Kapitel 8

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Manche Tage laufen mehr als beschissen. Man denkt man hat alles im Griff, denkt es könnte alles gut werden, aber an solchen Tagen scheint die Welt einen nicht mehr zu halten. Langsam aber sicher entglitt einem die Kontrolle verloren in Stück weit. Man musste aber doch stark sein, für alle da sein und von jedem die Tränen trocknen und dafür seine eigenen verstecken. Dabei war ich so müde. Den Tag über hatte ich immer wieder Panikattacken und weinkrämpfe. Ich war so unfassbar müde. Ich stand kurz vor Entlassung und machte jetzt so riesige Rückschritte, das durfte nicht passieren! Essen war wieder schwer und manchmal schlichen sich plötzlich ganz negative Gedanken in meinen Kopf. Ich fühlte mich von meiner Mutter allein gelassen, von jedem allein gelassen, ich musste alles alleine regeln und war damit so unfassbar überfordert. Das alles machte mir Angst. Ich wollte dieses Leben nicht mehr. Ich könnte die Klinge nehmen... ich wusste doch wie es funktionierte... es kostete mich viel Überwindung dies nicht zu tun. In meinem Kopf planten irgendwelche Gedanken meinen suizid. Ich war doch so voller Hoffnung gewesen? Was ist nur passiert? Mein Blick wanderte runter zu meinem Arm. Narben prägten ihn, in allen dicken und Farben. Ich würde zur Klinge greifen das wusste ich. Ich würde dem nicht stand halten können. Ich wollte keinen belasten und bei den Pflegern konnte ich mich auch nicht melden. Ich mochte die beiden nicht die da waren, ich wusste sie würden mir nur ein schlechtes Gewissen machen.

Blut. Überall Blut. Ich versuchte es wegzuwischen aber das stellte sich als schwierig heraus, denn es hörte nicht auf. Unbeeindruckt setzte ich die Klinge wieder an den Arm. Erst beherrscht, dann panisch übers er Ader. Ich spürte nichts. Kein brennen, kein schmerz. Ich wollte doch nur spüren. Ich wollte mich doch nur lebendig fühlen. Was hatte ich getan? Das Blut rann ohne Ende aus den klaffenden Wunden. Ich war den Tränen nahe. Drei Monate war ich clean gewesen. Drei Monate für nichts. Ich bekam erneut eine Panikattacke und rang nach Luft. Blut, überall Blut. Ich musste die Wunden irgendwie schließen. Mir entglitt die Klinge und wie in Zeitlupe fiel sie zu Boden. Ausdruckslos starrte ich an die wand und rutschte in eine Dissoziation.

Der Verband brannte. Wieder einmal lag ich in meinem Bett und fand keinen Schlaf. Der Tag zig in meinen Gedanken noch einige Ehrenrunden. Es war einiges schief gelaufen. Es war ein richtig Klischee Montag. Mittlerweile war es fast 11. Ich war müde, aber ich konnte einfach nicht schlafen. Die Station war unruhig und die beiden Jungs steckten immer mal wieder aus Sorge den Kopf bei uns rein. Ein suizid Versuch, einer musste genäht werden, drei verletzten sich selbst. Der Rest war angespannt. Panikattacken, Tränen, ausraster, selbstverletzung. Heute war alles dabei. Müde schloss ich die Augen. Ich wälzte mich unruhig hin und her, fand aber keinen Schlaf. Immer wieder machten sich sorgen und Ängste breit. Meine Augen brannten vor Müdigkeit und ich hörte auf zu versuchen zu schlafen. Ich machte mir Sorgen um mein Mädchen, es ging ihr nicht gut. Körperlich verschlechterte sich ihr Zustand, sie nahm nur langsam zu. Ich betete das sie es überlebte. Müde fielen meine Augen zu und ich viel in eine sehr unruhige angespannte Nacht.

Der nächste Tag, ein Dienstag, lief recht gut, dafür eskalierte der Mittwoch. Die Anspannung stieg, schwierige Gespräche warfen mich aus der Bahn. Entlassung, Heimatschule, etc. Ich hielt es einfach nicht mehr aus, der Druck war einfach zu stark. Ich schloss mich im Bad ein und setzte die Klinge an. Langsam, vorsichtig, Strich für strich. Aber ich spürte nichts. Kein brennen, kein Schmerz. Es blutete ohne Ende, aber es reichte mir nicht. Ich wurde panisch und rutschte ab. Eine breite Wunde klaffte an meinem Arm und unkontrolliert lief immer mehr Blut heraus. Ich bekam Angst und schlich nach vorne zum Büro. Unter Tränen gestand ich meinen Fehler und ließ die Ärztin, welche auch meine Therapeutin ist, drüber schauen. Es müsse genäht werden sagte sie und schickte mich ins Krankenhaus. Vier Einhalb Stunden wartete ich in der Notaufnahme. Fürs nähen war es bereits zu spät, also klebte der Arzt es. Es brannte, aber ich genoss den Schmerz. Müde und hungrig kam ich wieder auf Station an. Freudig wurde ich wieder empfangen. Ich aß noch schnell etwas nach, während die anderen ins Zimmer gingen. Ich schrieb Mama das alles gut sei und wir morgen quatschten würden. Totmüde viel ich in mein Bett und schlief fast augenblicklich ein, denn noch zusätzlich machte mich das Beruhigungsmittel extrem müde.

Nie gut genug Where stories live. Discover now