte er nach einer Erklärung, doch ihm wollte scheinbar nichts einfallen.

Gelangweilt sah ich ihn an. „Wenn nichts ist, dann kann ich ja weitergehen", meinte ich und wollte demonstrativ ein paar Schritte nach vorne gehen.

Doch das schien dem Orangehaarigen nicht zu gefallen. „Halt!" Schnell hatte er sich vor mich gestellt und in seinen Bernsteinaugen funkelte für einen Augenblick lang Panik. Es war offensichtlich, dass er etwas vor mir verbergen wollte.

Gerade wollte ich ihm antworten, da ertönte ein lauter Schuss, der lange im Wald nachhallte. Sofort zuckte ich zusammen und Molotov knurrte sauer auf.

Jetzt wollte ich unbedingt wissen was hier los war. Hastig schob ich mich an ihm vorbei und ging durch den Wald. Genau in die Richtung aus der, der Schuss kam. Mir war klar, dass das unter Umständen sehr gefährlich war, doch im Augenblick dachte ich nicht daran.

Ich hörte hinter mir Molotov fluchen und vernahm seine schnellen Schritte.

Mit meinen Armen schob ich Äste und Gestrüpp beiseite und als ich einen Ast nach vorne drückte, weil er mich am Gehen hinderte und er zurück schnappte, landete er mit Schwung in Molotovs Gesicht.

„Bäh", fauchte er wütend und ich hörte das Rieseln von Baumnadeln.

Dadurch hatte ich etwas Vorsprung und als ich mich durch zwei weitere Büsche zwängte, blieb ich wie angewurzelt stehen.

Vor mir erstreckte sich ein riesiger Trainingsplatz auf einer sonnenbeschienenen Lichtung. Mit Steinen war er am Rand abgesteckt und in der Mitte befand sich feiner Sand. Holzbänke standen hinter den Steinen und überall waren Trainingsgeräte und Waffen. Provisorische Ziele waren aufgebaut und im Schatten standen zwei kleine Holzhütten.

Molotov war jedenfalls auch mal da und kämpfte sich durch die Büsche. Wusste aber nicht, dass ich dahinter stand und so rannte er direkt in mich hinein.

Überrascht stolperte ich nach vorn und landete im Sand. Mit meinen Händen konnte ich mich gerade noch abstützen, doch die Aufmerksamkeit der Anwesenden hatte ich trotzdem auf mich gezogen.

„Laila?!", schrie jemand verwundert auf und die Stimme konnte ich sofort David zuordnen.

Ich hörte Schritte, die sich mir näherten und vor mir stehen blieben. Als ich aufsah, blickte ich in Davids besorgte, blaue Augen und er hielt mir eine Hand hin. Dankbar ergriff ich sie und er zog mich hoch. Genervt klopfte ich mir den Sand aus der Kleidung und ließ mein Blick wieder über das Gelände wandern.

Bis auf David und Molotov war hier noch Jessie. Ihre schwarzen Haare waren in einem geflochtenen Zopf zusammengebunden und sie trug wieder ein schwarzes Trägershirt. Zudem hielt sie eine kleine Waffe in der Hand und sah mich missbilligend an.

Daher kam also der Schuss. Sie trainierten hier.

Darryl hatte schon so etwas erzählt. Kämpfen zum Selbstschutz. Nur sah das hier ganz anders aus. Aber ich konnte das ja nicht beurteilen.

„Was macht die denn hier?", kam es gereizt von Jessie und auch sie kam nun auf mich zu. David kuschte vor ihr zurück und ich bemühte mich sehr um einen selbstbewussten Auftritt. Sie scannte mich mit eisernem Blick ab und ich fühlte mich unter ihren hellen, fast gelben Augen äußerst unwohl. Ihre dunkle Haut glänzte in der Sonne und die Waffe in ihrer Hand ließ sie noch bedrohlicher wirken.

„Jessie, lass sie in Ruhe." Das Knurren konnte nur von einem kommen und der stand direkt hinter mir.

His Green EyesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora