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Es war der Moment direkt nachdem Jungkook diese Wörter über seine Lippen hatte gehen lassen, als er sich vom ganze Herzen wünschte, die Zeit zurückdrehen zu können und somit das Gesagte aus seinem Lebenslauf und dem Taehyung verschwinden zu lassen. Er bereute es. Wie hatte er das auch nur sagen können? Nicht einmal darüber nachgedacht, was dieser eine Satz alles anstellen konnte und sehr wahrscheinlich würde, hatte er.

Er hatte den Älteren nicht nur in eine Lage gebracht, die Unbehagen in ihm auslösen musste, sondern hatte auch sich selbst verraten. Er hatte sein Ansehen zerstört, sich offensichtlich als Stalker dargestellt und Jungkook könnte es Taehyung nicht einmal verübeln, sollte er ihn nun eine scheuern wollen. Dieser eine Satz hatte ihm alle Chancen genommen, die er hatte, wenigstens mit dem Braunhaarigen befreundet zu sein. Es war vorbei. Ein für alle Mal.

Und das konnte er allein im Blick des Älteren erkennen. Taehyung sah seinen Gegenüber schockiert an, als er diese Frage gestellt bekam und konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte.

Jedoch war das, was er folglich auf seine Frage entgegnete, um einiges harmloser und von anderen Emotionen geleitet, als das, mit dem Jungkook gerechnet hatte.

„D-Du hast mich gesehen? Jedes Jahr?", kam es mit leicht zitternden Stimme aus Taehyung. Mehr nicht. Keine Beschimpfungen, kein Stalker, nichts, was auch nur ansatzweise in diese Richtung ging. Eher kam es so rüber, als wäre er erleichtert darüber, dass er nun erfuhr, dass ihn jemand einmal im Jahr beobachtete. Als wäre es das, was er sich seit Jahren wünschte.

Überfordert sah Jungkook dabei zu, wie die Augen seines Gegenübers glasig wurden, wie die Tränen ihm die Sicht nahmen, sodass der Jüngere nicht wusste, was er machen sollte. Ihn umarmen? Vielleicht war das zu viel Körperkontakt, nachdem er gerade indirekt gebeichtet hatte, dass er ihn einmal ihm Jahr stalkte. Auf ihm einreden? Aber was sollte er sagen? Sein Kopf war eh nur voller Unwissenheit, als dass überhaupt irgendetwas beruhigendes zu standen kommen würde. Sollte er also einfach nichts tuend dort sitzen und warten, bis das Schluchzen verstummt war, um dann immer noch nicht zu wissen, was er sagen sollte? Definitiv nicht!

Also kratzte er sich nur unbeholfen über die Stirn, bevor er wieder hochsah, geradewegs in die tränenden Augen Taehyungs, die ihn ebenfalls musterten, nur um dann mit einem Tut mir leid anzusetzen.

Sein Hals wurde auf einen Schlag staubtrocken, als er weiterreden wollte, schluckte daher einige Male und richtete seinen Blick auf seine unruhig spielende Finger, da er den Anblick des Braunhaarigen nicht ertragen konnte.

„Ich hätte dich nicht beobachten dürfen. Und das ist auch keine Entschuldigung, das weiß ich, aber ich möchte dich wissen lassen, dass ich sechs Jahre alt war, als ich dich das erste Mal sah und seit dem war ich so fasziniert von dem Fakt, dass du jedes Jahr, wenn der Schnee fällt, hierher gekommen bist, um ihm dabei zuzusehen", und später auch, weil ich dich mehr mochte, als ich sollte. Und das obwohl ich dich nicht einmal kenne.

Jungkooks Griff um die Tasse in seiner Hand wurde von Mal zu Mal stärker, so mehr Sekunden vergingen, in denen keiner auch nur ein Wort sagte.

Taehyungs Schluchzen war ebenfalls verstummt, nur eine unangenehme Stille verbreitete sich im Raum und der Jüngere traute sich nicht seinen Kopf zu heben, um die Reaktion seines Gegenübers zu beobachten.

Jedoch schien diesem die Stille ebenfalls nicht zu gefallen, den nach einiger Zeit fing er an sich zu räuspern und begann zu sprechen: „Ich halte dich für keinen Stalker, wenn es das ist, was du denkst. Ich kann dich verstehen. Vor allem aus der Sicht eines kleinen Jungen muss es Interesse weckend sein, einen Jungen zu sehen, der sonst nie in dieser Gegend auftaucht, nun aber dort steht und in den Himmel blickt. Ich verurteile dich nicht dafür, ich hätte es selbst wohl auch gemacht. Ich bin tatsächlich eher froh darüber, dass du mich beobachtet hast, auch wenn du dich eindeutig hättest früher trauen sollen, mich anzusprechen."

Der Braunhaarige lächelte, was auch Jungkook sah, als er sich endlich traute wieder seinen Blick zu heben.

Taehyung war nicht verstört oder sauer auf ihn. Er hatte stattdessen positiv darüber geredet. Der Jüngere konnte seinen Ohren nicht glauben, als er das hörte. Seine Chancen waren tatsächlich nicht gesunken, sogar etwas gestiegen, dabei hätte jeder normal Sterbliche ihm eine gescheuert, hätte das Haus verlassen und bei der Polizei angerufen.

Doch Taehyung war nicht so. Er sah selbst darin nur das Gute und das erstaunte Jungkook. Er war fasziniert davon.

„Du wollest also wissen, was meine Intention ist? Warum ich jedes Jahr dort stehe?", kam es aus dem Älteren,  riss den Schwarzhaarigen damit aus seinem Schwall an Fragen und Geschwärmerei, bevor er seine Tassen an die Lippen setzte und einige Schlücke sich genehmigte.

Jungkook war verunsichert. Sollte er nun bestätigen, dass es das war, was er hatte fragen wollen? Oder war es besser, sie Abzuwinken und sich auf ein neues Gesprächsthema zu fokussieren? Aber welches? Außerdem hatte Taehyung es doch nun selbst schon fragte. Dann konnte die Antwort doch nicht so heftig sein, wie er es sich bei manchen Vermutungen vorgestellt hatte.

Also nickte er nur verlegen.

Snow Flower ⚣𝗄𝗈𝗈𝗄𝗍𝖺𝖾Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt