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Schockiert blickte Jungkook dem Älteren ins Gesicht. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Er hätte niemals damit gerechnet, dass Taehyung auf Grund dessen jedes Jahr auf dieser Straße stand, in den Himmel blickt und lächelte (wie bizarr das klingen mochte). Dass es auf einer so tragischen Geschichte beruhte, von der der Schwarzhaarige nicht glauben wollte, dass sie so wirklich passiert war, dass eine Mutter ihren fünfjährigen Sohn alleine im Schnee stehengelassen hat. Wie konnte sie so etwas nur tuen?

Jungkook erinnerte sich wieder an die Tränen, die der Fünfundzwanzigjährige vergossen hatte, die er wohl jedes Jahr vergoss, die er aber aus so einer Entfernung nicht gesehen hatte. Wie hätte er da wissen können, dass hinter all dem etwas so schlimmes steckte?

Ein Unwohlsein erweckendes Gefühl breitete sich in dem Schwarzhaarigen aus. Wie hatte er Taehyung nur diese Frage stellen können? Wie hatte dieser sie überhaupt von sich aus beantworten wollen? Es musste traumatisierenden sein. So etwas zu erleben wünschte Jungkook keinem und, dass ausgerechnet dieser wundersame Junge, der seit vierzehn Jahren auf dieser Straße stand und, so unpassend es klingen mag, lächelte, seine Mutter auf diese Art verloren hatte, nahm ihn mehr mit, als er angenommen hatte.

Seine Brust zog sich zusammen und seine Augen wurden leicht glasig, während er seinen Gegenüber zu sah, wie er versuchte stark zu bleiben und seine überquellenden Tränen zu stoppen, seine Blick dabei auf seine zitternden Hände gerichtet.

„E-Es tut mir so leid für dich", war das erste was Jungkook über die Lippen ging, auch wenn es nur leise und kaum hörbar war, weil er Angst hatte die Stille zu abrupt zu brechen und den Älteren zu erschrecken.

Zuerst ging der Schwarzhaarige davon aus sein Gesagtes wäre bei seinem Gegenüber nicht angekommen, doch als dieser kurze Zeit später seinen Kopf etwas anhob und Jungkook in die Augen blickte, legte sich auch ein ehrliches wenn auch nur schwaches Lächeln auf dessen Lippen.

„I-Ich stand danach auf diesem Feld bis es dunkler wurde. Meine Mutter kam aber nie. Und als dann irgendwann die Nacht anbrach, stand dort plötzlich dieser Mann vor mir und ich bekam riesige Angst. Ich dachte, ich werde zum Opfer einer Erpressung, aber stellte der Mann sich letztendlich als mein besorgter Vater heraus, der mich und meine Mutter gesucht hatte... Ich hab ihn gefragt, ob er wisse, wo Mama sei, aber er hat nur mit dem Kopf geschüttelt, obwohl ich ihm angesehen hab, dass er eine Ahnung hatte. Wir sind dann nachhause gegangen und Papa hat mich ins Bett gebracht, ohne mir nur eine Frage über meine Mutter wirklich zu beantworten", erzählte er weiter, presste für kurze Zeit seine Lippen aufeinander, bevor er seinen Blick abwandte und wieder auf seine Finger sah.

Jungkook schluckte schwer. Er konnte sich nicht vorstellen, wie hart es sein musste, sich an all das zu erinnern. Es war etwas, dass er tief in sich trug und, dass er es nun einem Fremden offenbarte, der ihn obendrein seit vierzehn Jahren beobachtete, stalkte, war äußerst bizarr.

„Als es dann im nächsten Jahr wieder geschneit hatte. Stand ich wieder dort. Dieses Mal mit meinem Vater, umringt von großen Einfamilienhäusern. Ich hab gewartet und gehofft, dass sie auftauchen würde, aber sie kam nicht, natürlich nicht. Die folgenden Jahre verbrachte ich diesen einen Tag immer dort, wartete und wurde letztendlich enttäuscht... Und als ich dreizehn war, hat mir mein Vater erklärt, was mit meiner Mutter geschehen war. Dass sie sich... ungebraucht hat und, dass sie nie wieder zurückkommen wird. Und ich hatte es ja gewusst, dass sie nicht mehr da war, dass sie nie wieder da sein würde, aber ich hatte mit der Zeit angefangen zu hoffen, dass nicht sie zurückkommen würde, sonder, dass sie mir ein Zeichen gibt, dass sie mich nie verlassen hat, dass sie, auch wenn ich sie vielleicht nicht sehen kann, immer bei mir war und immer bei mir sein wird.

Aber dieses Zeichen kam nie. Und je älter ich wurde, desto schwacher wurde die Hoffnung. Und wenn ich ehrlich bin, dann gab es auch eine Zeit, in der ich sie gehasst habe. Dafür, dass sie mich und meinen Vater einfach im Stich gelassen hatte, dass sie mit ihrer Entscheidung nur an sich gedacht hatte und nicht an ihre Familie. Ich hatte vor, nie wieder hier her zu kommen, aber ich konnte nicht anders, als ich die ersten Schneeflocken im folgenden Jahr gesehen hatte. Und egal wie wütend und enttäuscht ich war, tief in mir drin war immer noch der Wunsch, dass sie jemanden schicken wird.

Und dann kamst du heute."

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Etwas später, aber trotzdem noch am 10. :)

Snow Flower ⚣𝗄𝗈𝗈𝗄𝗍𝖺𝖾Where stories live. Discover now